„Kampf der Welten“
Experten halten die S-klasse mit Stromantrieb für das wichtigste Konzernmodell der letzten zehn Jahre. Aber auch die Branche ist elektrisiert.
Alter, der Wendekreis, yo!“Influenzer sind vom neuen EQS, der Elektro-s-klasse, schon mal begeistert, wie auf der Internet-plattform Youtube zu sehen ist. Fragt sich nur, ob es auch die potenziellen Kunden sein werden: Das Flaggschiff des Konzerns ist nicht nur irgendein Auto, das die Stuttgarter am Donnerstagabend auf die Bühne der Autowelt schieben. Für den Experten Ferdinand Dudenhöffer ist es schlicht die „bedeutendste Mercedes-neuvorstellung der letzten zehn Jahre“. Auf ihr fußt mehr oder weniger die Elektro-offensive von Daimler, nach der bis 2030 die Hälfte des Absatzes aus Elektround Hybridautos bestehen soll. „Die S-klasse war und ist der erfolgreichste Pkw der Oberklasse und diente bei Mercedes immer als Vorreiter für neue Technologien, die dann im Laufe der Zeit in die unteren Fahrzeugklassen vererbt wurden“, sagt Mobilitätsforscherin Ellen Enkel von der Uni Duisburg. Kurz: Wenn das nicht funktioniert – was dann?
Gleichzeitig ist die S-klasse mit Stromantrieb aber noch viel mehr. Sie muss die weltweite technische Überlegenheit der deutschen Autobranche beweisen und sich gegen digitale Konkurrenten wie Google, Apple oder Alibaba durchsetzen. Die It-firmen bewegten sich immer stärker in das Feld der Automobilbauer hinein, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Instituts Center of Automotive Management. Es handle sich um „einen Kampf der Welten“zwischen etablierten Autobauern und modernen Technologiekonzernen. Bei E-autos sei die Bedeutung von Softwarekompetenz noch wichtiger als die reine Automotive-erfahrung.
Und dann ist da noch Tesla. Der E-autobauer aus den USA ist für den Auto-analysten Jürgen Pieper „immer noch der Taktgeber beim Thema E-mobilität“. Das Us-unternehmen habe sich von Anfang an zu 100 Prozent mit dem Thema identifiziert, und das zahle sich aus. „Tesla wird noch ein bis zwei Jahre vorneweg fahren“, sagt Pieper. Daimler-chef Ola Källenius will aber eine „führende Position“bei Elektroantrieben und Fahrzeug-software einnehmen, wie er im Herbst verkündet hatte. Deshalb ist es für die Stuttgarter wichtig, europäische und chinesische Unternehmen, vor allem aber Tesla zu schlagen. Wobei Pieper die Asiaten vor allem stark in den unteren Preisklassen sieht.
Technisch wirft Daimler alles in die Waagschale, was das Unternehmen aufzubieten hat. Besondere Elektromotoren sitzen an Vorder- und Hinterachse. Umschäumungen
sollen Geräusche im Inneren auf ein Minimum reduzieren. Die Hinterachslenkung hilft beim Einparken. Ein Riesenbildschirm reicht über das gesamte Armaturenbrett. Künstliche Intelligenz könnte dem Auto Vorlieben, Gewohnheiten und Routinen von Fahrern näherbringen. Eine zentrale Softwareplattform ermögliche nicht nur schnellere Updates, sondern biete auch mehr Variabilität und Funktionalität, sagt Enkel: „Ein Beispiel sind die Fahrerassistenzsysteme, die teilautonomes Fahren ermöglichen.“Was das alles kostet, ist noch nicht bekannt.
Das alles wäre aber nichts, wenn die Reichweite des EQS nur dürftig wäre. Doch das könnte die Stärke des wichtigsten Mercedes werden. Auch wegen seines extrem geringen Luftwiderstands sollen bis zu 770 Kilometer drin sein – die Piper allerdings für „eher Illusion“hält. Immerhin: Der Hauptkonkurrent Model S von Tesla wird mit 663 Kilometern angegeben.