Zweifel an Aussagen des Kronzeugen
Zwei Verteidiger verweisen auf Knast-vergangenheit des Hauptbelastungszeugen und kritisieren Medien.
Stuttgart. Massive Zweifel an den Angaben des Hauptbelastungszeugen und Mitangeklagten Paul U. haben am Mittwoch zwei Verteidiger im Prozess um die Gruppe S. geäußert. Wegen U.s „mindestens problematischer Persönlichkeit“seien seine Aussagen „mit Vorsicht“zu genießen, sagte Rechtsanwalt Günther Herzogenrath-amelung, der einen der anderen Angeklagten vertritt. U. sei mehr als 20 Jahre im Gefängnis und im Maßregelvollzug untergebracht gewesen.
Der 49-jährige U. hat als V-mann der Polizei die Behörden über die Gruppe S. informiert. Die Anklage der Bundesanwaltschaft wirft elf Angeklagten Mitgliedschaft und einem Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung vor. Ziel sei gewesen, mit Anschlägen „die Staats- und Gellschaftsordnung der Bundesrepublik zu erschüttern und letztlich zu überwinden“.
Anwalt Herzogenrath-amelung sagte, den Angeklagten hätten die „geistigen und materiellen Mittel“gefehlt für den gewaltsamen Umsturz, den sie laut Anklage geplant haben. Das auch von Medien verbreitete Bild, dass die Gruppe dabei gewesen sei, „die Macht zu übernehmen“, nannte er Unfug.
„Pure Angeberei?“
Auf die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen zielte auch Verteidiger Andre Picker. Nötig seien weitere Beweismittel. Zu klären sei auch, ob die in Chats und bei Treffen gemachten Aussagen „ernstgemeinte Willenserklärungen“waren, ob bedrohliche Äußerungen zum Beispiel zu Waffen nicht nur „pure Angeberei“gewesen sei. Natürlich, so der Verteidiger, gelte die Unschuldsvermutung auch für die Stammheimer Angeklagten und der Prozess diene dazu, Straftaten aufzuklären. Teile der Presse dagegen, so der Anwalt, würden den Prozess als „Kampf gegen Rechts“sehen.
Die Männer sollen laut Anklage Ende September 2019 bei Alfdorf im Rems-murr-kreis eine rechte Terrorzelle gegründet haben. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie Waffen besorgen wollten, um Muslime zu töten und einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Am Valentinstag 2020 waren insgesamt 13 Verdächtige festgenommen worden. Elf sind in Untersuchungshaft, einer starb in Haft, U. ist auf freiem Fuß. Das Staatsschutzverfahren ist ein Mammutprozess, bis Juli 2022 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart schon Verhandlungstermine eingeplant.
Am Dienstag soll der Prozess weitergehen. Zwei der Angeklagten haben Aussagen angekündigt. Die anderen zehn wollen dagegen von ihrem Recht gebraucht machen und schweigen – derzeit.