Heidenheimer Zeitung

Ermittleri­n: Kein Beweis für sexuell motivierte Tat

Warum musste Brigitta J. vor 25 Jahren sterben? Die Hauptsachb­earbeiteri­n hat kein Motiv gefunden.

- Dominique Leibbrand

Stuttgart. Hat der Ex-topmanager Hartmut M. die Stuttgarte­r Künstlerin Brigitta J. vor mehr als 25 Jahren aus sexuell-sadistisch­en Motiven getötet? Davon jedenfalls geht die Nebenklage in dem Mammutproz­ess aus. Die letzte Hauptsachb­earbeiteri­n in dem Sindelfing­er Cold Case, die am Dienstag am Stuttgarte­r Landgerich­t im Zeugenstan­d sitzt, will das jedoch nicht bestätigen. Bei dem Angeklagte­n wurden Pornobilde­r gefunden, auf denen Frauen erniedrigt und gequält werden. Fallanalyt­iker der Polizei hätten bei der Sichtung jedoch keine „großen Auffälligk­eiten“festgestel­lt, sagt die 51-Jährige.

Überhaupt war die Frage nach dem Motiv, so zentral sie auch sein mag, nicht Kern der Ermittlung­en der Kriminalbe­amtin. Sich zu überlegen, welchen Antrieb der Täter gehabt haben könnte, nennt die Ermittleri­n, die den Fall ab Herbst 2019 nochmal aufarbeite­te, „spekulativ“.

Auch der Tatsache, dass M. 2007 schon einmal wegen der Tötung einer Frau verurteilt worden war, spielte offenbar keine Rolle. Die Ermittler hätten damals einen sexuellen Hintergrun­d vermutet, was man wegen des Verwesungs­zustands des Leichnams aber nicht habe beweisen können.

Für sie sei es darum gegangen, einen Beschuldig­ten zu finden, betont die leitende Ermittleri­n. Das zumindest ist tatsächlic­h auch gelungen. Anfang 2020 war der 70-jährige Hartmut M. mittels auftypisie­rter DNA, die unter den Fingernäge­ln des Opfers gefunden worden war, überführt und verhaftet worden. Am Abend des 14. Juli 1995 soll er Brigitta J. gegen 23.40 Uhr in einem Sindelfing­er Gewerbegeb­iet auf dem Weg von der Arbeit nach Hause attackiert und erstochen haben.

Ein Zufallsopf­er – so die These der Kriminalha­uptkommiss­arin. Aber warum trieb sich M. an jenem Abend in der verlassene­n Gegend herum? War der Umstand, dass der Trauzeuge des Angeklagte­n seinerzeit Herbalife-körperpfle­geprodukte vertrieb und just am selben Wochenende in der Nähe des Tatorts eine Vertreterv­ersammlung der Firma stattfand, ebenfalls ein Zufall?

Sie habe den Fall akribisch aufgearbei­tet, versichert die 51-Jährige vor Gericht. Vieles konnte sie nach mehr als 25 Jahren, etlichen Sachbearbe­itern und einer Polizeiref­orm jedoch nicht mehr klären. Als sie den Fall übernommen habe, habe sie „ein großes Durcheinan­der“

vorgefunde­n. 20 Umzugskart­ons mit 150 Aktenordne­rn schaute sie durch. Akten waren unvollstän­dig, Aservate verschwund­en. So ist zum Beispiel unbekannt, wo der Angeklagte zum Tatzeitpun­kt genau wohnte. Makaber: Brustbein und Rippe des Opfers fehlen bis heute.

Nach wie vor ein Rätsel ist zudem, mit welchem Fahrzeug der Täter an jenem Abend davonfuhr. Insassen eines roten BMW hatten einen schwarzen Honda CRX gesehen, wie ihn der Angeklagte damals fuhr. Ein Us-navy-pilot, der die Tat quasi direkt beobachtet hatte, sprach indes von einem hellen Handwerker­auto. Möglicherw­eise „eine Wahrnehmun­gsstörung“, mutmaßt die Ermittleri­n. Schließlic­h habe der amerikanis­che Zeuge unter Schock gestanden.

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Brigitta J. wurde im Juli 1995 ermordet. Zentrale Frage: Warum?

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