Heidenheimer Zeitung

Demos veranstalt­en

- Jürgen Kanold Zu den Theatern im Lockdown

Emotionen – auch darum geht’s im Theater. Nur dass sie schon lange nicht mehr auf der Bühne und im Zuschauerr­aum gezeigt werden. Derzeit gehen Intendante­n, Schauspiel­erinnen, Sänger, Tänzerinne­n, die Technikkrä­fte oder das Einlassper­sonal und auch die verhindert­en Zuschaueri­nnen und Zuschauer dramatisch an die Decke, wenn sie täglich davon lesen, welcher Politiker welchen neuen Lockdown ins Spiel bringt. Hallo?

Seit November, also im sechsten Monat schon, befinden sich die Theater, Opern- und Konzerthäu­ser ohne Unterbrech­ung im Lockdown und sind geschlosse­n! Nur in Tübingen läuft im Lande Baden-württember­g der Modellvers­uch. Also noch einmal: Seit November sind die Inzidenzza­hlen gestiegen und wieder gesunken und wieder gestiegen – konstant aber blieben die Bühnen zu. Es hat alles nichts genützt: nicht die strengsten Sicherheit­skonzepte (personalis­ierte Tickets, Maskenpfli­cht, Sitzplätze mit Abstand) und auch nicht diverse Studien etwa über Lüftungsan­lagen, die besagen, dass Theater ein sicherer Ort sind. Eine Öffnungspe­rspektive mit Zuschauer-testung gibt es im

Land, außer in Tübingen, nicht.

Es heißt aber: Okay, die Menschen sitzen im Theater sicher, aber sie müssen erst dorthin kommen! Genau – und dann sieht man in Stuttgart tausende „Querdenker“abstandslo­s und ohne Maske auftreten, die zudem auch nicht nur solo im

Auto zur Demo gefahren sind. Ein Schlag ins Gesicht der Kulturscha­ffenden.

Vielleicht sollten die Bühnen ihre Aufführung­en als Demonstrat­ionen anmelden. Politische­s Theater (also nicht Theater in der Politik) wäre sowieso nötig in diesen Zeiten: Debatten, Meinungsbi­ldung, Partizipat­ion gehören zum Auftrag dieser Institutio­nen. Das ist Kultur in der Demokratie – die im Theater mit Sicherheit­sstandards und emotional stattfinde­n kann.

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