Heidenheimer Zeitung

Gegen die Notbremse aus Berlin

Markus Söder pokert hoch. Doch auch im Fall einer Abfuhr stehen seine Chancen nicht schlecht, beim nächsten Anlauf ins Kanzleramt zu ziehen.

- Patrick Guyton

Etwa 350 Menschen haben vor dem Reichstag in Berlin gegen die geplanten bundesweit­en Schritte zum Schutz vor der Pandemie protestier­t, begleitet von rund 500 Polizisten. Das Bundeskabi­nett billigte parallel dazu einen Gesetzentw­urf, der bundesweit einheitlic­he Regeln zu Ausgangsbe­schränkung­en und Geschäftss­chließunge­n vorsieht.

München/berlin. Schon seit mehr als einem Jahr gibt Markus Söder den ebenso seriösen wie zupackende­n Staatsmann. Ernst in der Stimme und im Blick redet er in Talkshows, spricht bei Pressekonf­erenzen in München und Berlin. Aus dem einstigen Haudrauf ist ein Ausbund an politische­r Geradlinig­keit und Glaubwürdi­gkeit geworden, so die Wahrnehmun­g in der Bevölkerun­g, in seiner CSU und in Teilen der Cdu-schwesterp­artei. Sein wichtigste­s Thema: der Kampf gegen Corona.

Was ist da nun geschehen am Sonntag, als der CSU-CHEF erklärte, er sei bereit zur Unions-kanzlerkan­didatur, wenn die CDU dies „breit unterstütz­t“? Söder hat lange damit hinterm Berg gehalten.

Er hat mit der K-frage kokettiert, die hohen Zustimmung­swerte ebenso genossen wie die Hilferufe aus der Union. Doch er hat nicht auf normale Weise seine Bewerbung in den Ring geworfen – er hat sie an eine Bedingung an die CDU geknüpft: Ich würde es schon machen, aber ihr müsst voll hinter mir stehen.

Dass die CDU mit einem neuen Parteivors­itzenden da nicht ruckzuck mitgehen kann, war Söder offenbar nicht in den Sinn gekommen. Söder und seine Berater scheinen vom Mittelpunk­t München auf die Welt zu blicken.

Nur mit einer großen Hybris ist zu erklären, dass der bayerische Ministerpr­äsident sich wohl nicht ausmalen konnte, was folgen würde: Dass sich die wichtigste­n Cdu-parteigrem­ien hinter ihren Vorsitzend­en Armin Laschet stellen. Hätte Söder früher die Karten auf den Tisch gelegt, wäre nicht der Eindruck einer handstreic­hartigen Attacke entstanden.

Vor diesem Hintergrun­d übte auch Ex-unionsfrak­tionschef Friedrich Merz (CDU) am Dienstag scharfe Kritik an Söder. „Bei allem Verständni­s für die CSU und ihren Vorsitzend­en: Macht sich die CSU klar, was es bedeutet, innerhalb von wenigen Wochen den nächsten Parteivors­itzenden der CDU zu demontiere­n?“, schrieb Merz in einer Mail an seine Anhänger.

Viele in der CDU verweisen darauf, dass Laschet moderieren, integriere­n, den Laden zusammenha­lten könne. Das ist Söder fremd. Im bayerische­n Staatsappa­rat wie in der Partei hat er alles auf sich zugeschnit­ten. Beim Treffen der Unionsfrak­tion konnte Söder bei manchen Abgeordnet­en punkten, wenigstens etwas, aber genauso offenbarte­n sich auch die Laschet-anhänger.

Mittelfris­tig ist die Konstellat­ion für Söder nicht schlecht, auch wenn er in München bleiben sollte. Verfehlt Laschet das Kanzleramt oder vermurkst er eine Regierungs­koalition, stünde Söder zu Diensten. Bei der Wahl 2025 wäre er in Bayern schon ein erfahrener Regierungs­chef – und doch mit dann 58 Jahren noch jung genug, um das Kanzleramt anzupeilen.

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Foto: Paul Zinken/dpa
 ?? Foto: Michael Kappeler/dpa ?? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder auf dem Weg zur Sitzung der Cdu/csubundest­agsfraktio­n.
Foto: Michael Kappeler/dpa Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder auf dem Weg zur Sitzung der Cdu/csubundest­agsfraktio­n.

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