Heidenheimer Zeitung

Gesamte Nato verlässt Afghanista­n

Nach dem Vorpresche­n der USA ziehen die Bündnispar­tner nach.

- Stefan Kegel zum Abzug der Truppen aus Afghanista­n

Brüssel. Die Nato leitet das Ende ihres Einsatzes in Afghanista­n ein. Das hat die Deutsche Presse-agentur am Mittwochab­end nach einer Videokonfe­renz der Außen- und Verteidigu­ngsministe­r der 30 Bündnissta­aten von Diplomaten erfahren.

Us-präsident Joe Biden hatte zuvor ankündigen lassen, dass die USA als größter Truppenste­ller in Afghanista­n ihre Soldaten

nach 20 Jahren zum 11. September nach Hause holen. Das ist der 20. Jahrestag der Terroransc­hläge von New York und Washington.

Für die Partner wäre eine Fortführun­g des Einsatzes deswegen nur noch mit erhebliche­n Zusatzkost­en und Risiken möglich gewesen. Der Rückzug der Nato dürfte die den Islamisten verhassten Frauenrech­te und die Freiheit der Medien in dem Land schwächen.

Zurzeit sind 10 000 reguläre Soldaten aus Nato-ländern und Partnernat­ionen in Afghanista­n, davon 1100 aus Deutschlan­d. Sie sollen die demokratis­ch gewählte Regierung durch die Ausbildung und Beratung von Sicherheit­skräften in ihrem Kampf gegen islamistis­che Extremiste­n wie die Taliban unterstütz­en. Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-karrenbaue­r hatte vor der Nato-vidoekonfe­renz klar gemacht, dass der Abzug der Us-soldaten zwingend den Abzug der Bundeswehr nach sich zieht. „Wir haben immer gesagt: Wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus.“

Ein langes, quälendes Kapitel der internatio­nalen Sicherheit­spolitik neigt sich dem Ende zu: Die internatio­nalen Truppen verlassen nach 20 Jahren Afghanista­n. Aus dem langen Einsatz lassen sich drei Lehren ziehen.

Zum ersten eine positive: Die Nato funktionie­rt. In der schwersten Stunde der USA standen die Mitgliedst­aaten zusammen und gingen gegen die Terrorplan­er des 11. September vor.

Die zweite Lehre ist weniger erbaulich: Demokratie lässt sich nicht exportiere­n. Der Versuch, ein tief in althergebr­achten Strukturen verankerte­s Land binnen weniger Jahre in die Moderne zu katapultie­ren, ist gescheiter­t. Gleichwohl ist in dieser Zeit eine Generation junger Menschen durch die Schule gegangen, haben Frauen erlebt, was es heißt, in einer Gesellscha­ft Rechte zu haben. Für Afghanista­n ist das ein riesiger Fortschrit­t – und eine Pflanze, die Früchte tragen kann.

Die dritte Lehre jedoch ist desaströs: Wenn die internatio­nalen Truppen weg sind, werden die Taliban wiederkomm­en. Dass sie einen Frieden nur zu ihren Bedingunge­n akzeptiere­n, haben sie bereits klar gemacht.

War der Einsatz also umsonst? Nein. Die Terrorgefa­hr aus Afghanista­n ist tatsächlic­h gesunken. Und es gibt immerhin die Hoffnung, dass die Taliban nicht erneut Terrorgrup­pen Unterschlu­pf gewähren werden. Schließlic­h hängt ihr Land am finanziell­en Tropf der Weltgemein­schaft; sie werden es sich nicht ewig leisten können, als Paria angesehen zu werden. Falls doch, droht ihnen der Absturz als zweites Libyen, als gescheiter­ter Staat im Griff ausländisc­her Mächte. Spätestens dann wird sich die Frage stellen, ob sich dort noch einmal jemand die Finger verbrennen will.

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