Meisterkonzert mit Star-cellistin
Kommenden Sonntag wird das Heidenheimer Meisterkonzert mit Star-cellistin Camille Thomas und der Cappella Aquileia als Livestream aus dem Konzerthaus übertragen. Auf dem Programm steht unter anderem Dvořáks grandioses Cellokonzert.
Kommenden Sonntag wird das Heidenheimer Meisterkonzert mit Star-cellistin Camille Thomas und der Cappella Aquileia als Livestream aus dem Konzerthaus übertragen.
Camille Thomas steht in den Startlöchern für eine ganz große Weltkarriere. Aber die ganze große Welt steht momentan bekanntlich irgendwie still. Auf alle Fälle hat sie derzeit kein Herz für Künstler. Höchstens Mitleid. Das wärmt zwar, aber es bringt einen nicht weiter. Corona mal wieder. Auch Camille Thomas kann selbstverständlich ein Lied davon singen.
Geboren ist die 32-jährige Cellistin in Paris. Sie lebt auch in Frankreich. Ihre Eltern sind Belgier. Und wenn man Camille Thomas fragt, ob sie nun eher eine belgische Französin sei oder doch eine französische Belgierin, dann lacht sie und sagt: „Ich fühle mich als Europäerin.“
Berlin und Weimar
Ihr Deutsch ist exzellent. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie einige Jahre in Deutschland verbracht hat. „Schöne Jahre. Und ganz wichtige.“Sie war gerade mal 18, als sie nach Berlin kam, um an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ihr Studium zu beginnen. „Zum ersten Mal allein weg von zu Hause, das war zuerst nicht so einfach und dann wunderschön. Ich habe Berlin geliebt, es war so viel los, ich war fast jeden Abend in der Philharmonie und habe tausend Konzerte gehört.“
Camille Thomas gerät ins Schwärmen. Auch wenn sie an Weimar denkt, ihre zweite Studienstation in Deutschland. „Selbstverständlich komplett anders als Berlin und sehr speziell, weil ich dort auf Schritt und Tritt die Schwingungen empfunden habe, die große Geister wie Goethe, Bach oder Schiller dort hinterlassen haben. Ich habe dort immer eine tiefe, ganz ruhige Inspiration verspürt.“
Das Stradivari-cello
In Weimar trägt die Musikhochschule den Namen von Franz Liszt. Von dem ist es wiederum nicht gar so weit bis Chopin. Und mit diesem zusammen hat der Cellist Auguste Franchomme einst das „Grand Duo concertant“komponiert. Franchomme wiederum hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Cello gespielt, das Camille Thomas heute spielt. Es handelt sich um eines der bekanntesten Celli weltweit, ein Instrument aus der Werkstatt von Antonio Stradivari, gebaut in Cremona im Jahr 1730.
Das Cello ist in den vergangenen bald 300 Jahren durch viele Hände gegangen, gehörte Sammlern ebenso wie große Cellisten. Seinen heutigen Namen erhielt es, weil es, von 1934 bis zu seinem frühen Tod im amerikanischen Exil 1942, der große österreichische Cellist Emanuel Feuermann gespielt hat. Seit 1996 ist das Instrument im Besitz der Nippon Music Foundation, die es 2019 leihweise Camille Thomas überlassen hat.
Instrument ohne Grenzen
Diese wiederum findet es immer noch fast eine wenig schwindelrregend, daran zu denken, wie viele berühmte Cellisten das „Feuermann-cello“gespielt haben. „Es hat tatsächlich eine lange Zeit gebraucht, um mich wirklich gut zu fühlen auf diesem Instrument. Ein Stradivari-cello gehört nicht zu der Sorte, die einfach zu spielen ist. Es hat keine Grenzen, man kann es jeden Tag immer noch besser verstehen. Nach sechs Monaten hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich jetzt soweit wäre. Nach einem Jahr dachte ich das aber wieder. Und jetzt, nach zwei Jahren, bin ich eigentlich immer noch auf dem Weg, es immer noch ein bisschen besser kennenzulernen. Wobei ich auf den Gedanken gekommen bin, dass es in dieser Beziehung auch so sein könnte, dass das Cello der Künstler ist – und ich sein Instrument bin.“
Noch näher als sonst sind sich Camille und „Feuermann“dieser Tage in Südkorea gekommen. Die Cellistin hat dort zwei Konzerte vor Publikum auf dem größten Musikfestival des Landes gegeben. Davor allerdings hatte sie zwei Wochen Quarantäne zu absolvieren. „Wie im Gefängnis.“Allein in einem Hotelzimmer und ohne Kontakt zur Außenwelt. Aber mit Cello. „Ich habe gespielt und gespielt.“
Orte ohne Menschen
Womit wir wieder bei Corona angelangt wären. „Ich hätte nie gedacht, dass es so lange dauern würde. Und im Moment sieht es ja leider so aus, als würde sich für uns Künstler auch noch lange nichts an der Situation ändern“, sagt Camille Thomas. „Als es begann, vor einem Jahr, im März, war ich total deprimiert. Es gehört auch nicht zu meiner Persönlichkeit, zu Hause zu bleiben. Ich muss meine Musik mit jemandem teilen.“
Also kam Camille Thomas auf die Idee, auf dem Dach ihrer Wohnung zu spielen. Von diesen Auftritten gab’s dann Videos. Und dann spielte die Cellistin zum Beispiel in Museen. „Auch so Orte“, wie sie feststellt, „die ohne Menschen, ohne Besucher keinen Sinn machen. Ich wollte zeigen, dass wir Künstler nicht gestorben sind. Und von da an habe ich mich besser gefühlt.“
Cello spielt Camille Thomas seit ihrem vierten Lebensjahr. Das Instrument hat sie sich selber erwählt. „Wir haben zu Hause oft Musik auf CD gehört, und der Klang des Cellos hat mich von jeher immer am meisten fasziniert.“Und inzwischen fasziniert Camille Thomas’ Cellospiel die Musikwelt. Nicht umsonst ist sie mittlerweile als Exklusiv-künstlerin bei keinem geringeren Label als „Deutsche Grammophon“unter Vertrag.
Zum zweiten Mal Heidenheim
Nach Heidenheim kommt Camille Thomas am kommenden Sonntag bereits zum zweiten Mal. Bei ihrem ersten Besuch hinterließ sie im Januar 2020 ein restlos begeistertes Publikum im Festspielhaus. Diesmal werden im Konzerthaus keine Besucher sitzen. Das Meisterkonzert mit der Cappella Aquileia unter der Leitung von Marcus Bosch und mit Kompositionen von Antonín Dvořák wird als Live-stream via Internet gereicht.
Camille Thomas wird Antonín Dvořáks Konzert in h spielen. „Das Konzert hat für mich persönlich einen sehr hohen Stellenwert. Und das nicht nur, weil es tatsächlich auch das erste Konzert war, das ich zusammen mit einem Orchester gespielt habe. Ich halte es vielmehr auch für das brillanteste Stück, das für Cello geschrieben worden ist. Es klingt wie eine Sinfonie. Ich freue mich sehr darauf.“