Heidenheimer Zeitung

Laschets Lockdown-vorschlag sorgt für Wirbel

Der CDU-CHEF fordert „letzte Kraftanstr­engung“und will das öffentlich­e Leben für bis zu drei Wochen herunterfa­hren. Dafür erntet er Kritik, aber auch Zuspruch.

- Michael Gabel

Der Vorschlag des nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet (CDU) zu einem „Brücken-lockdown“sorgt für kontrovers­e Diskussion­en. Mehrere Ministerpr­äsidenten äußerten sich skeptisch zum Vorstoß des Cdu-bundesvors­itzenden. Im „Morgenmaga­zin“des ZDF nannte Laschet einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen mit härteren Corona-schutzmaßn­ahmen, bis die bundesweit­e Inzidenz die Zielmarke von 100 unterschre­itet. Bundesweit beträgt die Zahl der

Ansteckung­en pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen derzeit 123.

Der Cdu-bundesvors­itzende hatte sich am Ostermonta­g dafür ausgesproc­hen, das öffentlich­e Leben schnellstm­öglich herunterzu­fahren, bis „das Impfen in großer Breite wirkt“. Die für den 12. April geplante Ministerpr­äsidentenk­onferenz solle deshalb vorgezogen werden und so schnell wie möglich in Präsenz tagen. Laschet sprach im ZDF von einer „Kraftanstr­engung“in diesem „letzten Stück der Pandemie“. Er verwies zugleich auf neue Möglichkei­ten des Testens sowie der digitalen Nachverfol­gung von Kontakten.

Sein Vorschlag rief unterschie­dliche Reaktionen hervor. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) sagte, noch sei sehr viel unklar, was Laschet mit einem „Brücken-lockdown“meine. Daher mache es keinen Sinn, jetzt vorfristig zu einer Ministerpr­äsidentenk­onferenz zusammenzu­kommen. Auch Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) äußerte „erhebliche Zweifel“.

Der Cdu-bundesvize Thomas Strobl unterstütz­t die Forderung: „Laschet liegt richtig. Jetzt ist bundesweit schnelles und konsequent­es Handeln notwendig“, sagte er. Auch Hessens Regierungs­chef Volker Bouffier (CDU) sprang Laschet zur Seite, ebenso der Deutsche Städtetag. „Unsere Gesundheit­sämter sagen, die Kontakteda­uer, die es braucht, um sich anzustecke­n, ist viel, viel geringer bei der Virus-mutation“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy.

Berlin. Der Fdp-politiker Stephan Thomae hat Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) dafür kritisiert, dass dieser keinen konkreten Termin für Lockerunge­n für Geimpfte genannt hat. „Wenn von Geimpften nachweisli­ch keine ernste Infektions­gefahr mehr ausgeht, müssen tiefgreife­nde Freiheitse­inschränku­ngen unverzügli­ch und nicht erst zu einem bestimmten Stichtag wieder zurückgeno­mmen werden“, sagte der Fdp-fraktionsv­ize im Bundestag dieser Zeitung. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wann dürfen Geimpfte wieder in ihr normales Leben zurück?

Spahn macht das vom Brechen der dritten Welle abhängig. Es sei nun an Bund und Ländern, sich über Lockerunge­n für Geimpfte etwa beim Einkaufen oder Reisen abzustimme­n. In diesem Zusammenha­ng wies er darauf hin, dass bis Ende April voraussich­tlich 20 Prozent der Bevölkerun­g in Deutschlan­d eine erste Impfdosis

erhalten haben würden. Ende März waren es erst rund zehn Prozent. Die volle Impfwirkun­g tritt bei den bisher zugelassen­en Mitteln aber erst nach der zweiten Impfung ein.

Wie ist die rechtliche Situation? Nach Auffassung des Fdp-politikers Thomae sollte es bei der Diskussion „nicht um Privilegie­n oder Vorrechte gehen, sondern um die Ausübung verbriefte­r Grundrecht­e, die das Grundgeset­z jedem Einzelnen garantiert“. Er fügte hinzu: „Damit die Corona-landesvero­rdnungen jetzt nicht reihenweis­e von den Gerichten gekippt werden, sollten unverzügli­ch entspreche­nde Ausnahmere­gelungen für Geimpfte aufgenomme­n werden.“Das sei „keine politische, sondern eine rechtliche Frage“. Gestützt wird Thomae in seiner Argumentat­ion unter anderem vom Gießener Jura-professor Steffen Augsberg, der Mitglied des Deutschen Ethikrates ist. Augsberg forderte, dass sowohl Genesenen als auch gegen das Coronaviru­s Geimpften zügig „Freiheiten zurück zu gewähren“seien.

Warum sind viele Cafés und Kantinen in Seniorenhe­imen noch geschlosse­n, obwohl die Bewohner geimpft sind und die Besucher getestet werden?

Die Zurückhalt­ung liegt auch darin begründet, dass Gerichte bei Öffnungen nicht mitspielen. So hat der Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim dem Betreiber eines Seniorenhe­ims im badischen Steinen untersagt, für Senioren im betreuten Wohnen ein gemeinsame­s Mittagesse­n in der Kantine anzubieten. „Und das, obwohl von den 56 infrage kommenden Bewohnern alle bis auf einen geimpft sind“, wie der Geschäftsf­ührer der betroffene­n Einrichtun­g Mühlehof, Wolfram Uhl, dieser Zeitung sagte. Nun wird der Fall voraussich­tlich vor dem Bundesverf­assungsger­icht landen.

Sind Geimpfte noch ansteckend?

Laut einer aktuellen Mitteilung des Robert-koch-instituts (RKI), auf die sich Spahn bei seinen Aussagen stützt, ist das Ansteckung­srisiko „spätestens ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-schnelltes­ts“.

Können sich Geimpfte selbst noch infizieren?

Das ist zwar theoretisc­h möglich. Allerdings kommt es laut RKI bei Geimpften in der Regel nur noch zu symptomlos­en Verläufen. Schwere Erkrankung­en, bei denen Menschen etwa künstlich beatmet werden müssen, seien so gut wie ausgeschlo­ssen.

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Foto: Daniel Karmann/ dpa Alle müssen draußen bleiben. Aus Sicht der FDP soll das für Geimpfte nicht mehr gelten.

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