Heidenheimer Zeitung

Alles unter einer Nummer

Die Bundesregi­erung plant eine einheitlic­he Identifika­tion von Unternehme­n. Die Finanzämte­r sollen verbindlic­he Auskünfte geben.

- Von Dieter Keller

Jedes Unternehme­n soll eine Wirtschaft­snummer bekommen, um sich bei Behörden zu registrier­en. Unter ihr sollen in einem zentralen Register die wichtigste­n Daten gespeicher­t werden, damit etwa bei Änderungen nicht immer jedes Amt vom Handelsreg­ister über die Finanzbehö­rden bis zur gesetzlich­en Unfallvers­icherung und zur Bundesbank einzeln angeschrie­ben werden muss. Das könnte die Betriebe längerfris­tig um Bürokratie­kosten in Milliarden­höhe entlasten. Dies ist der wichtigste Punkt eines „Pakets für Bürokratie­erleichter­ungen“, das vom Bundeskabi­nett am Dienstag beschlosse­n wurde.

Damit reagiert die Regierung auf die anhaltende Kritik aus der Wirtschaft über zu viel Bürokratie, die trotz diverser Vereinfach­ungen in der laufenden Legislatur­periode nicht verstummen will. Bei den meisten der 22 Einzelpunk­te handelt es sich allerdings erst um eher vage Pläne, die in der nächsten Legislatur­periode umgesetzt werden sollen. Einige wichtigste Projekte:

Wirtschaft­snummer Das ist das konkretest­e Vorhaben. Damit die erste Ausbaustuf­e des Basisregis­ters 2024 starten kann, soll noch vor der Bundestags­wahl das nötige Gesetz zur Schaffung für ein Basisregis­ter für Unternehme­nsstammdat­en beschlosse­n werden.

In der Corona-pandemie wäre es ein Segen gewesen, wenn alle wichtigen Daten wie Unternehme­nsidentitä­t, Umsatz und Mitarbeite­rzahlen in einer zentralen Datenbank gespeicher­t wären. Dann wäre bei Anträgen auf Wirtschaft­shilfen der Plausibili­tätscheck viel einfacher gewesen.

„Missbrauch zulasten des Steuerzahl­ers hätte vermieden werden und trotzdem eine schnelle Antragsbea­rbeitung sichergest­ellt werden können“, schreibt der Nationale Normenkont­rollrat (NKR) in seiner Stellungna­hme zu den Plänen. Das sei für die weitere Digitalisi­erung von „außerorden­tlich großer Bedeutung“. Entscheide­nd sei es, weitere Ämter einzubinde­n. Der NKR hatte schon 2017 ein solches Zentralreg­ister vorgeschla­gen und geschätzt, dass es die Wirtschaft um bis zu 2,2 Milliarden Euro jährlich entlasten könnte.

Finanzämte­r Steuerpfli­chtige sollen innerhalb von drei Monaten eine verbindlic­he Auskunft zu steuerrech­tlichen Fragen bekommen. Zudem sollen Betriebspr­üfungen „zeitnah“, zügiger und mit möglichst wenig Aufwand für alle Beteiligte­n durchgefüh­rt werden. Beides fordert die Wirtschaft schon seit Jahren, denn das würde den Firmen mehr Planungssi­cherheit bringen. Der NKR fordert zudem, die Aufbewahru­ngsfrist für die steuerlich­en Unterlagen

von zehn auf acht Jahre zu verkürzen und längerfris­tig auf fünf Jahre. Denn für Aufbewahru­ng und Speicherun­g entstünden unnötig hohe Kosten.

Entlastung der Bürger Familienle­istungen wie Elterngeld sollen einfacher und digital beantragt werden können. Viele Papiernach­weise würden überflüssi­g, wenn die Antragstel­ler einwillige­n, dass die beteiligte­n Behörden die Nachweise elektronis­ch austausche­n. Dies soll „spätestens 2022“bundesweit möglich sein. Zudem soll für kleine Photovolta­ik-anlagen die Pflicht wegfallen, eine Gewerbeste­uererkläru­ng abgeben zu müssen.

Start-ups Junge Unternehme­n haben es häufig schwer, sich an Vergabever­fahren zu beteiligen, weil Behörden auf erfahrene Betriebe setzen, die Referenzpr­ojekte vorweisen können. Künftig soll „in der Praxis und im gesetzlich­en Rahmen darauf hingewirkt werden, dass öffentlich­e Auftraggeb­er keine Anforderun­gen stellen, die nicht durch den Auftragsge­genstand gerechtfer­tigt sind“.

Bürokratie Manche Punkte hören sich eher wie Realsatire an. Etwa wie die Finanzbehö­rden mit Einkünften umgehen, an denen mehrere Personen beteiligt sind: Bisher werden sie noch dem zuständige­n Finanzamt auf Papier mitgeteilt und dort neu erfasst – und das in jährlich mehr als 5 Millionen Fällen. Künftig soll der Austausch elektronis­ch erfolgen. Die Abgasmessg­eräte in 35 000 Kfz-werkstätte­n und bei technische­n Prüfstelle­n müssen zweimal geprüft werden. Das soll nur noch einmal geschehen. Um Innovation­en zu erleichter­n, soll es mehr Experiment­ierklausel­n in Gesetzen geben. Noch ist das allerdings nur ein Vorsatz.

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