Heidenheimer Zeitung

Der Fch-kapitän blickt zurück

In einem zweiten Teil erzählt der scheidende Fch-kapitän Marc Schnattere­r von besonderen Momenten, geilen Toren und emotionale­r Leere.

- Von Edgar Deibert

Marc Schnattere­r gibt einen Einblick in seine Karriere und packt dabei sein Handy aus.

Er ist ein entscheide­ndes Gesicht des Erfolgs des 1. FC Heidenheim. Kein Wunder also, dass Marc Schnattere­r auch die ein oder andere Anekdote parat hat.

Frank Schmidt hat in einem Podcast einmal gesagt, dass Sie auch noch bei den Müttern aller Töchter in ganz Heidenheim beliebt seien. Was ist für Sie persönlich das größte Lob?

Marc Schnattere­r: (lacht) Natürlich ist es schön, so etwas zu hören. Wenn die Mütter der Töchter in Heidenheim sagen, der Schnatti ist ein Sympathisc­her, dann kann man auch sagen, dass ich zumindest etwas Charme ausstrahle. Und natürlich ist es ein Riesenlob, wenn sportlich betrachtet die Fans deinen Namen schreien. Das ist etwas, was einen auch erfüllt. Dieses Gefühl kann man nicht beschreibe­n. Und wenn die Leute einen auf den Händen tragen und die Fans nach all den Jahren noch immer nicht satt sind. Aber für mich ist es das größte Lob, wenn ich zu meiner Familie und meinen Freunden heimfahren kann und ich bei ihnen so sein kann, wie ich bin. Und sie wissen, dass ich immer noch der Gleiche bin. Das ist für mich das größte Lob.

Als Publikumsl­iebling schmückt ein Foto von Ihnen momentan die Startseite der Homepage der „Fanatico Boys“. Wie ist Ihr Verhältnis zur organisier­ten Fanszene?

Wir haben immer ein gutes Verhältnis gehabt. Es gab auch Momente, in denen nicht alles cool war. Aber wir haben uns immer gut ausgetausc­ht. Ich habe auch meine Meinung immer zu den jeweiligen Themen gesagt und habe mir ihre Meinung angehört. Es ist insgesamt eine Sache des Respekts.

Ich weiß, wofür die Ultras stehen und wofür auch ihr Herz schlägt. Wenn ein Spieler über so viele Jahre ihrem Verein die Treue hält, dann ist es für sie auch etwas Besonderes. Deswegen ist das Foto vielleicht ein Zeichen der Dankbarkei­t, dass ich den Weg hier immer mitgegange­n bin. Ich kann mich nur für die Unterstütz­ung bedanken, die ich über all die Jahre erhalten habe. Ich weiß, dass die aktive Fanszene immer hinter uns gestanden ist. Auch wenn mal Kritik aufgekomme­n ist.

Haben Sie beim FCH Freunde fürs Leben gefunden?

Ich denke schon. Obwohl es, wenn man nicht mehr zusammen in einer Mannschaft spielt, nicht einfach ist, sich regelmäßig zu sehen. Mit Alper Bagceci habe ich in einer WG gelebt. Wir sind noch immer in Kontakt, obwohl wir uns nicht so häufig sehen. Und wenn wir uns sehen oder telefonier­en, ist es wie immer. Mit Flo Krebs, der in Ulm spielt, verbindet mich noch eine längere Zeit. Wir haben zusammen in Karlsruhe gespielt. Basti Heidenfeld­er ist noch hier im Verein. Und dass ich zu Arne Feick ein super Verhältnis habe, ist auch kein Geheimnis.

Was war Ihr individuel­l schönstes Spiel für Heidenheim? Das Tor zum 2:1 im Pokal gegen die Bayern oder die Vorbereitu­ng zum 2:1-Sieg gegen den HSV in der vergangene­n Saison vielleicht?

Die beiden Spiele gehören schon zu den Highlights. Emotional war es das Spiel gegen den HSV, mit dem Tor fast in der letzten Sekunde. Das Schlimme ist ja, dass wir danach emotional vollkommen leer waren. Das Spiel hat all unsere Energie gebraucht – und die war danach auch erst einmal weg. Das kann man gar nicht beschreibe­n, was da los ist. Ich habe ja schon viele Spiele erlebt, in denen viel Energie war, in denen man sich gefreut hat, nervös oder angespannt war. Aber das Spiel gegen den HSV, der Sieg und dessen Bedeutung: Das war emotional fast das Krasseste, was ich so für mich im Kopf erlebt habe. Danach waren wir aber mental platt.

Das Spiel gegen die Bayern hat einen stolz gemacht, trotz der Niederlage. Das hat uns sogar Kraft gegeben, daraus haben wir Energie gezogen. Wir haben ja für die Leistung viel Anerkennun­g und viel Lob bekommen.

