Öffnung der Schulen im Land steht auf der Kippe
Die hohen Infektionszahlen könnten den geplanten Präsenzunterricht stoppen. Auch Kitas müssen teilweise auf Notbetrieb umstellen.
Angesichts schnell steigender Infektionszahlen stehen die für kommende Woche geplanten Öffnungsschritte für Schulen auf der Kippe. „In Stadt- und Landkreisen mit einer Siebentages-inzidenz von über 200 wird auf Fernunterricht umgestellt“, teilte das Kultusministerium mit.
Auch der Kita-betrieb soll nach Informationen dieser Zeitung bei örtlichen Inzidenzen über 200 stark eingeschränkt werden. Das Land arbeitet aktuell an einer entsprechenden
Verordnung, die eine solche Regelung vorsieht, ebenso der Bund mit einer geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Beschlossen ist aber beides bisher nicht.
Die Infektionszahlen im Land steigen weiter schnell. Am Donnerstagabend lagen bereits 8 von 44 Kreisen im Land über der 200er-schwelle. 31 weitere lagen über 100, einige davon knapp unter 200. Im Landes-schnitt betrug die Inzidenz 165.
Ausgenommen vom Präsenzverbot an Schulen, das in Kraft treten soll, wenn die Inzidenz drei Tage in Folge über 200 liegt, wären die Notbetreuung in den Jahrgangsstufen 1 bis 7, die Abschlussklassen und Sonderpädagogische Einrichtungen mit Förderschwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung. Auch an Kitas dürfte es gegebenenfalls Notbetreuungs-ausnahmen geben.
An Schulen in jenen Kreisen, die unterhalb der Inzidenz von 200 liegen, soll von Montag an Präsenzbetrieb für alle Klassenstufen möglich sein, jedoch nicht gleichzeitig. Bedingung dafür ist, dass der Abstand eingehalten werden kann, etwa durch Klassenteilung und Wechselbetriebe, und dass alle Teilnehmer einen aktuellen negativen Coronatest haben.
Die Tests in Schulen mit Schnelltests zur Selbstanwendung wurden zuletzt örtlich in großer Eile vorbereitet. Auch sie stehen aber in Frage: Am Verwaltungsgerichtshof des Landes läuft ein Eilverfahren gegen die „indirekte Testpflicht“– Ausgang offen. An Kitas herrscht bisher keine solche Testpflicht, sie steht aber im Raum.
Es ist wie so oft in den vergangenen Monaten: Schüler, Lehrer und Eltern sehen mit Ungewissheit dem kommenden Montag entgegen. Eigentlich sollen dann die Schulen wieder für mehr Präsenzunterricht öffnen. Geplant sind, mit großen örtlichen Unterschieden, Öffnungen mit einem Wechselbetrieb für alle Klassenstufen an allen Schularten. Besonders für die Mittelstufen ein großer Schritt. Sie waren seit Monaten nicht mehr an der Schule. Doch vielerorts dürfte die Öffnung ausfallen – oder schnell wieder stoppen. Denn die Infektionszahlen steigen, und liegen oft schon über einer Schwelle, ab der Präsenzunterricht eingeschränkt wird. Also ist vieles offen. Einige Fragen und Antworten:
Wer darf ab Montag in die Schule?
Das ist von Schule zu Schule verschieden. Prinzipiell kann ab Montag in Kreisen, für die nicht seit drei Tagen in Folge eine Sieben-tage-inzidenz über 200 gemeldet wird – also mehr als 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen – Präsenzunterricht für alle Stufen stattfinden. Voraussetzungen sind darüber hinaus: dass die üblichen Hygieneregeln beachtet werden und dass Abstand gehalten wird. Letzteres dürfte die Schülerschaft ausdünnen, denn dazu müssen nahezu überall Klassen geteilt werden. Weitere Bedingung für Präsenzunterricht: ein negativer, aktueller Coronatest.
Und bei einer höheren Inzidenz? Liegt der Wert drei Tage in Folge über 200, darf es ab dem übernächsten Tag nur Fernunterricht geben. Ausgenommen von dem Präsenzverbot sind: die Notbetreuung in den Jahrgangsstufen 1 bis 7, Abschlussklassen und Sonderpädagogische Einrichtungen mit den Förderschwerpunkten geistige, körperliche, motorische Entwicklung.
Was hat es mit den Tests auf sich?
Ab kommender Woche soll an Schulen umfangreicher als bisher geplant mit Schnelltests nach Infektionen gesucht werden. Wie das Kultusministerium mitteilte, gilt die geplante „indirekte Testpflicht“für Schüler und Schulpersonal vor der Teilnahme an Präsenzunterricht generell und nicht, wie bisher vorgesehen und berichtet, erst ab einer Sieben-tage-inzidenz von 100. Das Land nimmt damit eine Regelung der geplanten „Bundes-notbremse“vorweg, auch wenn die noch nicht beschlossen ist. Für Präsenzunterricht braucht man einen negativen Test. An einigen Grundschulen soll dieser zuhause durchgeführt werden, an weiterführenden Schulen per Selbsttests vor Ort. Vorgesehen sind zwei Tests pro Woche. Wer den Test verweigert, muss zuhause bleiben. Die Präsenzpflicht bleibt ohenhin aufgehoben.
Sind Schulen
darauf eingestellt? Auch das ist unterschiedlich. Überall laufen Vorbereitungen für die Tests. Das Land hat 10 Millionen Testkits beschafft, zudem haben viele Kommunen selbst welche besorgt. Entgegen einer Aussage von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) vom Dienstag wurden aber noch nicht alle Kommunen bedarfsgemäß beliefert. Kommunalvertreter wie die Städtetags-geschäftsführerin Gudrun Heute-bluhm zeigen sich aber nachsichtig: „Die Organisation und Logistik hinter den Schul-testungen ist angesichts der Vielzahl der Schulen und Standorte schwierig. Am Dienstag waren noch nicht alle Landes-lieferungen in den Kommunen angekommen. Wir sind aber seit gestern zuversichtlich, dass Anfang kommender Woche, wenn die Testpflicht gilt, alles Material da ist.“
Wird die Testpflicht akzeptiert?
In der Elternschaft gibt es teils großen Widerstand. Elternvertreter berichten von Kampagnen gegen das Testen an Schulen. Zudem wird die Regelung gerichtlich überprüft. Am Verwaltungsgerichtshof Mannheim läuft laut einer Sprecherin ein Eilverfahren gegen die Testpflicht. Das Land muss Stellung nehmen, die Frist dafür endete am Donnerstag.
Gibt es überdies Widerstand?
Auch manche Lehrer stehen der Maßnahme skeptisch gegenüber. Der Lehrerverband VBE forderte zuletzt, für Tests externes Personal anzuheuern. Für Verunsicherung sorgte zudem, dass teils Antigen-selbsttests an Schulen geliefert wurden, die ursprünglich nur zur Anwendung durch Fachpersonal zugelassen waren. Durch einen neuen Beipackzettel, einen kürzeren Tupfer und eine neu bestimmte Abstrichtiefe – nur zwei Zentimeter statt tiefer Nasen-rachenraum – wurden diese für den schulischen Selbsttesteinsatz umgewidmet. Dafür besteht aber eine Notzulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFARM). Auch die anderen ausgelieferten Tests von drei weiteren Herstellern wurden vom BFARM für die Selbstanwendung zugelassen.