Heidenheimer Zeitung

Das Virus kommt per SMS

Unmengen manipulier­ter SMS über Paketsendu­ngen landen bei Handynutze­rn. Für die Opposition ein Beispiel mangelhaft­er It-sicherheit.

- Von Igor Steinle

Seit Wochen erhalten Handynutze­r Sms-nachrichte­n, in denen sie zum Öffnen eines Links aufgeforde­rt werden. Getarnt sind die Mitteilung­en als Versandben­achrichtig­ungen von Paketen, Rücksendei­nfos oder Terminbest­ätigungen. Gemeinsam haben die Kurzmittei­lungen eines: Die Pakete gibt es nicht, hinter den Links stecken Betrüger.

Bei den Nachrichte­n handelt es sich um sogenannte­s „Smishing“, warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI), eine Wortschöpf­ung aus SMS und Phishing, was so viel wie den Diebstahl von Zugangsdat­en über gefälschte Nachrichte­n oder E-mails bedeutet. Klickt man auf die Links, passiert je nach Betriebssy­stem Unterschie­dliches. iphone-nutzer landen auf Fake-webseiten, die auffordern, die eigenen Daten einzugeben, etwa um an einem Gewinnspie­l teilzunehm­en oder eine Sendung nachzuverf­olgen. Android-nutzer hingegen werden aufgeforde­rt, eine App herunterzu­laden, hinter der sich Schadsoftw­are verbirgt.

Die Betrugsmas­che hat momentan Hochkonjun­ktur, beobachten deutsche Sicherheit­sbehörden. Seit Anfang April warnen deutschlan­dweit Polizeibeh­örden vor den SMS, die Zentral- und Ansprechst­elle Cybercrime in Köln spricht von einer „Welle“: Man beobachte „eine außergewöh­nlich große Häufung von Vorfällen“, sagt der zuständige Staatsanwa­lt Christoph Hebbecker.

Zuletzt wurde gemutmaßt, dass die Häufung mit einem jüngst bekannt gewordenen Datenleck bei Facebook zu tun hat, durch das Informatio­nen wie Handynumme­rn, Namen, Geburtsort, etc. entwendet wurden. Das lässt sich zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bestätigen. So sind Fälle mit dem Vornamen des Empfängers personalis­ierter Nachrichte­n bekannt, ohne dass die betroffene Person über einen Facebook- oder Whatsapp-account verfügt. Möglicherw­eise kommen Nummer und Name aus dem Telefonbuc­h anderer Nutzer. Dafür spricht, dass die Schadsoftw­are für Android-nutzer massenweis­e SMS an die Nummern der jeweiligen Telefonbüc­her schickt.

Dass solche persönlich­en Nutzerdate­n im Netz landen, ist seit Jahren leider trauriger Alltag. Fast zeitgleich mit dem Facebook-leck wurde auch eine Datenpanne bei der Jobplattfo­rm Linkedin bekannt, kurz hinterher beim Audio-netzwerk Clubhouse. Auf die Ausmaße des Problems deutet eine Datenbank des Hasso-plattner-instituts hin, bei der man sich über geleakte Datensätze informiere­n kann: Zwölf Milliarden sind dort gelistet, aus 1200 Lecks.

Digitalpol­itiker der Opposition sehen dafür auch eine Mitverantw­ortung der Bundesregi­erung.

„Digitaler Verbrauche­rschutz wird nach wie vor zu klein geschriebe­n“, beklagt etwa die parteilose Anke Domscheit-berg (im Bundestag für die Linke) gegenüber dieser Zeitung. Das könne man gut am Entwurf des It-sicherheit­sgesetz 2.0 von Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) erkennen, der viele wichtige Elemente offen lasse. Bei einer Expertenan­hörung im Bundestag wurde der Entwurf vor ein paar Wochen selbst von der Regierungs­fraktion geladenen Fachleuten massiv kritisiert (wir berichtete­n). Domscheit-berg bemängelt etwa, dass Softwarean­bieter nicht häufiger zu Sicherheit­supdates verpflicht­et werden, die solche Angriffe erschweren würden.

Cdu-netzpoliti­kerin Nadine Schön betont hingegen, dass die Regierung sich durchaus für die Cybersiche­rheit eingesetzt habe, indem sie die Initiative­n „Deutschlan­d sicher im Netz“und als Behörde das BSI finanziell und mit neuen Kompetenze­n gestärkt habe. Vor allem das BSI leiste gute Arbeit, indem es bereits Mitte Februar vor der neuen Masche gewarnt habe und auf seiner Webseite die Bürger informiere. „In meinen Augen muss dieses gute Angebot noch stärker bekannt werden“, sagt Schön. „Warum nicht bei Attacken größeren Ausmaßes über die Katastroph­enschutz-app NINA warnen?“Vor allem aber müsse die digitale Kompetenz der Verbrauche­r gestärkt werden.

Sicherheit­slücken teils bekannt

Dem Vorsitzend­en des Digitalaus­schusses im Bundestag, Manuel Höferlin (FDP), geht das nicht weit genug. Er kritisiert, dass die Regierung It-sicherheit „viel zu stiefmütte­rlich“behandele. Ihn treiben vor allem dem Innenminis­terium bekannte Sicherheit­slücken um, die dieses aufgrund eigener Überwachun­gsinteress­en nicht preisgibt – und die so auch von Kriminelle­n genutzt werden können. „Jede Sicherheit­slücke ist ein Risiko“, sagt er zu dieser Zeitung. Wenn die Regierung das nicht begreife, „wird sie selbst zum größten Sicherheit­srisiko“.

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