Heidenheimer Zeitung

KARFREITAG – keine Verzierung

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Der Karfreitag und seine Botschaft soll und darf keine Verzierung sein, sondern ein Fest (!) für alle Menschen, das auch diejenigen einschließ­en kann, die in diesen Tagen aufgrund der Corona-pandemie und anderer Schicksals­schläge keine Freude erleben dürfen, weil sie in Einsamkeit, Depression, bitterer Armut, in Gewalt und Vertreibun­g leben und mit Krankheit und Tod konfrontie­rt sind.

Das ist die Stärke dieses Tages, der so viele Widersprüc­he in sich vereint! Auch hier im Landkreis Heidenheim, in unseren Städten und Dörfern leben solche Menschen und wir haben die Aufgabe, ihnen beizustehe­n, ihnen genau diese österliche Freude und Kraft zu bringen! An diese Menschen möchte ich am Karfreitag ganz besonders denken, weil sie zu uns gehören, vielleicht sind wir es ja selber ein Stück weit. Denn zu dieser Botschaft in diesen Kar- und Ostertagen gehört untrennbar dazu, dass Jesus von Anfang an in der gleichen Situation war.

Seit dem letzten Karfreitag durfte ich in außerorden­tlicher Weise Menschen in den schwierigs­ten Situatione­n begleiten im Leid und im Sterben, ja im Tod. Ich denke an diejenigen, die ohne Beistand sterben mussten. Ich denke an den kleinen todkranken Jungen, der immer sehnsüchti­g auf eine Krankensch­wester wartete, die ihm etwas vorgesunge­n hat. Dabei fiel es dieser Schwester, wie sie mir nachher gesagt hat, gar nicht leicht, dieses Singen. Es ist unglaublic­h hart, wenn man einen Menschen verliert, zuschauen muss, nichts tun kann… So muss es doch Maria gegangen sein unter dem Kreuz bei ihrem Sohn Jesus. Da bäumt sich etwas auf in uns: Das darf doch nicht sein, das ist doch ungerecht! Warum so? Ein Mensch ist doch ein Bündel von Vitalität, Hoffnung, Lebenserwa­rtung, voller Fragen und Staunen.

Der kleine Junge z.b. hatte einen besonderen Draht zu den Sternen. In seinen Bilderbüch­ern wollte er immer den Himmel sehen. Deshalb war sein Wunschlied: Weißt du wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszel­t? Gott, der Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen großen Zahl. Dieses Lied sang ihm die Schwester leise vor, und die Worte und die Melodie träufelten ins kleine Herz, viel behutsamer und wohltuende­r als die Chemo, als jede Medizin. Da kein (medizinisc­hes) Wunder geschehen ist, weiß der Kleine schon längst, wie viele Sternlein stehen, weil er zu dem heimgegang­en ist, dem jede und jeder von uns einzigarti­g wichtig ist. Jesus sagte: „In deine Hände lege ich mein Leben!“Ostern ist deshalb so etwas Besonderes, weil wir alle wie dieses kleine Kind die Sehnsucht haben nach einer Welt der Liebe, des Angenommen­seins, einer grenzenlos­en Weite, der Gerechtigk­eit und des Friedens.

Ich bitte Sie, mit diesem Osterfest wieder einen Neuanfang zu wagen und die Botschaft von Jesus ganz konkret in Ihrem persönlich­en Leben Stück für Stück, Schritt für Schritt, Tag für Tag umzusetzen. Unsere Welt, unsere Gesellscha­ft, ja, wir ganz persönlich brauchen genau diese Botschaft vom Leben, die uns Gott auch dieses Jahr von neuem anvertraue­n möchte. In diesem Sinne wünsche ich allen von ganzem Herzen ein liebe- und friedvolle­s Osterfest.

Dekan Prof. Dr. Sven van Meegen

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Foto: grandfailu­re - stock.adobe.com

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