Harsche Kritik an Dividende
Ausschüttung an Aktionäre und gleichzeitig Kurzarbeitergeld-hilfe? Manchen Aktienbesitzern geht das zu weit. Aufsichtsrat und Chef wiegeln ab.
Hauptversammlungen sind schon zu normalen Zeiten eine, sagen wir mal, eher abwechslungsarme Veranstaltung. Aktionäre stellen in einer großen Halle stundenlang sich oft wiederholende Fragen, die von wenig amüsiert wirkenden Aufsichtsräten und dem Chef auf dem Podium monoton beantwortet werden. Während der Pandemie ist alles noch eindimensionaler: Die Manager lesen Antworten auf eingereichte Fragen vom Papier ab. Oft sind ihre Aussagen dabei sehr allgemein, ausweichend und nur wenig neu.
Bei Daimler war das diesmal ähnlich. Vermutlich fiel auch deshalb auf, dass unter den Antworten immer wieder ein kontroverses, beinahe emotionales Thema auftauchte: Ist es richtig, dass der Autobauer durch Kurzarbeitergeld 700 Millionen Euro spart und gleichzeitig doppelt so viel Geld an Dividende auszahlt? 308 Millionen Euro der Ausschüttung fließen dabei an chinesische und arabische Anteilseigner.
Für den scheidenden Aufsichtsratschef Manfred Bischof steht die Antwort natürlich fest. Schon bevor Vorstandschef Ola Källenius zu seiner Rede ansetzt, stellt Bischof klar: „Die Unterstellung, dass die Dividende ausbezahlt würde aus Steuergeldern, die wir als Subventionen in der Krise erhalten haben, ist schlicht und einfach falsch.“Kurzarbeitergeld sei eine Leistung, für die zuvor Arbeitgeber und -nehmer eingezahlt hätten.
Finanzchef Harald Wilhelm sieht zwischen Dividende und Kurzarbeitergeld so gar „keinen direkten Zusammenhang“. Das Unternehmen sei allen Beteiligten gleichermaßen verpflichtet. Daimler habe festgelegt, 40 Prozent seines Nettogewinns auszuschütten, was 1,35 Euro pro Aktie entspreche. „Kontinuität und Verlässlichkeit gegenüber unseren Anteilseignern ist wichtig“, sagt Wilhelm. „Unsere Dividende berechnet sich seit langem nach einer klaren Systematik“, fügt Källenius an. Das Unternehmen habe auch keine Staatshilfe in Anspruch genommen. Überlegungen einzelner Aktionäre, das Geld in eine soziale Stiftung einzuzahlen oder für Schuldenabbau oder Forschung
zu nutzen, erteilten Aufsichtsräte und der Vorstandschef eine klare Absage. Dividendenauszahlung und Investitionen etwa widersprächen sich nicht, sagt Wilhelm.
Dabei hat Daimler viel vor. „Der Umbruch hin zu rein elektrischen Antrieben wird womöglich viel schneller gehen als bisher angenommen“, schwört Källenius die Aktienbesitzer auf wechselvolle Zeiten ein. Zwar sollen Verbrennungsmotoren vor allem in Märkten ohne Elektro-infrastruktur noch lange geliefert werden. Doch deren Vielfalt werde bis 2030 um 70 Prozent zurückgehen. Ein Werk für Batteriezellenproduktion ist geplant. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts soll der Brennstoffzellen-lkw in Serie gehen. Heute werde an Technologien gearbeitet, die die Mobilität der nächsten 20 Jahre bestimme, sagt Källenius. Neben der Elektromobilität sind das die Fahrzeug-software und das automatisierte Fahren.
„Ja, wir stellen 3000 Softwareingenieurinnen und -Ingenieure neu ein“, berichtet Källenius. Aber insgesamt müssten Kostenstrukturen und Personalkosten gesenkt werden. Ein zielstrebiger Umbau der Standorte sei nötig. „Es nutzt auf Dauer niemandem, in einem Werk mit großer Tradition zu arbeiten. Es geht darum, in Werken mit großer Zukunft zu arbeiten.“Für Bischof sind „gravierende Veränderungen nur durch einen gewissen Leidensdruck möglich“.
Im ersten Quartal des laufenden Jahres liefen die Geschäfte aber gut. Trotz der Engpässe bei der Lieferung von Mikrochips dürften Absatz und Umsatz höher sein als im Vorjahresquartal. „Dazu tragen insbesondere der chinesische Markt sowie der starke Produktmix bei.“
Bei der Truck- und Bussparte, die im Herbst vom Gesamtkonzern abgespalten werden soll, um sie an die Börse zu bringen, geht Källenius von einem gestiegenen Anteil des Gewinns am Umsatz aus, die Verkäufe lägen auf Vorjahresniveau. 2021 ist laut Wilhelm mit einer „deutlichen Ergebnissteigerung“und entsprechend höherer Dividende im kommenden Jahr zu rechnen.