Wetten, dass es der Gärtner war?
In Ulm geht ein Kindsmörder um – und die Liebe. „Die Begine und der Siechenmeister“von Silvia Stolzenburg wankt zwischen Kitschroman und spannendem Thriller.
Gäbe es einen Preis für den miesesten Tag, den ein Mensch haben kann, Anna Ehinger würde ihn garantiert gewinnen. Innerhalb von 24 Stunden muss die 17-Jährige nicht nur mit ansehen, wie einem Mann die Beine amputiert werden, in ihren Armen stirbt auch noch ein kleiner Junge. Wenig später hilft sie, ein vermeintlich von Dämonen besessenes Baby auf die Welt zu bringen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, steht auf einmal auch noch Annas große Liebe, der Siechenmeister Lazarus, unerwartet vor ihr – nur um der jungen Frau die kalte Schulter zu zeigen.
Ganz schön viel Elend, das die Protagonistin von Silvia Stolzenburgs neuestem historischen Kriminalroman „Die Begine und der Siechenmeister“ertragen muss. Das Buch ist die Fortsetzung des Romans „Die Begine von Ulm“, der im vergangenen Jahr erschienen ist.
Begine? Als solche wurde im Mittelalter eine Angehörige von christlichen Gemeinschaften bezeichnet. Die Frauen lebten ehelos und unabhängig, legten jedoch kein Ordensgelübde ab. Sie führten ein religiöses Leben in sogenannten Beginenhöfen, von denen zwischen 1387 und 1812 einer in der Ulmer Frauenstraße angesiedelt war.
Tod, Teufel, Trost
Und genau dort beginnt die Geschichte der Begine Anna Ehinger. 1412, das Ulmer Münster befindet sich noch mitten im Bau, verrichtet die junge Frau ihren Dienst im Heilig-geist-spital. Sie pflegt die Kranken, spendet den Sterbenden Trost, gewährt den Reisenden Unterkunft – und muss sich mit ihren Gefühlen für Lazarus auseinandersetzen. Als Ordensbruder darf er ihre Zuneigung nicht erwidern, leicht fällt ihm das freilich nicht. Lazarus geht also auf Abstand, Anna versteht die Welt nicht mehr.
Doch ein grausames Verbrechen zwingt die beiden, sich zusammenzuraufen: Zwei verstümmelte Kinderleichen werden in der Nähe der Donau gefunden. Geht ein Serienmörder in Ulm um? Und was hat die Tat mit dem verschwundenen Leichnam einer Reisenden zu tun? Anna und Lazarus nehmen die Ermittlungen selbst in die Hand.
Nichts für Zartbesaitete
Mit „Die Begine und der Siechenmeister“ist Silvia Stolzenburg eine solide und gut recherchierte Kriminalgeschichte gelungen, die vor allem Leser mit einer gewissen Ortskenntnis und einem Faible für die Gräueltaten des Mittelalters anspricht. Für die extrem Zartbesaiteten ist der Roman daher eher weniger geeignet.
Denn Stolzenburg spart weder mit der Beschreibung von enthaupteten Kinderleichen noch mit den Taten eines Wundmeisters, dessen einzige medizinische Expertise darin zu bestehen scheint, jegliche Wunde auszubrennen – nur um seine Patienten trotzdem reihenweise sterben zu sehen.
Zwar steht die verbotene Liebe der titelgebenden Begine und des Siechenmeisters vordergründig im Mittelpunkt des Romans. Doch eigentlich hat Stolzenburgs 30. Werk das Liebesgeplänkel zwischen Anna und Lazarus gar nicht wirklich nötig. Denn die wahre Haupthandlung dreht sich um grausame Kindsmorde und das Geheimnis einer fremden Frau. Und die kann sich durchaus sehen lassen. Beziehungsweise lesen lassen.
„Die Begine und der Siechenmeister“ist der neueste historische Kriminalroman der Schriftstellerin Silvia Stolzenburg.
Geht ein Serienmörder in Ulm um?