Heidenheimer Zeitung

Grün, grüner, Strobl?

- Leitartike­l Roland Muschel zum neuen Öko-kurs der Südwest-cdu leitartike­l@swp.de

In fast schon atemberaub­ender Geschwindi­gkeit hat die CDU Baden-württember­g nach der Wahlschlap­pe vor einem Monat alte Gewissheit­en über Bord geworfen. In den Sondierung­svereinbar­ungen mit den grünen Wahlgewinn­ern findet sich etwa die Ausdehnung der Fotovoltai­kpflicht auf neue Wohngebäud­e, die die CDU noch vergangene­s Jahr blockiert hat. Oder die Zielsetzun­g, bis 2026 im Staatswald und auf sonstigen Landesfläc­hen bis zu 1000 neue Windkrafta­nlagen entstehen zu lassen. Den Ausbau der Windkraft im Staatswald hat die Südwest-cdu bislang nach Kräften gebremst. Nun sagt Landeschef Thomas Strobl, dass die Grünen beim Klimaschut­z bei seiner Partei offene Türen eingerannt hätten. Für die Zielsetzun­g, Baden-württember­g zu dem Klimaschut­zland schlechthi­n zu formen, beanspruch­t er sogar das Copyright. Grün, grüner, Südwest-cdu?

Noch ist unklar, ob Strobl und sein Generalsek­retär Manuel Hagel mit ihrer Revolution von oben die bis unteren Ebenen der Partei und bis in letzten Reihen der Fraktion hinein erfolgreic­h sein werden. Es ist ja noch nicht so lange her, dass sich gerade in Baden-württember­g die Zukunftsho­ffnungen der christdemo­kratischen Basis wie auch zahlreiche­r Funktionär­e auf Friedrich Merz konzentrie­rt haben, der für vieles steht, aber sicher nicht für eine besonders ambitionie­rte Klimapolit­ik.

Doch nach der dritten Wahlschlap­pe in Folge scheint auch die Südwest-cdu, traditione­ll einer der konservati­vsten Cdu-landesverb­ände der Republik, zur Anerkennun­g gewandelte­r Realitäten bereit zu sein. Wenn selbst im früher pechschwar­zen Oberschwab­en inzwischen in vielen Kommunen die Grünen die größte Fraktion im Gemeindera­t stellen, dann springen Analysen zu kurz, die die Schuld für den Niedergang an einzelnen Ereignisse­n oder Personen festmachen. Die CDU hat in den letzten Jahren nicht nur Sitze und Prozentpun­kte verloren, sondern den Anschluss an das Lebensgefü­hl und die Lebenswirk­lichkeit vieler Menschen, die sie mal wie selbstvers­tändlich gewählt haben. Der Niedergang birgt für Parteien immer die Gefahr, sich in die eigenen Echokammer­n zurückzuzi­ehen, die Selbstbest­ätigung garantiere­n,

Noch ist unklar, ob die Revolution von oben bis in den unteren Ebenen der Partei Wirkung zeigen wird.

dabei aber Abschottun­gstendenze­n verstärken.

Die für das Selbstvers­tändnis der Christdemo­kraten verstörend­e Gefahr, auf die Opposition­sbänke verbannt zu werden, hat den Weg für die von Strobl verordnete und im Sondierung­spapier mit den Grünen auch in der gesellscha­ftspolitis­chen Fragen ausbuchsta­bierte Schockther­apie geebnet. Ob sie anschlägt, ob die Modernisie­rung der Partei nachhaltig sein wird, ist indes offen. Csu-regierungs­chef Markus Söder hat nach dem Erstarken der Grünen in Bayern 2018 bereits einen ähnlichen Kurswechse­l vollzogen, auf die Umfragewer­te und sein Image hat das positiv eingezahlt. Söder agiert aber aus einer Position der Stärke, Strobl als Juniorpart­ner der Grünen. Der Cdu-landeschef wird daher bis zum Abschluss eines Koalitions­vertrags auch noch ein paar genuin schwarze Vorhaben vorweisen müssen, um die eigene Basis nicht zu überforder­n.

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