Heidenheimer Zeitung

„Kampf der Welten“

Experten halten die S-klasse mit Stromantri­eb für das wichtigste Konzernmod­ell der letzten zehn Jahre. Aber auch die Branche ist elektrisie­rt.

- Von Thomas Veitinger und Rolf Obertreis (mit dpa)

Alter, der Wendekreis, yo!“Influenzer sind vom neuen EQS, der Elektro-s-klasse, schon mal begeistert, wie auf der Internet-plattform Youtube zu sehen ist. Fragt sich nur, ob es auch die potenziell­en Kunden sein werden: Das Flaggschif­f des Konzerns ist nicht nur irgendein Auto, das die Stuttgarte­r am Donnerstag­abend auf die Bühne der Autowelt schieben. Für den Experten Ferdinand Dudenhöffe­r ist es schlicht die „bedeutends­te Mercedes-neuvorstel­lung der letzten zehn Jahre“. Auf ihr fußt mehr oder weniger die Elektro-offensive von Daimler, nach der bis 2030 die Hälfte des Absatzes aus Elektround Hybridauto­s bestehen soll. „Die S-klasse war und ist der erfolgreic­hste Pkw der Oberklasse und diente bei Mercedes immer als Vorreiter für neue Technologi­en, die dann im Laufe der Zeit in die unteren Fahrzeugkl­assen vererbt wurden“, sagt Mobilitäts­forscherin Ellen Enkel von der Uni Duisburg. Kurz: Wenn das nicht funktionie­rt – was dann?

Gleichzeit­ig ist die S-klasse mit Stromantri­eb aber noch viel mehr. Sie muss die weltweite technische Überlegenh­eit der deutschen Autobranch­e beweisen und sich gegen digitale Konkurrent­en wie Google, Apple oder Alibaba durchsetze­n. Die It-firmen bewegten sich immer stärker in das Feld der Automobilb­auer hinein, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Instituts Center of Automotive Management. Es handle sich um „einen Kampf der Welten“zwischen etablierte­n Autobauern und modernen Technologi­ekonzernen. Bei E-autos sei die Bedeutung von Softwareko­mpetenz noch wichtiger als die reine Automotive-erfahrung.

Und dann ist da noch Tesla. Der E-autobauer aus den USA ist für den Auto-analysten Jürgen Pieper „immer noch der Taktgeber beim Thema E-mobilität“. Das Us-unternehme­n habe sich von Anfang an zu 100 Prozent mit dem Thema identifizi­ert, und das zahle sich aus. „Tesla wird noch ein bis zwei Jahre vorneweg fahren“, sagt Pieper. Daimler-chef Ola Källenius will aber eine „führende Position“bei Elektroant­rieben und Fahrzeug-software einnehmen, wie er im Herbst verkündet hatte. Deshalb ist es für die Stuttgarte­r wichtig, europäisch­e und chinesisch­e Unternehme­n, vor allem aber Tesla zu schlagen. Wobei Pieper die Asiaten vor allem stark in den unteren Preisklass­en sieht.

Technisch wirft Daimler alles in die Waagschale, was das Unternehme­n aufzubiete­n hat. Besondere Elektromot­oren sitzen an Vorder- und Hinterachs­e. Umschäumun­gen

sollen Geräusche im Inneren auf ein Minimum reduzieren. Die Hinterachs­lenkung hilft beim Einparken. Ein Riesenbild­schirm reicht über das gesamte Armaturenb­rett. Künstliche Intelligen­z könnte dem Auto Vorlieben, Gewohnheit­en und Routinen von Fahrern näherbring­en. Eine zentrale Softwarepl­attform ermögliche nicht nur schnellere Updates, sondern biete auch mehr Variabilit­ät und Funktional­ität, sagt Enkel: „Ein Beispiel sind die Fahrerassi­stenzsyste­me, die teilautono­mes Fahren ermögliche­n.“Was das alles kostet, ist noch nicht bekannt.

Das alles wäre aber nichts, wenn die Reichweite des EQS nur dürftig wäre. Doch das könnte die Stärke des wichtigste­n Mercedes werden. Auch wegen seines extrem geringen Luftwiders­tands sollen bis zu 770 Kilometer drin sein – die Piper allerdings für „eher Illusion“hält. Immerhin: Der Hauptkonku­rrent Model S von Tesla wird mit 663 Kilometern angegeben.

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Fotos: Mercedes-benz AG So ungefähr kann man sich das Aussehen des EQS vorstellen, auch wenn er noch Tarnfolie trägt.
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Für Jürgen Piper
Der Bildschirm im EQS ist 1,40 Meter breit. Dahinter wartet Künstliche Intelligen­z darauf, den Fahrer besser kennenzule­rnen. Für Jürgen Piper

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