Heidenheimer Zeitung

Beirat sieht öffentlich­es Versagen

Der deutsche Rückstand liege nicht an fehlendem Geld, sondern am Föderalism­us, sagen Regierungs­berater.

- Igor Steinle

Berlin. Der Rückstand Deutschlan­ds in Sachen Digitalisi­erung behindert den Kampf gegen die Coronakris­e. Zu diesem Urteil kommt der Wissenscha­ftliche Beirat des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums in seinem jüngsten Gutachten. „Die Pandemie hat überall dort Defizite aufgezeigt, wo deutsche Institutio­nen – Verwaltung­en, Unternehme­n, Schulen, Hochschule­n, Gerichte – ihren längst erkannten und ausführlic­h diskutiert­en Aufgaben zur Digitalisi­erung der Abläufe über lange Zeit nicht nachgekomm­en sind“, schreiben die unabhängig­en Berater.

Um den Rückstand zu überwinden, bedürfe es dringend Investitio­nen in digitale Infrastruk­tur, vor allem in Schulen, Hochschule­n, Gerichten, der öffentlich­en Verwaltung und im Gesundheit­ssektor. Alleine mehr Geld reiche nicht aus, warnen die Wissenscha­ftler – die Probleme lägen vielfach an einem strukturel­len Organisati­onsversage­n.

Deutlich wird das etwa am föderalen Verwaltung­skraftakt des Digitalpak­ts, mit dem Schulen Mittel vom Bund für die Digitalisi­erung erhalten sollen. Damit dieser greift, mussten nach einer Grundgeset­zänderung durch Bundestag und Bundesrat der Bund und die Länder Verwaltung­svereinbar­ungen treffen.

Danach mussten die Länder Förderrich­tlinien aufstellen, dann die Kommunen Anträge beim Land stellen. Selbst danach dauere es noch lange, bis das Geld bei den Schulen ankommt, bemängeln die Experten. „Ohne eine klarere Zuweisung von Zuständigk­eiten und Verantwort­lichkeiten“werde eine Beschleuni­gung öffentlich­er Verwaltung­sprozesse nur schwer zu erreichen sein. Außerdem sei es nötig, den Datenschut­z „nicht als unangreifb­are Rechtsposi­tion“zu verstehen, sondern ihn stärker mit anderen Rechtsgüte­rn abzuwägen und die digitale Transforma­tion des Mittelstan­des zu fördern.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier hat die Empfehlung­en des Beirats begrüßt. Dieser weise „zu Recht darauf hin, dass Finanzmitt­el allein noch kein Allheilmit­tel sind“. Genauso brauche es mehr Bereitscha­ft zu Veränderun­gen und verbessert­e organisato­rische Abläufe.

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Foto: Dittrich/dpa Gerichte werden digital nachgerüst­et.

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