Aufbruch bei leeren Kassen?
Grüne und CDU haben viele Pläne – und ein Finanzproblem. Die FDP wittert bereits „neue Steuern durch die Hintertür“.
Vor fünf Jahren wähnten sich die Spitzen von Grünen und CDU bei ihren Koalitionsverhandlungen in einer misslichen Lage: Um ihrer Basis und den Bürgern das aus der Not geborene Bündnis schmackhaft zu machen, wollten beide Seiten einige kostspielige Wahlversprechen umsetzen. Gleichzeitig hatte der damalige Chefökonom des Finanzministeriums intern eine Entwicklung der Haushaltslage prognostiziert, die den Plänen zuwiderlief.
In ihrer Not versuchten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Cdu-landeschef Thomas Strobl das Problem im Geheimen zu lösen: In kleiner Runde vereinbarten sie Nebenabreden zum offiziellen Koalitionsvertrag. In einer Liste waren die mit konkreten Summen bezifferten Projekte hinterlegt, die man auf jeden Fall umsetzen wollte. In der anderen die Maßnahmen zur Gegenfinanzierung. Diese „Giftliste“reichte vom Abbau tausender Stellen in der Landesverwaltung bis zu Steuererhöhungen.
Dass die unpopulären Maßnahmen nicht umgesetzt wurden, lag nicht daran, dass die Nebenabreden gegen den Willen der Spitzen von Grünen und CDU öffentlich wurden. Ausschlaggebend war vielmehr, dass der wirtschaftliche Aufschwung der Anfangsjahre der ersten grün-schwarzen Koalition die Landeskasse mit Steuermehreinnahmen
flutete. Nun befinden sich die Spitzen von Grünen und CDU in einer weit schwierigeren Ausgangslage als 2016 – ohne dass Kretschmann und Strobl damit rechnen können, dass ein neuer Aufschwung nach Ende der Pandemie ihre Finanzprobleme noch einmal in Wohlgefallen auflösen wird. Möglich ist das, aber eine Grundlage für eine seriöse Planung ist diese Eventualität nicht.
An diesem Donnerstag, zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen für eine zweite gemeinsame Regierung, wird die scheidende Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) den Spitzen beider Seiten einen Ausblick auf die Haushaltslage geben. Die dürfte ziemlich ernüchternd ausfallen. In der mittelfristigen Finanzplanung ihres Ministeriums wird für das Haushaltsjahr 2022 eine Deckungslücke zwischen den absehbaren Ausgaben und den erwarteten Einnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro erwartet. Im Jahr 2024 droht die Diskrepanz laut den Berechnungen sogar auf 4,0 Milliarden Euro anzusteigen.
Bereits in den Sondierungen soll Cdu-fraktionschef Wolfgang Reinhart deshalb ausgeführt haben, dass da eine „Herkulesaufgabe“auf das Land zukomme. Ihr Wahlversprechen, die Grunderwerbssteuer senken zu wollen, hat die CDU bereits einkassiert. „Die Finanzlage ist limitierend. Deshalb können wir nicht nur über Förderprogramme und mit Anreizen arbeiten, wir brauchen auch ordnungsrechtliche Vorgaben wie den Mobilitätspass“, sagt Grünen-fraktionschef Andreas Schwarz.
Der Mobilitätspass wäre eine Abgabe für alle Bürger einer Kommune zur Finanzierung des Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs
(ÖPNV), also auch für Autofahrer, die weder Bus noch Bahn nutzen wollen. In den Sondierungsbeschlüssen von Grünen und CDU heißt es dazu: „Zur Finanzierung wird der kommunalen Ebene per Landesgesetz das Recht gegeben, mit einem Mobilitätspass auch Einnahmen zu erzielen, um den ÖPNV zu stärken und das Mobilitätsverhalten zu verändern.“
Die FDP spricht bereits über eine „neue Steuer durch die Hintertür“. Die Kommunen würden durch neue Vorgaben erst gezwungen, das Öpnv-angebot auszubauen, enorme Kosten in Kauf zu nehmen „und müssen dann aus der faktischen Not heraus eine neue Steuer zur Schröpfung der Bürger einführen“, schimpft Fdp-fraktionschef Hans-ulrich Rülke.
Verschärfte Tonlage
Die Tonlage lässt bereits erahnen, dass das Regieren bei leeren Kassen kein Vergnügen wird – zumal Grün-schwarz bis zur Pandemie aus dem Vollen schöpfen konnte. Immerhin: Einige Spielräume dürfte Sitzmann aufzeigen können. So ist der mit einer Milliarde Euro gefüllte Beteiligungsfonds bislang unangetastet, auch in andern Töpfen steckt noch Geld, die Ausgabenreste aus den Vorjahren sind erheblich. Mit einem Festival neuer Förderprogramme aber, das steht fest, wird niemand rechnen können.