Heidenheimer Zeitung

Gangster mit erlesenen Manieren

Im ungewöhnli­chen neuen „Tatort“mit Wotan Wilke Möhring geht es um überrasche­nd kultiviert­e Mitglieder der Russenmafi­a.

- Von Martin Weber

Angehörige der sogenannte­n Russenmafi­a sind im Fernsehkri­mi relativ leicht zu erkennen: Sie tragen die Haare gerne ultrakurz, haben einen stechenden Blick, muskulöse Oberarme und sind großflächi­g tätowiert. Ganz anders im neuen „Tatort“: Die Mitglieder dieser schwerkrim­inellen russischen Familie spielen Klavier, haben Umgangsfor­men, teure Möbel in geschmackv­ollen Villen und Kunst an den Wänden. Außerdem wirken die Timofejews auch rein optisch eher wie eine Künstlerfa­milie oder russische Adelige aus früheren Tagen.

Das ist natürlich Absicht, denn Regisseur und Drehbuchau­tor Niki Stein schert sich nicht um Klischees und lässt in seinem Krimi „Tatort: Macht der Familie“(Sonntag, 20.15

Uhr, ARD) Figuren und Motive aus großen russischen Romanen des 19. Jahrhunder­ts anklingen: Es geht um Schicksal, Liebe, Schuld, Vergebung und natürlich um unauflösba­re Familienba­nde – eine erfrischen­d Herangehen­sweise an einen Tv-krimi.

Die in Hamburg lebenden Timofejews verkaufen tagsüber ganz seriös Landmaschi­nen und verhökern nachts illegal Raketen, Bomben und andere Kriegswaff­en. Die Bundespoli­zei um den erfahrenen Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und die frisch zur Polizeihau­ptkommissa­rin beförderte­n Julia Grosz (Franziska Weisz) ist dank eines verdeckten Ermittlers kurz davor, der Sippe um Patriarch Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz) das Handwerk zu legen. Doch dann geht alles schief.

Bei einer Geldüberga­be lotst Timofejews Neffe Nicolai (Jakub Gierszal) den Undercover-ermittler zum Flughafen und in ein Privatflug­zeug, das nach Zypern fliegen soll. Doch über dem Mittelmeer explodiert eine Bombe und reißt die Männer samt Besatzung in den Tod. Weisz, die den Einsatz geleitet hat, ist am Boden zerstört, doch sie gibt nicht auf: Mit Hilfe von Timofejews Nichte Marija (Tatiana Nekrasov), die beim LKA Hamburg arbeitet und als Lockvogel tätig werden soll, will sie das Bombenatte­ntat aufklären.

Falke ist von diesem gefährlich­en Plan alles andere als begeistert. Doch die junge Frau lässt sich auf das Vorhaben ein und nimmt nach jahrelange­r Funkstille wieder Kontakt zu ihrer Familie auf, die den Tod Nicolais betrauert.

Regisseur Niki Stein hat seinen neuen „Tatort“als Mischung aus Familientr­agödie und Thriller aufwendig inszeniert und beweist dabei sein Gespür für atmosphäri­sche Drehorte: Die Szenen spielen am Hafen oder am Flughafen, in der Villa der Timofejews oder ihrem mondänen Jagdhaus – das verleiht diesem Sonntagskr­imi eine hochwertig­e Optik fast wie im Kino. Dazu kommt ein spannender Plot, der nur einen kleinen Schönheits­fehler hat: Dass ausgerechn­et Marjia als Ermittleri­n gegen ihre eigene Familie mobilisier­t wird, ist ziemlich weit hergeholt. Sehenswert ist der neue „Tatort“aber trotzdem.

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Foto: dpa-bildfunk Der Einsatz läuft aus dem Ruder: Falke (Wotan Wilke Möhring) mit Kollegin Katia (Anja Taschenber­g).
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