Kompromiss bei der Stellplatzfrage
Die Forderung von zwei Stellplätzen hat in mindestens einem Fall ein Bauvorhaben vereitelt. Nun haben sich Stadt und Gemeinderat zu einem Kompromiss durchgerungen, um mehr Wohnraum in der Innenstadt zu ermöglichen.
Der Gemeinderat ist von seinem Grundsatz abgewichen, zwei Stellplätze bei Neubauten pro Wohneinheit einzufordern. Jetzt könnte das Vorhaben der Kreisbau im Amselweg doch noch realisiert werden.
Die fünf Mehrfamilienhäuser mit 43 Wohnungen, die die Kreisbau im Amselweg errichten möchte, könnten mittlerweile stehen. 2018 stellte das Unternehmen aus Giengen seine Pläne dem Herbrechtinger Gemeinderat vor. Das Bauvorhaben scheiterte jedoch an den Stellplätzen. Die Stadträte beharrten – wie seither – auf zwei Stellplätzen pro Wohneinheit, um das angebliche Parkproblem im öffentlichen Verkehrsraum nicht zu verschärfen. Diese Forderung ließ sich für die Kreisbau jedoch wirtschaftlich nicht umsetzen. Sie war allerdings bereit, mit 1,56 Stellplätzen entgegenzukommen, obwohl die Landesbauordnung nur einen Stellplatz pro Wohneinheit vorschreibt. Ohne Erfolg.
1,5 Stellplätze pro Wohneinheit
Nun gibt es ein Zugeständnis aufseiten des Gemeinderats, das Bewegung in die Sache und in den Geschosswohnungsbau in Herbrechtingen im Allgemeinen bringen soll. Dieser hat in seiner jüngsten Sitzung dem Vorschlag der Stadtverwaltung zugestimmt, einen Kompromiss zwischen dem gesetzlich festgelegten und dem bisher geforderten Stellplatzschlüssel einzugehen. Dieser sieht wie folgt aus: In Gebieten ohne Bebauungsplan (Innenbereich) müssen künftig beim Bau von Mehrfamilienhäusern, sprich bei Gebäuden ab drei Wohnungen, mindestens 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit realisiert werden. Die entsprechende Stellplatzverpflichtung wird in der Baugenehmigung als Auflage festgelegt. „Ziel ist, mehr Wohnraum zu schaffen, ohne dabei Fläche in den Außenbereichen zu verbrauchen“, so Dieter Frank, Fachbereichsleiter Bau bei der Stadtverwaltung. Innenverdichtung ist also das Zauberwort.
Das heißt jedoch nicht, dass ab sofort halbe Stellplätze gebaut werden. „Wenn bei einem Bauvorhaben ein Wert mit Komma fünf herauskommt, ist der Stellplatz als ganzer auszuführen“, erläutert Bürgermeister Daniel
Vogt. Um ein Beispiel zu nennen: 7,5 bedeuten letztendlich acht Stellplätze. In Neubaugebieten, wo ein Bebauungsplan aufzustellen ist, kann der Gemeinderat weiterhin zwei Stellplätze pro Wohneinheit verlangen.
Mobilitätswandel erkennbar
Dem Vorschlag der Stadtverwaltung lag die beim Ingenieurbüro Bernard in Auftrag gegebene Verkehrsuntersuchung im Gebiet Hohe Wart zugrunde. Das Gutachten
kam zum Ergebnis, dass auch bei einer neuen Bebauung im Bereich des Amselwegs genug Parkfläche vorhanden sein wird, um alle Pkw entsprechend der Straßenverkehrsordnung abstellen zu können. Unter Umständen müssten allerdings längere Laufwege in Kauf genommen werden.
Ebenfalls für die 1,5-StellplätzeRegelung spricht in den Augen der Stadtverwaltung die Pkwdichte in Herbrechtingen. Diese wurde aus den Strukturdaten des
Statistischen Landesamtes Badenwürttemberg errechnet und beträgt circa 1,44 Pkw je Haushalt. Diese Zahl könne mittelfristig durch verbesserte ÖPNV- und Carsharing-angebote sowie einem weiterentwickelten Mobilitätskonzept sinken.
„Längst überfällig“
Martin Müller, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, fand es sehr erfreulich, dass man den Bauträgern nun ein Stück weit entgegenkommt. Auch Hermann Mader (Freie Wähler) erhofft sich mit dieser „längst überfälligen“Entscheidung einen Schub im Geschosswohnungsbau. Hier habe Herbrechtingen seit Jahren einen Wettbewerbsnachteil, da andere Kommunen „günstigere Stellplatzquoten“bieten würden. Für den Stadtrat sei die 1,5-StellplätzeRegelung im Hinblick auf die Wohnungseigentümer gerechter: „Warum soll jemand, der in einer Wohnung alleine lebt, zwei Stellplätze zahlen?“
100 Wohnungen in der Pipeline
Die Mehrheit des Gremiums befürwortete die Erhöhung der Stellplatzverpflichtung im Vergleich zur Landesbauordnung. So kann die Stadt ein positives Signal an bauwillige Unternehmen senden. Insgesamt befinden sich derzeit Bauvorhaben mit über 100 Wohnungen in der Warteschlange. „Wir haben dies jedoch nicht für die Investoren entschieden, sondern für Menschen, die in Herbrechtingen wohnen möchten“, so Rathauschef Vogt.