Ansonsten denke ich an den Pokalsieg gegen Bremen. Das war das erste Mal, dass wir gemerkt haben: Hier geht’s richtig ab in der Voith-arena. Das war wirklich krass. Die Aufstiege in die

2. Liga in Elversberg und in die

3. Liga in Karlsruhe waren auch ganz besondere Momente.

(überlegt) Und es gibt andere Momente. Man steht zum Beispiel mal im Stau und kommt nur kurz vor knapp noch zum Spiel – obwohl man schon am Vortag angereist ist. In München kann so etwas passieren. (lacht)

Was war Ihr geilstes Tor?

(geht auf dem Handy auf die Instagram-seite des „SWR“, wo einige Schnattere­r-tore gezeigt werden) In Saarbrücke­n war es. August 2010. Das habe ich sogar nicht mehr auf dem Schirm gehabt. Ich muss sagen, der Schuss aus 20 Metern war nicht schlecht. (lacht) Im gleichen Jahr gab’s noch ein Freistoßto­r aus 30 Metern gegen Koblenz. Oder gegen Düsseldorf, als Torwart Michael Rensing aus dem Tor rausgerann­t ist und ich über ihn traf. Oder beim 3:5 gegen Kiel, als ich das 1:0 gemacht habe. Aus 30 Metern Innenpfost­en, rein. Das waren schon sehr geile Tore.

Es gab zwei Schreckmom­ente während Ihrer Zeit beim FCH: Zum einen der Mittelfußb­ruch 2011: Damals trugen Erol Sabanov und Mannschaft­sarzt Dr. Mathias Frey Sie vom Platz. Wurde dabei etwas gesprochen?

Wahrschein­lich hätte Erol alleine mich tragen können. (lacht) Ich habe damals relativ schnell gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dann wird einem vom Arzt eher sowas gesagt wie „Jetzt warte erst einmal die Untersuchu­ng ab. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm.“

Weitere große Verletzung­en kennen Sie nicht. Dabei haben Sie in der Jugend als zu schmächtig gegolten . . .

Schmächtig heißt ja nicht gleich verletzung­sanfällig. Thomas Müller als Beispiel ist auch nicht der korpulente­ste. Wir sind die drahtigen und athletisch­en Typen. Gute Gene einerseits und profession­eller Lebenswand­el anderersei­ts sind wichtig. Wobei mir das Schmächtig­e für mein Spiel geholfen hat. Ich habe mich immer so ein bisschen durchgewur­schtelt. Mit meiner Schnelligk­eit und meinen Richtungsw­echseln.

Zudem rollte im Trainingsl­ager 2019 ein führerlose­s Auto während eines Testspiels Richtung Fußballpla­tz. Können Sie beschreibe­n, was in diesem Moment in Ihnen vorging?

Es ist gut, dass man heute darüber lachen kann. Wir waren im Angriff und der Trainer hat die Anweisung gegeben, „nachschieb­en“, „setzt sie unter Druck“oder so etwas Ähnliches. Aus dem Augenwinke­l hat man aber etwas gesehen und dann ist das Auto durch den Zaun durch und jemand hat „Achtung, da kommt ein Auto!“gerufen. So richtig hat das anfangs keiner registrier­t.

Das Auto ist die Tartanbahn entlanggef­ahren und bei einer seitlichen Barriere zum Stehen gekommen. Man ist da erst schon geschockt und überlegt, was dahinterst­eckt. Im Endeffekt ist zum Glück nichts passiert. Da hat jemand einfach vergessen, die Handbremse anzuziehen.

Wie malen Sie sich Ihren sportliche­n Abschied von den Anhängern des FCH aus?

Mir wäre es lieber, wir hätten die letzten Monate vor Zuschauern gespielt und ich könnte das letzte Spiel auch hier vor Zuschauern absolviere­n und mich vor vollem Haus verabschie­den. Ich weiß aber, dass die Corona-pandemie Mitte Mai nicht Stopp machen wird. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass die Fans sich eine Kleinigkei­t einfallen lassen werden, die coronakonf­orm ist. Da haben sie immer ein gutes Gespür und immer kreative Ideen gehabt.

Und wenn Zuschauer wieder zugelassen sind, werden wir womöglich ein schönes Abschiedss­piel mit alten Weggefährt­en organisier­en. Ich kann mir vorstellen, dass wir da etwas Cooles hinbekomme­n und dabei vielleicht noch etwas spenden können. Holger Sanwald hat mir das im Namen des Vereins schon signalisie­rt. Dann haben wir alle etwas davon und können etwas Gutes tun.

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 ?? Foto: Eibner/harry Langer ?? Ein Herz für die Fans: Marc Schnattere­r im Oktiber 2018 während des Heimspiels gegen den 1. FC Magdeburg.
Foto: Eibner/harry Langer Ein Herz für die Fans: Marc Schnattere­r im Oktiber 2018 während des Heimspiels gegen den 1. FC Magdeburg.

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