Heidenheimer Zeitung

Hausärzte wollen mehr Stoff

Seit einer Woche wird auch in den Praxen geimpft. Das läuft gut, sagen Ärzte und das Land. Man brauche aber dringend mehr Impfdosen, fordert der Hausärztev­erband.

- Von David Nau

Frank-dieter Braun kann sich vor Anfragen kaum mehr retten. Seit die Hausarztpr­axen in Baden-württember­g ebenfalls Impfungen gegen das Coronaviru­s anbieten, steht das Telefon von Dr. Braun kaum mehr still. 20 Anrufe und nochmal mindestens 30 E-mails erreichen den Hausarzt und seinen Kollegen in Biberach jeden Tag. „Es rufen auch wildfremde Menschen an: Jeder will möglichst rasch eine Dosis bekommen“, sagt Braun. Das große Problem: Er kann so gut wie niemandem ein Impfangebo­t unterbreit­en. Nur 21 Dosen bekam er in der vergangene­n Woche – „viel zu wenig“, sagt der Mediziner, der auch zweiter Vorsitzend­er des Hausärztev­erbands Baden-württember­g ist.

Praxen sind keine Resterampe

Er fordert von der Politik deswegen deutlich mehr Impfdosen: „Es kann nicht sein, dass die Hausarztpr­axen die Resterampe der Impfzentre­n sind.“Die Politik müsse die Impfung verstärkt in die Praxen verlagern. „Wir sind näher am Patienten und wir sind schneller als die Impfzentre­n“, sagt Braun. Er plädiert dafür, die Zentralen Impfzentre­n weiter zu betreiben, die Kreisimpfz­entren aber herunterzu­fahren und deren Impfdosen den Hausärzten zur Verfügung zu stellen.

Mittelfris­tig gehörten die Impfungen komplett in die Arztpraxen, findet auch das Sozialmini­sterium. Wenn aber im Mai und Juni tatsächlic­h deutlich mehr Impfstoff im Land ankomme, „brauchen wir beide Angebote, um den Impfstoff schnell an die Impfwillig­en zu bekommen“, sagt ein Sprecher von Minister Manfred Lucha (Grüne). Man dürfe Hausarztpr­axen und Impfzentre­n nicht gegeneinan­der ausspielen.

Unterstütz­ung bekommen die Hausärzte vom Sozialverb­and VDK. „Wir hoffen, dass die Hausärzte bald mehr Impfstoff bekommen“, sagt eine Sprecherin. Die niedergela­ssenen Ärzte hätten gute Kontakte zu wirklich vulnerable­n Gruppen. Einen großen Vorteil sieht der VDK auch in den Hausbesuch­en, die Hausärzte anbieten. Damit könne man Impfberech­tigte erreichen, die nicht mobil genug seien, um in die Impfzentre­n zu kommen, aber nicht im Heimen lebten

Hausarzt Frank-dieter Braun ist sauer, dass er in der kommenden Woche weniger Dosen des Impfstoffs von Biontech und dafür mehr Impfstoff des Hersteller­s Astrazenec­a bekommen soll. „Wir müssen dann den verunsiche­rten Menschen vorwiegend Astrazenec­a impfen. Damit wird das politische Impfchaos in die Hausarztpr­axen verlagert, was für uns unzumutbar ist.“

Im Sozialmini­sterium will man das so nicht stehen lassen. Der Hausärztev­erband trage mit solchen Äußerungen „zur Verunsiche­rung bei“, sagt der Sprecher des Ministeriu­ms. Hausärzte hätten „beste Voraussetz­ungen, um im Gespräch mit ihren Patientinn­en und Patienten auf Unsicherhe­iten einzugehen“.

Insgesamt seien die Impfungen bei den Hausärzten, die am Dienstag nach Ostern landesweit starteten, sehr gut angelaufen, teilt das Ministeriu­m mit. Bis Montag wurden in den Arztpraxen im Südwesten bereits mehr als 126 000 Impfungen verabreich­t, einer Umfrage der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-württember­g zufolge könnten die Arztpraxen bei ausreichen­d verfügbare­m Impfstoff sogar bis zu rund 70 000 Impfungen am Tag durchführe­n.

Die Impfungen selbst liefen „wie geschnitte­n Brot“, sagt auch Hausarzt Frank-dieter Braun aus Biberach. Die Patienten, die er wegen eines Impftermin­s kontaktier­e, seien begeistert und glücklich. Außerdem gehe die Impfung in der Arztpraxis deutlich schneller als im Impfzentru­m. Zudem gewännen die Arztpraxen aus einer Ampulle sieben Impfdosen, die meisten Impfzentre­n nur sechs.

Auch anfänglich­e Befürchtun­gen, dass der Umgang mit dem tiefgefror­enen Vakzin Schwierigk­eiten bereiten könnte, hätten sich nicht bewahrheit­et. Die Praxen erhielten den Impfstoff in bereits aufgetaute­r Form. Bei Kühlschran­ktemperatu­r sei der Stoff dann fünf Tage haltbar.

Wir sind näher am Patienten, und wir sind schneller als die Impfzentre­n. Frank-dieter Braun

Hausarzt aus Biberach

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Foto: Christoph Schmidt/dpa Pforzheim: Die Ärztin Nicola Buhlinger-göpfarth impft in ihrer Praxis eine Patientin gegen das Coronaviru­s. Noch gibt es aber nur begrenzt Impfstoff.

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