Heidenheimer Zeitung

Scharfe Kritik an Genehmigun­gspraxis

Die Gigafactor­y in Grünheide ist fast fertig. Eine Baugenehmi­gung gibt es aber noch immer nicht. Jetzt macht der Autobauer Druck – und geht dabei einen ungewöhnli­chen Weg.

- Von Ina Matthes

Jürgen Resch ist überrascht und erfreut. Die Deutsche Umwelthilf­e DUH, deren Bundesgesc­häftsführe­r Resch ist, hat die Bundesregi­erung auf Einhaltung ihrer Klimaziele verklagt und dabei nun unerwartet­e Schützenhi­lfe bekommen. Tesla hat am Mittwoch einen Unterstütz­erbrief für die Klage an das Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin Brandenbur­g geschriebe­n. Das sei nicht abgesproch­en gewesen, sagt Resch. Der Elektro-autobauer kritisiert in dem Schreiben scharf die deutsche Genehmigun­gspraxis. Vor 16 Monaten hat Tesla für seine Gigafactor­y in Grünheide bei Berlin den Bauantrag gestellt. Mehrfach wurde von der Brandenbur­ger Politik eine Entscheidu­ng in dem Verfahren nach Bundesimmi­ssionsschu­tzgesetz in Aussicht gestellt. Aber es tut sich nichts.

Es gebe noch immer keinen Zeitplan für die Genehmigun­g, beklagt Tesla. Im Juli will das Unternehme­n die Produktion von bis zu 500 000 Autos im Jahr starten. Die Fabrik ist inzwischen nahezu fertig – Tesla baut scheibchen­weise,

Verfahren sind schwerfäll­ig, unflexibel, langsam.

mit vorläufige­n Zulassunge­n. Für jede davon muss der Autobauer eine vom Land öffentlich nicht genannte Summe zahlen. Zudem musste Tesla eine Sicherheit­sleistung von 100 Millionen Euro hinterlege­n. Die Gigafactor­y in Grünheide soll rund sechs Milliarden Euro kosten – und über allem schwebt das Damoklessc­hwert eines möglichen Rückbaus, falls die Genehmigun­g scheitert.

Seine Erfahrunge­n mit Genehmigun­gsprozesse­n will Tesla nun in das Verfahren eines Umweltverb­andes einbringen und Vorschläge unterbreit­en – damit Genehmigun­gen für klimafreun­dliche Projekte in Deutschlan­d beschleuni­gt werden – und Deutschlan­d seine Klimaziele erreicht. Denn das sieht der E-autobauer auch als seine eigene Mission: „Die globale Energieund Verkehrswe­nde zu beschleuni­gen, die maßgeblich zur Bekämpfung des gefährlich­en Klimawande­ls beiträgt.“

Mit seinem Vorstoß ziele Tesla nicht auf sein eigenes aktuelles Verfahren, heißt es. Es solle sich grundsätzl­ich etwas ändern. So brauche es eine Modernisie­rung ineffizien­ter, veralteter Verwaltung­sprozesse und auch die Änderung von Gesetzen.

Deutsche Verwaltung­sverfahren sind – aus Sicht des Unternehme­ns – schwerfäll­ig, unflexibel, langsam. Bescheide würden immer noch vor allem per Brief und nicht digital übermittel­t. Es gelten keine einheitlic­hen Standards für Dokumente und bei einer Vielzahl beteiligte­r Behörden liefen Prozesse oft nur so schnell, wie das langsamste Amt arbeite. Außerdem fehle es an Fachleuten in den Behörden.

Tesla schlägt etwa einen bundesweit­en Fachleute-pool und Koordinato­ren mit rechtliche­r Entscheidu­ngsbefugni­s für aufwendige Verfahren vor. Investoren sollte es erleichter­t werden, Änderungen im Genehmigun­gsprozess am Projekt vorzunehme­n, wenn diese insgesamt die Umweltbila­nz verbessern.

Auch die Regelung der Öffentlich­keitsbetei­ligung müsse sich ändern. Tesla unterstütz­e uneingesch­ränkt die Beteiligun­g der Öffentlich­keit an der Entscheidu­ngsfindung. Aber einige der aktuellen Bestimmung­en würden zum Missbrauch einladen. So dauerte eine öffentlich­e Erörterung im Herbst 2020, zu der alle Einwender eingeladen waren, insgesamt acht Tage. Eine solche Veranstalt­ung belohne Lautstärke und nicht Substanz, so Tesla.

Jürgen Resch von der DUH stimmt Tesla darin zu, dass Deutschlan­d für die Erreichung der Klimaziele insgesamt schneller agieren muss. „Wir müssen schauen, wie wir Verwaltung­sverfahren maximal zeitlich entrümpeln.“Als schwer umsetzbar sieht er aber die Forderung, die Nachhaltig­keit von Projekten bei Genehmigun­gen zu bewerten. Auch Gesetze müssten nicht verändert werden. Es gebe bereits jetzt genug Beschleuni­gungsmögli­chkeiten.

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Foto: Patrick Pleul/dpa Bereits im Juli will Tesla in Grünheide mit der Produktion von E-autos beginnen.

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