Drehkreuz für Europas Toptalente
Der Bundesligist angelt sich mit dem Türken Ömer Faruk Beyaz einen heiß begehrten Teenager für die Spielmacher-position. Für Kapitän Gonzalo Castro gibt es derweil keinen neuen Vertrag.
Beim VFB geht der Kapitän von Bord. Gonzalo Castro, ein mit der Erfahrung von 564 Pflichtspielen auf nationaler und internationaler Ebene (davon 405 Bundesligapartien) ausgestatteter, alter Fahrensmann des Profifußballs, erhält bei den Stuttgartern keinen neuen Anschlussvertrag. Nach drei Jahren ist für ihn nach Saisonende also Schluss beim VFB. „Es war eine intensive Zeit mit Höhen und Tiefen“, umschreibt Gonzalo Castro selbst seine Achterbahnfahrt mit dem Abstieg 2019, dem direkten Wiederaufstieg – und seiner anschließenden Ernennung zum Spielführer.
Schließlich verfügt Castro über einen üppig dotierten Vertrag mit einem Jahresgehalt von rund drei Millionen Euro. Den hatte sein Berater Volker Struth einst mit Ex-manager Michael Reschke ausgehandelt. Unter eine bestimmte Summe x wollte das Castro-lager auch diesmal nicht gehen. Schließlich soll es für den Spieler gute Alternativen geben.
Doch auch für den VFB gibt es neue Grenzen. Die sind coronabedingt zunächst finanzieller Natur – weshalb der Sportdirektor Sven Mislintat sagt: „In wirtschaftlich schwierigen Bedingungen haben wir uns entschieden, Gonzo kein Angebot zu unterbreiten.“Allerdings hat das Aus für Castro auch sportliche Aspekte. So war der Mittelfeldspieler nach Vfb-geschmack gerade in den Spielen gegen Spitzenteams nicht immer der gewünschte Leader. Doch der Abschied erfolgt auch aus strategischen Gründen. Mislintat ergänzt: „Stattdessen vertrauen wir auf die Entwicklungspotenziale unserer Toptalente.“
Es darf also durchaus als Fingerzeig in die sportliche Zukunft des Aufsteigers mit dem tollen ersten Erstligajahr gewertet werden, dass die Causa Gonzalo Castro nicht die einzige Meldung des
Tages beim Verein für Bewegungsspiele war. „Der VFB verpflichtet Ömer Faruk Beyaz“, hieß es obendrein.
Zwar stehen diese beiden Personalien nicht in direktem Zusammenhang – auch wenn es sich bei dem erst 17-jährigen Ausnahmetalent Beyaz von Fenerbahce Istanbul, den sie am Bosporus bereits als „türkischen Messi“huldigen, ebenfalls um einen Mittelfeldspieler handelt. Vielmehr verdeutlicht aber die bisherige Kaderplanung beim VFB, wohin die Reise weitergehen soll: „Hole junge Toptalente aus aller Welt, führe einige von ihnen in Ruhe an die internationale Spitze, und verkaufe die Besten mit sattem Gewinn“– so lautet das Modell, mit dem Mislintat und der Vereinsboss Thomas Hitzlsperger im Frühjahr 2019 angetreten sind.
Dabei hat sich die Entwicklung von Spielern wie Silas Wamangituka,
Tanguy Coulibaly, Borna Sosa oder Sasa Kalajdzic bereits herumgesprochen. „Ich habe mich für den VFB entschieden, weil hier auf junge Spieler gesetzt wird“, sagt der Neuzugang Beyaz, der als Linksfuß auf der Zehn und als Rechtsaußen spielen kann und der vom Spielstil Mesut Özil ähnelt. Mislintat erklärt daher nicht ohne Stolz: „Ömer ist ein außergewöhnliches Talent und zählt in seinem Jahrgang zu den begehrtesten Spielern in Europa. Dass er mit 17 Jahren bereits für die Profis von Fenerbahçe und das türkische U-21-nationalteam gespielt hat, unterstreicht zusätzlich sein großes Potenzial.“
Zumal das türkische Toptalent, das ablösefrei kommt und bis 2025 unterschrieben hat, nicht der einzige Youngster ist, der beim VFB zur neuen Runde anheuert. So ist die Verpflichtung von Alou Kuol, 19, Stürmer vom australischen A-league-teams Central Coast Mariners, nur noch eine Detailfrage.
Didavi macht Abstriche
Das Stuttgarter Modell nimmt also weiter Formen an. Weil es aber nicht ausschließlich mit jungen, ausländischen Himmelsstürmern geht, weil es auch Erfahrung im Kader braucht und Spieler mit VFB-DNA, sind die Karten von Daniel Didavi auf eine Verlängerung seines auslaufenden Vertrages deutlich gestiegen. Anders als Gonzalo Castro ist der Regisseur mit dem starken linken Fuß zu deutlichen finanziellen Abstrichen bereit. Didavi würde auch die Rolle des Ergänzungsspielers annehmen – und er bringt noch immer eine Torgefahr ein, die anderen Kollegen aus dem Mittelfeld bisher abgeht.