Eine Stimme für alle Zugewanderten
Künftig soll ein Gremium die Interessen der Migranten vertreten, die in den Kreis Heidenheim zugezogen sind. Der Kreistag steht fast geschlossen hinter dieser Neuerung.
Der Heidenheimer Kreistag hat mit großer Mehrheit beschlossen, einen Migrationsbeirat einzurichten.
Derzeit leben fast 133 000 Menschen im Landkreis. 16 Prozent von ihnen haben eine ausländische Staatsbürgerschaft. Laut Yasemin Yelen, der Integrationsbeauftragten des Landkreises, gehören die Gesichter in dieser heterogenen Gruppe zu einem großen Teil Arbeitsmigranten – vor allem Rumänen und Ungarn, aber auch Syrern, Kroaten und Bulgaren.
Ihre Interessen soll künftig ein jetzt vom Kreistag beschlossenes Gremium in der öffentlichen Diskussion vertreten: der Migrationsbeirat. Vorrangiges Ziel sei das gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen im Kreis, so Yelen.
Afd-kreisräte gegen Neuerung
Die bei Gegenstimmen der beiden Afd-kreisräte Jens Schneider und Jürgen Kieninger beschlossene Satzung folgt dem Grundsatz, der Landkreis Heidenheim sei bestrebt, „die Teilnahme aller Einwohnerinnen und Einwohner, die einen Migrationshintergrund haben, an der politischen Willensbildung des Landkreises zu fördern“.
Aufgabe des Beirats sind „die Förderung und Sicherung des gleichberechtigten Zusammenlebens der im Landkreis Heidenheim wohnenden Menschen verschiedener Nationalitäten, Kulturen und Religionen sowie die Weiterentwicklung des kommunalen Integrationsprozesses“. Außerdem hat er sich für die Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung einzusetzen.
Erst unlängst hatte Landrat Peter Polta den Wunsch bekundet, einen besseren Draht zu den zugewanderten Menschen zu bekommen, um Probleme rechtzeitig zu erkennen. Dieser Zielsetzung folgend, berät der Migrationsbeirat nun den Kreistag und seine Ausschüsse sowie die Verwaltung in Fragen der kommunalen Integrationspolitik.
Sachkunde von Migranten
Das Gremium setzt sich zusammen aus dem Landrat als Vorsitzendem, den Integrationsbeauftragten des Landkreises sowie der Großen Kreisstädte Heidenheim und Giengen, einem Vertreter der Kommunen im Kreis und bis zu zwölf sachkundigen Einwohnern mit Migrationshintergrund. Diese müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben, können eine ausländische oder die deutsche Staatsbürgerschaft haben und müssen über Migrationserfahrung verfügen.
Nicht berücksichtigt werden Personen, die einer verbotenen Organisation angehören, die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder zur Gewaltanwendung aufrufen.
Über die Besetzung bestimmt ein Auswahlgremium aus Landrat, Integrationsbeauftragten sowie Vertretern von Kreisgemeinden und Kreistagsfraktionen. Entscheidende Kriterien sind Ausbildung, Berufserfahrung, ehrenamtliches Engagement und interkulturelle Kompetenz. Der Beirat tagt öffentlich, in der Regel vier
Mal jährlich. Für lokale Vorhaben steht ihm ein Budget von 5000 Euro zur Verfügung.
Kreisrat Jens Schneider (AFD) leitete seine ausführliche Stellungnahme mit der Anmerkung ein, er lehne Rassismus in jeder Form ab. Am Satzungstext übte er in verschiedener Hinsicht Kritik. So ist seiner Ansicht zufolge dem Grundsatz des gleichzeitigen Forderns und Förderns nicht Genüge getan. Auch werde kein
Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefordert.
Eine geschlechterparitätische Besetzung, wie sie auch Margit Stumpp (Grüne und Unabhängige) ausdrücklich anmahnte, lehnte Schneider ab: „Das Geschlecht allein ist keine Qualifikation. Außerdem gibt es mehr als zwei Geschlechter.“
Den Beirat hält Schneider für entbehrlich, da er sich hauptsächlich aus Personen zusammensetzen werde, die bereits in anderen Gremien vertreten seien. Zudem sagte er voraus, durch einen „Pseudobedarf“werde eine Eigendynamik erweckt, die einen kosten- und zeitintensiven Aufwand mit sich bringe. Ohnehin sollten Exekutivorgane „Chancengleichheit als Selbstverständlichkeit ansehen“.
Domberg erwartet Impulse
Während daraufhin einige Kreisräte demonstrativ die Landkreishalle verließen, in der die Sitzung stattfand, verwies Rainer Domberg, Sprecher der Spd-fraktion, darauf, es sei unbedingt notwendig, einen Migrationsbeirat im Landkreis zu schaffen. Er sei „kein Feigenblatt, sondern kann wichtige politische Impulse liefern“, wie es einst der Ausländerbeirat in Heidenheim getan habe.
Matthias Kraut, Vorsitzender der Freie-wähler-fraktion, verspricht sich von der Neuerung eine Stärkung der Integrationskultur, die ein positives gesellschaftliches Signal darstelle und das Zusammenwachsen der Menschen im Landkreis fördern könne.