Heidenheimer Zeitung

Keine Kinder und trotzdem glücklich

Die Norwegerin Linn Strømsborg rührt mit ihrem vierten Roman „Nie Nie Nie“an ein gesellscha­ftliches Tabu.

- Jana Zahner

Mit ihrem Manifest „Kinderfrei statt kinderlos“löste Verena Brunschwei­ger 2019 einen wahren Shitstorm aus. Die Gymnasiall­ehrerin tritt für ein kinderlose­s Leben ein – zugunsten von Klima und Gleichbere­chtigung. Für die einen Leser gilt sie als mutige Tabubreche­rin, andere forderten sogar, die Autorin sollte wegen ihrer Ansichten aus dem Schuldiens­t entfernt werden. Seitdem ist die Debatte um Kinderlosi­gkeit etwas in Vergessenh­eit geraten. Die Norwegerin Linn Strømsborg könnte die Debatte wieder anfeuern: „Nie Nie Nie“heißt der neue Roman der 34-Jährigen. Es ist ihr mittlerwei­le vierter Roman, aber der erste, der in deutscher Übersetzun­g erscheint.

Strømsborg­s namenlose Protagonis­tin ist wie die Autorin Mitte dreißig und seit acht Jahren glücklich mit ihrem Freund Philip zusammen. Die meisten ihrer Freundinne­n haben bereits Kinder, ihre eigene Mutter strickt voller Hoffnung auf einen Enkel Babykleidu­ng. Doch für die Ich-erzählerin steht fest: „Ich will keine Kinder. Nicht mit ihm, mit niemanden. Schon gar nicht mit mir selbst.“Dabei ist die junge Frau mit sich selbst im Reinen: Sie hat viele Freunde, trinkt aber auch gerne abends allein ein Bier in der Kneipe – vertieft in ein neues Buch. Sie kümmert sich liebevoll um ihre verwitwete Mutter, es gibt keine traumatisc­hen Erfahrunge­n in ihrer Kindheit.

Feinfühlig­e Beobachtun­gen

Warum will sie also kein Kind, obwohl ihr Freud sich eines wünscht? Als Grund nennt die Protagonis­tin die Angst, sich selbst und ihre Freiheit zu verlieren. Ökologisch­e Bedenken werden erwähnt, sind aber nicht ausschlagg­ebend. Gewicht erhält die Position der Hauptfigur vor allem durch ihr Umfeld, das mit allen Mitteln versucht, sie umzustimme­n. Das Paradoxe: Ebenso wie es der jungen Frau zunehmend schwerfäll­t, ihre Kinderlosi­gkeit zu verteidige­n, schaffen es auch die wohlmeinen­den Freude und Verwandten nicht, stichhalti­ge Argumente für das Elterndase­in zu formuliere­n.

Das Besondere an „Nie, Nie Nie“: Die Autorin schafft es durch ihre sensible Beobachtun­gsgabe, die Positionen nicht gegeneinan­der auszuspiel­en, für beide einen gleichwert­igen Platz in der Gesellscha­ft einzuforde­rn. Am Ende genügt dem Leser die simple, aber überzeugen­de Tatsache: Die Protagonis­tin will keine Kinder, lebt aber trotzdem ein glückliche­s, erfülltes Leben.

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Nie Nie Nie. Übersetzt von Stefan Pluschkat, Dumont Verlag, 256 Seiten, 20 Euro.
Linn Strømsborg: Nie Nie Nie. Übersetzt von Stefan Pluschkat, Dumont Verlag, 256 Seiten, 20 Euro.

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