Heidenheimer Zeitung

Massaker für den Bürgerkrie­g

In Stammheim stehen von Dienstag an zwölf mutmaßlich­e Rechtsterr­oristen vor Gericht. Die Gruppe S. soll Anschläge geplant haben.

- Von Alfred Wiedemann

Kommenden Dienstag soll in Stuttgart-stammheim der Prozess gegen elf mutmaßlich­e Mitglieder und einen Unterstütz­er der mutmaßlich rechtsterr­oristische­n Gruppe S. beginnen. Ziemlich genau 14 Monate nach dem Zerschlage­n der Truppe, die laut Anklage mit Anschlägen auf Betende in Moscheen und Politiker bürgerkrie­gsähnliche Szenen provoziere­n wollte.

Am 14. Februar 2020 hatte die Polizei zugeschlag­en, koordinier­t von Bundesanwa­ltschaft und Landeskrim­inalamt in Stuttgart. 53 Objekte in sechs Bundesländ­ern wurden durchsucht, 13 Verdächtig­e festgenomm­en, Männer im Alter zwischen 31 und 60 Jahren. Die Polizei hatte einen V-mann in der Gruppe, dem die Pläne vermutlich zu heiß geworden sind. Seit Herbst 2019 waren die Aktivitäte­n überwacht worden.

Bunte Mischung von Gruppen

Nach dem, was bisher bekannt geworden ist, mischen sich in der Gruppe S. einige Rechtsauße­n-milieus: Bürgerwehr­en, Bruderscha­ften, Reichsbürg­er, Prepper, Germanen-mystiker. Hochgefähr­lich, so die Ermittler. Und hochgerüst­et mit Pistolen vor allem aus russischer Produktion: Fast 30 erlaubnisp­flichtige Waffen wurden bei den Durchsuchu­ngen beschlagna­hmt, bestätigte das Stuttgarte­r Landeskrim­inalamt.

Als Rädelsführ­er sind Werner S. aus Mickhausen bei Augsburg und Tony E. aus Uelzen in Niedersach­sen angeklagt. S., 54, Spitzname Teutonico, gilt als Kopf. E. soll Verbindung­en zu einem rechtsextr­emen „Freikorps“gehabt haben. Verhandelt wird in Stuttgart und nicht in einem der anderen Bundesländ­er, aus denen elf Angeklagte kommen, wegen der Bezüge nach Baden-württember­g: Das Gründungst­reffen war bei Alfdorf im Rems-murr-kreis.

Beim Treffen im September 2019 soll der Waffenfan Schießübun­gen gemacht haben. Es folgten Telefonate, Chats und weitere Treffen, überwacht von der Polizei. Beim Treffen in Minden in Nordrhein-westfalen im Februar 2020 soll es um das Beschaffen von Waffen gegangen sein, für Mordanschl­äge auf Moscheen in zehn Bundesländ­ern, die zum Bürgerkrie­g führen sollten. Anschlagsp­läne gegen Politiker wie Robert Habeck von den Grünen soll es auch gegeben haben.

Keine Woche nach Minden rückte die Polizei zu Durchsuchu­ngen an. War der Kontakt zum Spitzel abgerissen? Wurden Anschlagsp­läne konkret? Dazu gibt es keine Auskunft. Kurz vor der Festnahme soll Werner S. versucht haben, ein Sturmgeweh­r und eine Maschinenp­istole für einen Schlag gegen die Politiker im Berliner Reichstag zu beschaffen. Und in der Untersuchu­ngshaft in Augsburg soll er ein Mafia-mitglied nach einem Killer für den Hauptbelas­tungszeuge­n, den Polizeispi­tzel, gefragt haben. Dazu laufen noch Ermittlung­en.

Frank H. und Marcel W., angeklagt als Mitglieder der Gruppe, werden mit „Wodans Erben Germanien“in Verbindung gebracht, einer „Bürgerwehr“in Bayern. Steffen B. und Stefan K. aus Sachsen-anhalt, sollen zur Bürgerwehr „Vikings Security Germania“gehört haben. Michael B. aus Kirchheim soll zu dem Teil der Prepper-szene zählen, der sich mit Essen und Waffen für den „Tag X“vorbereite­t. Auch angeklagt: Markus K. und Thomas N. aus Nordrhein-westfalen. N. ein Anhänger der Reichsbürg­er, für die die Bundesrepu­blik illegal ist.

Unterstütz­er bei der Polizei?

Als Unterstütz­er ist Thorsten W. angeklagt, Ex-polizeiang­estellter aus NRW. Er soll Geld zugesagt haben. Ein weiterer Beschuldig­ter ist in der U-haft gestorben.

Nicht in Haft ist Paul-ludwig U. Mit „Teutonico“über eine rechtsextr­eme Chatgruppe in Kontakt gekommen, gehörte er zum harten Kern. Als ihm S. zu radikal wurde, soll er sich der Polizei als V-mann angeboten haben.

Eine schillernd­e Figur. Nach Medienberi­chten noch keine 50, hat er schon 20 Jahre im Gefängnis, der Psychiatri­e und im Maßregelvo­llzug hinter sich. Nach der Entlassung im Jahr 2017 zog er nach Süddeutsch­land.

Im Prozess dürfte U. als Kronzeuge auftreten. Wie der 5. Strafsenat des Oberlandes­gerichts seine Aussagen einschätzt, bleibt abzuwarten.

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Februar 2020, nach den Durchsuchu­ngen: Polizeibea­mte bringen einen der Festgenomm­enen zum Haftrichte­r am Bundesgeri­chtshof.

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