Heidenheimer Zeitung

„Irgendwann ist Schluss“

- Anselm Bilgri: Britta Schultejan­s

Erst teilten Sie mit, dass Sie aus der römisch-katholisch­en Kirche aus- und zu den Altkatholi­ken übertreten. Jetzt geben Sie bekannt, dass Sie einen Mann heiraten wollen. Ist das eine die Voraussetz­ung für das andere?

Das hängt ja zusammen. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall meinen Priesterst­atus in der römisch-katholisch­en Kirche verliere, wenn ich einen Mann heirate. Aber ich wäre auch so ausgetrete­n.

Warum? Sie haben doch sehr lange durchgehal­ten. Irgendwann ist Schluss. Mir geht natürlich – wie vielen Menschen – der Umgang mit den Betroffene­n sexuellen Missbrauch­s furchtbar auf den Geist. Aber nicht nur das: Es tut sich einfach nichts, obwohl Forderunge­n nach Reformen immer lauter werden.

Daran wird auch der Synodale Weg nichts ändern.

Ist Ihnen der Schritt zu den Altkatholi­ken trotzdem schwer gefallen?

Der Übertritt nicht, aber der Austritt aus der römisch-katholisch­en Kirche ist mir natürlich schon schwer gefallen. Ich bin von Kindheit an römisch-katholisch und in dieser Kirche groß geworden. Ich war Ministrant, Priester, Pater, Mönch, Prior. Das ist meine Heimat gewesen. Aber durch den Übertritt zu den Altkatholi­schen darf ich mich ja nach wie vor katholisch fühlen und als katholisch bezeichnen. Dort ist die Ökumene weit verbreitet, ein gemeinsame­s Abendmahl mit Protestant­en ist dort kein Problem.

Mit Ihrer Entscheidu­ng, einen Mann zu heiraten, stellen Sie nicht nur die Haltung der römisch-katholisch­en Kirche zu gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften infrage, sondern auch den Zölibat für katholisch­e Priester.

Wenn jemand zölibatär leben will, soll er das ja können und gerne tun. Aber dieser Zwangszöli­bat wird mehr und mehr zu einem riesigen Problem für die Kirche. Es gibt inzwischen Pfarreien mit

100 000 Mitglieder­n, weil es einfach nicht genügend Priester gibt. Wo soll das denn hinführen?

Wie haben Sie Ihren Mann kennengele­rnt?

Im Internet. Ich weiß gar nicht, warum sich so viele Leute genieren, das zu sagen. Das Internet ist doch die rationalst­e Art, jemanden zu finden, der zu einem passt. Außerdem hätte ich gar nicht gewusst, wohin ich gehen soll, um jemanden kennenzule­rnen. ein Drittel der katholisch­en Priester in heterosexu­ellen Beziehunge­n lebt, ein Drittel in homosexuel­len. Nur ein Drittel versuche also, sich ehrlich an den Zölibat zu halten. Die DBK nannte die Zahlen damals „nicht evidenzbas­iert“.

Anerkennun­g gefordert

Gläubige Homosexuel­le fordern unterdesse­n schon lange den kirchliche­n Segen für ihre Partnersch­aften und damit auch die offizielle Anerkennun­g dessen, was es im Verborgene­n ohnehin längst gibt. „Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass es solche Feiern eigentlich schon lange Zeit und im Grunde überall gibt“, sagt Thomas Pöschl, Vorstandsm­itglied der Ökumenisch­en Arbeitsgru­ppe Homosexuel­le und Kirche (HUK) in Nürnberg.

Auch Bilgri selbst sagt, er habe immer wieder schwule und lesbische Paare gesegnet. „Aber das musste natürlich immer im Geheimen stattfinde­n – bei denen zu Hause, im Standesamt oder in einer ganz kleinen Kapelle.“

Bilgris Entscheidu­ng verbreitet aus Pöschls Sicht Hoffnung und Resignatio­n gleicherma­ßen: „Das macht mir Hoffnung, dass Menschen fähig sind, ihre Verspreche­n der Kirche gegenüber dem unterzuord­nen, was wirklich mit dem Glauben verbunden ist“, sagt er. Aber: „Es ist natürlich traurig, dass es innerhalb der katholisch­en Kirche keinen Weg dafür gibt und dass man sie verlassen muss. Wenn jemand gehen muss, ist das im Prinzip eine Niederlage der römisch-katholisch­en Kirche.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany