Das neue Schreckgespenst
Das Coronavirus verändert sich, laufend gibt es neue Varianten. Was passiert, wenn eine auftaucht, gegen die die Impfung nicht wirkt?
Während das Impfen langsam vorankommt, mischt sich eine Befürchtung in die aufkeimende vorsichtige Hoffnung: Das Coronavirus könnte derart mutieren, dass weder die Impfstoffe noch eine überstandene Infektion vor Ansteckung und Erkrankung schützen. Kanzleramtschef Helge Braun hatte neulich der „Bild am Sonntag“gesagt, wenn parallel zum Impfen die Infektionszahlen stiegen, wachse die Gefahr, dass die nächste Virus-mutation den Impfstoff unwirksam werden lasse.
Der Cdu-politiker und Mediziner ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Dass sich Sars-cov-2 grundsätzlich gut anpassen kann, leiten Experten des Robert Koch-instituts (RKI) vom Auftreten von Virusvarianten ab, die teilweise oder komplett resistent beispielsweise gegen Antikörper sind. Der in Südafrika zuerst nachgewiesene Typ B.1.351 könnte nach ihrer Einschätzung „eine Grundlage für die Entstehung sogenannter Immune-escape-varianten darstellen“.
Solche Escape-varianten, auf Deutsch: Flucht-varianten, haben sich genetisch so verändert, dass sie von Antikörpern nicht mehr erkannt werden, die gegen das ursprüngliche Coronavirus gebildet wurden. „Tarnung“nennt Luka Cicin-sain vom Helmholtz-zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig das.
„Viren werden aber nicht vollständig unsichtbar“, sagt Cicin-sain. Wenn der Selektionsdruck steige – etwa durch einen wachsenden Anteil an Geimpften in der Bevölkerung – hätten es die Viren zunehmend schwerer. Nur die Stärksten können sich dann noch durchsetzen.
Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mutanten ausbreiten, die vom Immunsystem nicht oder nicht gut erkannt werden. Die zweifache Impfdosis biete aber einen guten Schutz auch gegen bisher bekannte Coronamutanten. Zumal der Anteil an Antikörpern im Blut nach einer Impfung in der Regel deutlich höher sei als nach einer Coronainfektion.
Virustypen im Blick behalten
Gesundheitsbehörden wie das RKI oder die Weltgesundheitsorganisation analysieren schon seit geraumer Zeit die Virustypen, um „besorgniserregende Varianten“gut im Blick zu behalten. Als solche gelten derzeit B.1.351 (Südafrika), P.1 (Brasilien) und die aus Großbritannien bekannte Mutante B.1.1.7.
Was, wenn sich eine Flucht-variante durchsetzt? Eine Gruppe von Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam veröffentlichte jüngst eine Umfrage unter Epidemiologen und Virologen aus 28 Ländern, deren Einschätzung zufolge Mutationen die aktuellen Impfstoffe gegen Covid-19 in einem Jahr oder weniger unwirksam machen könnten.
Forscher des Leibniz-instituts für Primatenforschung in Göttingen und des Universitätsklinikums Ulm haben herausgefunden, dass ein Antikörper, der für die Covid-19-therapie eingesetzt wird, bei den Varianten B.1.351 und P.1 komplett wirkungslos gewesen sei. Stefan Pöhlmann und Markus Hoffmann vom Deutschen Primatenzentrum stufen die beiden daher als Escape-varianten ein.
Es sei aber davon auszugehen, dass B.1.351 und P.1 immer noch von den verfügbaren Impfstoffen gehemmt würden. „Allerdings ist der Impfschutz möglicherweise reduziert und von kürzerer Dauer.“Dass Varianten entstehen, die nicht mehr von jetzt verfügbaren Impfstoffen gehemmt werden, sei „ein extremes Szenario, aber nicht auszuschließen“.