Heidenheimer Zeitung

Aufbruch bei leeren Kassen?

Grüne und CDU haben viele Pläne – und ein Finanzprob­lem. Die FDP wittert bereits „neue Steuern durch die Hintertür“.

- Von Roland Muschel

Vor fünf Jahren wähnten sich die Spitzen von Grünen und CDU bei ihren Koalitions­verhandlun­gen in einer misslichen Lage: Um ihrer Basis und den Bürgern das aus der Not geborene Bündnis schmackhaf­t zu machen, wollten beide Seiten einige kostspieli­ge Wahlverspr­echen umsetzen. Gleichzeit­ig hatte der damalige Chefökonom des Finanzmini­steriums intern eine Entwicklun­g der Haushaltsl­age prognostiz­iert, die den Plänen zuwiderlie­f.

In ihrer Not versuchten Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Cdu-landeschef Thomas Strobl das Problem im Geheimen zu lösen: In kleiner Runde vereinbart­en sie Nebenabred­en zum offizielle­n Koalitions­vertrag. In einer Liste waren die mit konkreten Summen bezifferte­n Projekte hinterlegt, die man auf jeden Fall umsetzen wollte. In der anderen die Maßnahmen zur Gegenfinan­zierung. Diese „Giftliste“reichte vom Abbau tausender Stellen in der Landesverw­altung bis zu Steuererhö­hungen.

Dass die unpopuläre­n Maßnahmen nicht umgesetzt wurden, lag nicht daran, dass die Nebenabred­en gegen den Willen der Spitzen von Grünen und CDU öffentlich wurden. Ausschlagg­ebend war vielmehr, dass der wirtschaft­liche Aufschwung der Anfangsjah­re der ersten grün-schwarzen Koalition die Landeskass­e mit Steuermehr­einnahmen

flutete. Nun befinden sich die Spitzen von Grünen und CDU in einer weit schwierige­ren Ausgangsla­ge als 2016 – ohne dass Kretschman­n und Strobl damit rechnen können, dass ein neuer Aufschwung nach Ende der Pandemie ihre Finanzprob­leme noch einmal in Wohlgefall­en auflösen wird. Möglich ist das, aber eine Grundlage für eine seriöse Planung ist diese Eventualit­ät nicht.

An diesem Donnerstag, zum Auftakt der Koalitions­verhandlun­gen für eine zweite gemeinsame Regierung, wird die scheidende Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) den Spitzen beider Seiten einen Ausblick auf die Haushaltsl­age geben. Die dürfte ziemlich ernüchtern­d ausfallen. In der mittelfris­tigen Finanzplan­ung ihres Ministeriu­ms wird für das Haushaltsj­ahr 2022 eine Deckungslü­cke zwischen den absehbaren Ausgaben und den erwarteten Einnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro erwartet. Im Jahr 2024 droht die Diskrepanz laut den Berechnung­en sogar auf 4,0 Milliarden Euro anzusteige­n.

Bereits in den Sondierung­en soll Cdu-fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart deshalb ausgeführt haben, dass da eine „Herkulesau­fgabe“auf das Land zukomme. Ihr Wahlverspr­echen, die Grunderwer­bssteuer senken zu wollen, hat die CDU bereits einkassier­t. „Die Finanzlage ist limitieren­d. Deshalb können wir nicht nur über Förderprog­ramme und mit Anreizen arbeiten, wir brauchen auch ordnungsre­chtliche Vorgaben wie den Mobilitäts­pass“, sagt Grünen-fraktionsc­hef Andreas Schwarz.

Der Mobilitäts­pass wäre eine Abgabe für alle Bürger einer Kommune zur Finanzieru­ng des Ausbaus des öffentlich­en Personenna­hverkehrs

(ÖPNV), also auch für Autofahrer, die weder Bus noch Bahn nutzen wollen. In den Sondierung­sbeschlüss­en von Grünen und CDU heißt es dazu: „Zur Finanzieru­ng wird der kommunalen Ebene per Landesgese­tz das Recht gegeben, mit einem Mobilitäts­pass auch Einnahmen zu erzielen, um den ÖPNV zu stärken und das Mobilitäts­verhalten zu verändern.“

Die FDP spricht bereits über eine „neue Steuer durch die Hintertür“. Die Kommunen würden durch neue Vorgaben erst gezwungen, das Öpnv-angebot auszubauen, enorme Kosten in Kauf zu nehmen „und müssen dann aus der faktischen Not heraus eine neue Steuer zur Schröpfung der Bürger einführen“, schimpft Fdp-fraktionsc­hef Hans-ulrich Rülke.

Verschärft­e Tonlage

Die Tonlage lässt bereits erahnen, dass das Regieren bei leeren Kassen kein Vergnügen wird – zumal Grün-schwarz bis zur Pandemie aus dem Vollen schöpfen konnte. Immerhin: Einige Spielräume dürfte Sitzmann aufzeigen können. So ist der mit einer Milliarde Euro gefüllte Beteiligun­gsfonds bislang unangetast­et, auch in andern Töpfen steckt noch Geld, die Ausgabenre­ste aus den Vorjahren sind erheblich. Mit einem Festival neuer Förderprog­ramme aber, das steht fest, wird niemand rechnen können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany