Aus für Berliner Mietendeckel
Während Minister Spahn aufs Tempo drückt, ringt die SPD um eine einheitliche Linie bei Ausgangssperren. Unternehmen erhalten Millionenförderung zur Erforschung von Medikamenten.
Berlin. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Berliner Mietendeckel zu kippen, hat geteilte Reaktionen ausgelöst. Sozial- und Mieterorganisationen übten Kritik, die Bauwirtschaft zeigte sich erleichtert. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Länder hier keine Gesetzgebungsbefugnis hätten. Geklagt hatten in Karlsruhe 284 Bundestagsabgeordnete aus Union und FDP.
Berlin. Impfen, testen und Kontaktbeschränkungen sind die wichtigsten Mittel im Kampf gegen Coronaviren. Ob Ausgangsbeschränkungen ebenfalls dazu gehören, ist hoch umstritten. Medikamente gegen Covid sind in Sicht, doch ihre Entwicklung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie sind die Zahlen?
Während der Bundestag erst in der kommenden Woche über die bundesweite Corona-notbremse bei einer Sieben-tage-inzidenz von 100 entscheiden will, ist der aktuelle Wert bereits bei 160,1 angekommen (am Vortag 153,2, vor vier Wochen 90,4). Der bisherige Höchststand wurde am 22. Dezember mit 197,6 erreicht. Die Zahl der Corona-neuinfektionen innerhalb eines Tages betrug jetzt 29 426. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen 24 Stunden noch 20 407 Neuinfektionen verzeichnet.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte die Bundesländer auf, unabhängig vom erwarteten Bundesgesetz schon jetzt weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen. Er habe den Eindruck, die Länder warteten lediglich auf das Gesetz, sagte er am Donnerstag. Auch Rki-präsident Lothar Wieler unterstrich: „Klar ist, wir müssen jetzt handeln.“In vielen Krankenhäusern spitze sich die Lage „teilweise dramatisch zu“.
Laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin liegen aktuell 4679 Covid-19-patienten auf den Intensivstationen. Für Ende des Monats wird erwartet, dass die Zahl 6000 überschritten werden könnte – der bisherige Höchststand war am 3. Januar mit 5762 erreicht worden. Für Spahn ist klar, „dass ohne einen Stopp dieser Entwicklung unser Gesundheitssystem an den Rand seiner Kapazität gelangen wird“.
Wer ist aktuell besonders betroffen?
Nachdem durch die Impfungen viele Ältere geschützt wurden, gibt es nun die meisten neuen Fälle bei den 15- bis 49-Jährigen. Wieler und Spahn kritisierten deshalb die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Regelung, dass die Schulen erst ab einer Sieben-tage-inzidenz von 200 den Präsenzunterricht einstellen sollen. Er könne sich diese Maßnahme „deutlich früher“vorstellen, betonte der Minister. Und für Wieler ist klar, dass bei hohen Inzidenzen durch die Tests an Schulen sehr viele einzelne Schüler oder ganze Klassen in Quarantäne müssten.
Was macht die Mutation B.1.1.7? Sie beherrscht mittlerweile die Lage in Deutschland. Laut Wieler beträgt ihr Anteil bei den Neuinfektionen 90 Prozent. Das habe deutliche Auswirkungen, denn die höhere Ansteckungsgefahr sei unstrittig. „Die Übertragung ist rasch und intensiv.“Ob die englische Variante aber auch tödlicher sei, bleibe „eine offene Frage“. Zunächst hatte es englische Erhebungen gegeben, die einen tödlicheren Verlauf nahelegten, nun gibt es aktuell zwei neue Untersuchungen, die zumindest bei Krankenhaus-patienten bei den Todesfällen keinen Unterschied zur ursprünglichen Corona-form erkennen können.
Sind die in der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes vorgesehenen Ausgangssperren rechtlich zulässig?
Das ist höchst umstritten. Viele halten sie für unverhältnismäßig, weil es sich um einen schweren Grundrechtseingriff handelt, die Wirksamkeit für den
Infektionsschutz aber nicht bewiesen ist. „Im Vergleich zu anderen Maßnahmen haben Ausgangssperren nur einen minimalen Effekt bei der Pandemiebekämpfung“, sagte der stellvertretende Fdp-fraktionsvorsitzende Stephan Thomae. Aber auch für diese Behauptung ist die Beweislage dünn. In einigen Fällen wurden Ausgangssperren in den Ländern von Gerichten gekippt. Sollte sie es Ausgangssperren in einem Bundesgesetz geben, drohen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Worüber streitet man sich in der SPD?
Vizekanzler Olaf Scholz hält die Ausgangsbeschränkungen für „verhältnismäßig“. Begründung: In vielen Staaten hätten sie geholfen, die Infektionszahlen nach unten zu bringen. Scholz verweist auf die gängige Praxis in den Bundesländern. Jetzt werde lediglich für „Einheitlichkeit“gesorgt. Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der Spd-fraktion im Bundestag, will zumindest Ausnahmen, vor allem für Sport im Außenbereich. Thüringens Spd-innenminister Georg Maier warnt vor Schwierigkeiten bei der Durchsetzung. Man könne das Problem nicht auf die Polizei abwälzen. Die Ausgangssperren würden ohne Akzeptanz seitens der Bevölkerung nicht funktionieren. Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, lehnt die Ausgangssperren rundweg ab.
In einigen Fällen wurden Ausgangssperren von den Gerichten bereits gekippt.
Medikamente zur Behandlung von Covid-19 werden dringend benötigt. Was tut sich in Deutschland?
Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) veröffentlichte am Donnerstag die Namen von acht Unternehmen, deren Forschungen an Covid-medikamenten vom Bund mit insgesamt 50 Millionen Euro gefördert werden sollen. Es handelt sich um die Firmen Adrenomed, Aptarion Biotech, Atriva Therapeutics, Bayer, Corat Therapeutics, Eisbach Bio, EMC microcollections und Explicat Pharma. Die zur Förderung ausgesuchten Projekte befinden sich alle noch in der Entwicklung.
Welche Arzneimittel sind bereits zugelassen?
In der EU sind zwei Medikamente zur Behandlung von Covid-patienten zugelassen: Remdesivir und Dexamethason. Remdesivir wurde zur Bekämpfung von Ebola entwickelt und soll die Virenvermehrung reduzieren. Die Weltgesundheitsorgansation WHO empfiehlt das Medikament im Kampf gegen Covid aktuell nicht, weil es kaum Wirkung zeige. Dexamethason ist ein Kortisonpräparat, das die Immunreaktion des Körpers auf Coronaviren dämpfen soll. Durch den Einsatz des Medikaments sind manche Patienten vor dem Tod gerettet worden.