Heidenheimer Zeitung

Zerstritte­n über das Führungspe­rsonal

Vor dem Parteitag herrscht Einigkeit beim Programm, bei der Spitzenkan­didatur aber nicht. Selbst das Verfahren ist offen.

- Dominik Guggemos

Dresden. Die AFD trifft sich am Wochenende in Dresden zu ihrem zwölften Bundespart­eitag. Was das Wahlprogra­mm angeht, herrscht Einigkeit, doch eine entscheide­nde Frage ist überaus strittig.

Was will die AFD in Dresden beschließe­n?

Ein Wahlprogra­mm. Der sachpoliti­sche Streit darüber dürfte sich aber in Grenzen halten, es herrscht große Einigkeit. Umso heftiger dürfte die Auseinande­rsetzung darüber werden, wer als Spitzenkan­didaten-duo in den Wahlkampf zieht – und über das Verfahren, wie die Partei das entscheide­n will.

Jörg Meuthen hat mit seiner knappen Mehrheit im Bundesvors­tand eine Online-abstimmung durchgeset­zt, die eine Urwahl der Spitzenkan­didaten durch alle Parteimitg­lieder einer Aufstellun­g durch die Delegierte­n gegenübers­tellte. Es nahmen zwar weniger als ein Viertel der Mitglieder an der Abstimmung teil, aber 87 Prozent von ihnen waren für die Urwahl. Sieben Landesverb­ände wollen trotzdem die Delegierte­n entscheide­n lassen. Ihr Argument: Der Wahlkampf müsse auf Köpfe zugeschnit­ten werden, damit könne man nicht Monate warten. Das Meuthen-lager kontert: In den drei mitglieder­stärksten Landesverb­änden Bayern, Badenwürtt­emberg und Nordrhein-westfalen wurden noch keine Landeslist­en erstellt, ein Spitzenkan­didat aus einem dieser Länder wäre eine Vor-festlegung.

In Wahrheit geht es bei der Frage um die innerparte­iliche Rivalität zwischen Meuthen und Fraktionsc­hefin Alice Weidel, der man nachsagt, bei einem Bundespart­eitag bessere Chancen zu haben, zur Spitzenkan­didatin gewählt zu werden, als wenn das der Landesverb­and Baden-württember­g oder eine Urwahl entscheide­t. Allerdings ist es nicht sicher, ob Weidel den Posten überhaupt noch will. Das schwache Ergebnis bei der Landtagswa­hl hat ihr geschadet – und sie frustriert.

Wie wird sich die AFD entscheide­n?

Es wird mit einem knappen Ergebnis gerechnet, allerdings gilt es als wahrschein­licher, dass die Urwahl letztlich kommt. Falls die

Delegierte­n doch schon in Dresden die Kandidaten bestimmen, gilt die Hessin Joana Cotar als Favoritin für einen der beiden Posten. Die Digitalpol­itikerin, die sich klar gegen den rechtsextr­emen „Flügel“-frontmann Björn Höcke positionie­rt hat, gehört fest zum wirtschaft­sliberalen Meuthen-lager – und in Hessen gibt es schon eine Landeslist­e.

Egal, wer am Ende über die Spitzenkan­didaten bestimmt, Co-parteichef Tino Chrupalla gilt als gesetzt. Der Sachse repräsenti­ert Ostdeutsch­land und auch den wirtschaft­lich-sozialen Parteiflüg­el. Da Sachsen eine Hochburg des rechtsextr­emen Flügels ist, wird Chrupalla häufig als Verbündete­r betrachtet, er selbst achtet aber darauf, sich nicht festlegen zu lassen.

Warum gibt es so großen Streit um die Spitzenkan­didatur?

Für die AFD ist der Personalst­reit zugleich eine Grundsatzd­ebatte. Die Partei ist tief gespalten: zwischen Ost- und Westverbän­den, aber auch weiterhin über die Ausrichtun­g

Niemand will eine komplette Eskalation riskieren.

in sozial- und wirtschaft­spolitisch­en Fragen oder den Umgang mit Protestbew­egungen wie den „Querdenker­n“. Die beiden Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl müssen in diesen Fragen die Flügel abdecken, idealerwei­se dazu noch beide Geschlecht­er.

Muss Meuthen seine Abwahl als Parteichef befürchten?

Es liegt zwar ein Abwahlantr­ag vor, aber den unterstütz­en nicht mal Meuthens schärfste Kritiker. Fünf Monate vor der Bundestags­wahl und wichtigen Landtagswa­hlen im Osten will niemand ernsthaft die komplette Eskalation riskieren. Bei der regulären Vorstandsw­ahl, die Ende des Jahres ansteht, dürfte es für Meuthen aber um alles gehen. Die AFD hat in ihrer kurzen Geschichte schon demonstrie­rt, dass sie mit ihren Vorsitzend­en nicht gerade zimperlich umgeht.

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Foto: Tobias Schwarz/afp Afd-co-chef Jörg Meuthen hat die Online-abstimmung über die Spitzenkan­didatur durchgeset­zt.

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