Zerstritten über das Führungspersonal
Vor dem Parteitag herrscht Einigkeit beim Programm, bei der Spitzenkandidatur aber nicht. Selbst das Verfahren ist offen.
Dresden. Die AFD trifft sich am Wochenende in Dresden zu ihrem zwölften Bundesparteitag. Was das Wahlprogramm angeht, herrscht Einigkeit, doch eine entscheidende Frage ist überaus strittig.
Was will die AFD in Dresden beschließen?
Ein Wahlprogramm. Der sachpolitische Streit darüber dürfte sich aber in Grenzen halten, es herrscht große Einigkeit. Umso heftiger dürfte die Auseinandersetzung darüber werden, wer als Spitzenkandidaten-duo in den Wahlkampf zieht – und über das Verfahren, wie die Partei das entscheiden will.
Jörg Meuthen hat mit seiner knappen Mehrheit im Bundesvorstand eine Online-abstimmung durchgesetzt, die eine Urwahl der Spitzenkandidaten durch alle Parteimitglieder einer Aufstellung durch die Delegierten gegenüberstellte. Es nahmen zwar weniger als ein Viertel der Mitglieder an der Abstimmung teil, aber 87 Prozent von ihnen waren für die Urwahl. Sieben Landesverbände wollen trotzdem die Delegierten entscheiden lassen. Ihr Argument: Der Wahlkampf müsse auf Köpfe zugeschnitten werden, damit könne man nicht Monate warten. Das Meuthen-lager kontert: In den drei mitgliederstärksten Landesverbänden Bayern, Badenwürttemberg und Nordrhein-westfalen wurden noch keine Landeslisten erstellt, ein Spitzenkandidat aus einem dieser Länder wäre eine Vor-festlegung.
In Wahrheit geht es bei der Frage um die innerparteiliche Rivalität zwischen Meuthen und Fraktionschefin Alice Weidel, der man nachsagt, bei einem Bundesparteitag bessere Chancen zu haben, zur Spitzenkandidatin gewählt zu werden, als wenn das der Landesverband Baden-württemberg oder eine Urwahl entscheidet. Allerdings ist es nicht sicher, ob Weidel den Posten überhaupt noch will. Das schwache Ergebnis bei der Landtagswahl hat ihr geschadet – und sie frustriert.
Wie wird sich die AFD entscheiden?
Es wird mit einem knappen Ergebnis gerechnet, allerdings gilt es als wahrscheinlicher, dass die Urwahl letztlich kommt. Falls die
Delegierten doch schon in Dresden die Kandidaten bestimmen, gilt die Hessin Joana Cotar als Favoritin für einen der beiden Posten. Die Digitalpolitikerin, die sich klar gegen den rechtsextremen „Flügel“-frontmann Björn Höcke positioniert hat, gehört fest zum wirtschaftsliberalen Meuthen-lager – und in Hessen gibt es schon eine Landesliste.
Egal, wer am Ende über die Spitzenkandidaten bestimmt, Co-parteichef Tino Chrupalla gilt als gesetzt. Der Sachse repräsentiert Ostdeutschland und auch den wirtschaftlich-sozialen Parteiflügel. Da Sachsen eine Hochburg des rechtsextremen Flügels ist, wird Chrupalla häufig als Verbündeter betrachtet, er selbst achtet aber darauf, sich nicht festlegen zu lassen.
Warum gibt es so großen Streit um die Spitzenkandidatur?
Für die AFD ist der Personalstreit zugleich eine Grundsatzdebatte. Die Partei ist tief gespalten: zwischen Ost- und Westverbänden, aber auch weiterhin über die Ausrichtung
Niemand will eine komplette Eskalation riskieren.
in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen oder den Umgang mit Protestbewegungen wie den „Querdenkern“. Die beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl müssen in diesen Fragen die Flügel abdecken, idealerweise dazu noch beide Geschlechter.
Muss Meuthen seine Abwahl als Parteichef befürchten?
Es liegt zwar ein Abwahlantrag vor, aber den unterstützen nicht mal Meuthens schärfste Kritiker. Fünf Monate vor der Bundestagswahl und wichtigen Landtagswahlen im Osten will niemand ernsthaft die komplette Eskalation riskieren. Bei der regulären Vorstandswahl, die Ende des Jahres ansteht, dürfte es für Meuthen aber um alles gehen. Die AFD hat in ihrer kurzen Geschichte schon demonstriert, dass sie mit ihren Vorsitzenden nicht gerade zimperlich umgeht.