Warten auf den Kanzler
Schon 1961 wird der Ausbau der Brenzbahn diskutiert. Er bleibt ebenso ein Wunsch wie hochrangiger Regierungsbesuch. Ein Blick ins Archiv der HZ.
60
Prozent der Kreisumlage steuert 1961 die Stadt Heidenheim bei. Mit weitem Abstand folgt die Stadt Giengen, die zwölf Prozent schultert. Alle anderen Kreisgemeinden bewegen sich im niedrigen einstelligen Bereich.
Bei der Verabschiedung des Etats werden im März Stimmen laut, die angesichts dieser Verteilung an einem „Weiter so“zweifeln. Zumindest zu den aktuellen Konditionen. Denn die Senkung des Hebesatzes von 21,5 auf 18,5 Prozent zwei Jahre zuvor kostete den Kreis 1,8 Millionen Mark.
Gleichzeitig wachsen aber die Ausgaben. Kreisverwaltungsrat Grupp nennt unter anderem den geplanten Bau eines neuen Krankenhauses, wachsende Personalkosten und die Sanierung verschiedener Straßen. Wie gerufen kommt da die Zusage des Bundes, 1,1 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen, um die Frostschäden auf der B 19 zwischen Herbrechtingen und Hausen zu beseitigen.
Und dann brennt den Lokalpolitikern ja noch ein weiteres Problem auf den Nägeln: Die Brenzbahn soll ein zweites Gleis erhalten. Von einer schnellen Umsetzung ist nicht auszugehen, obwohl das Innenministerium die Angelegenheit als dringlich bezeichnet und dies mit dem Berufsverkehr und der wachsenden Bevölkerungsdichte begründet. Bevor Fakten geschaffen werden, ist nämlich eine Einigung zwischen dem Land und der Bundesbahn hinsichtlich der Kosten nötig. Mit Ergebnissen rechnen die Verantwortlichen erst 1965.
Zu wenige Parkplätze
Also bleibt für viele das Auto das Verkehrsmittel der Wahl. Mit Folgen für die Heidenheimer Innenstadt: „Dauerparker verstopfen die belebtesten Straßen“, titelt die Heidenheimer Zeitung am 25. März und führt als Beleg konkrete Zahlen an. Demzufolge gibt es in der Innenstadt Platz für 500 Randsteinparker. Der Bedarf ist freilich doppelt so groß. Ins Gebet nimmt der Berichterstatter auch Geschäftsleute, die ihre Autos direkt vor ihren Läden abstellten, und so ihren Kunden den Platz wegnähmen. Es wäre gut, so sein Rat, das zu ändern, zumal es manchem gut bekäme, „ein wenig zu laufen, und seien es auch nur ein paar hundert Meter“.
Experiment mit Parkscheiben
Oberbaurat Dr. Beck berichtet von einem „originellen“Experiment der Stadt Kassel, die sich mit dem gleichen Problem konfrontiert sieht. Dort darf in bestimmten Bereichen nur noch bis zu einer Stunde geparkt werden. Der Überwachung dienen Parkkontrollscheiben mit einer Zeitskala. Beck spricht von einem interessanten Versuch, der allerdings nicht konsequent durchgezogen werde, da es keine rechtliche Grundlage dafür gebe.
Die städtischen Planer mutmaßen, dass im Jahr 2000 in der Heidenheimer Innenstadt 3500 Stellplätze zur Verfügung stehen werden. Abwarten, rät die HZ, schließlich sei es noch etwas hin, und „vielleicht sind dann längst Hubschrauber-parkplätze auf Dächern für den Lufttaxi-verkehr notwendig“. In die Lüfte zieht es derweil die Fliegergruppe Oberkochen-königsbronn. Hinter der Werkstatt am Katzenbach findet ein Modellflug-wettbewerb sein Publikum, während bei Gerstetten die Feuerwehr anrückt.
Dort wollen zwei 15-jährige Jungen wie schon mehrmals zuvor eine selbstgebastelte Rakete in den Himmel steigen lassen. Dummerweise versagt der Antrieb, und entzündetes Magnesium setzt die dürre Grasnarbe in Brand. Auf einer Fläche von 1000 Quadratmetern entsteht geringer Sachschaden, allerdings erleidet ein 17-Jähriger bei den Löschversuchen eine Rauchvergiftung.
Pilot stirbt bei Flugzeugabsturz
Weitaus gravierender sind die Folgen eines Unglücks, das sich in Aalen ereignet: Beim Absturz eines Jagdbombers der Luftwaffe kommt der Pilot ums Leben, Trümmerteile verletzen zwei Mädchen am Boden. Nach der Explosion der Maschine gerät ein landwirtschaftliches Gebäude in Brand und wird völlig zerstört.
Für positivere Schlagzeilen sorgt die lokale wie auch die nationale Polit-prominenz. So treten in der Karl-rau-halle bei einer vom Stadtverband für Leibesübungen auf die Beine gestellten Großveranstaltung, die körperliche Höchstleistungen und Show verbindet, zwei mit Honoratioren gespickte Mannschaften an.
Jeweils siebeneinhalb Minuten lang wird Handball bzw. Fußball gespielt, wobei Heidenheims Oberbürgermeister Elmar Doch im Tor des gemischten Teams aus Stadträten und Mitarbeitern der Stadtverwaltung steht. Dass er dem Anlass angemessen mit blauem Trikot und roter Hose in den Stadtfarben gekleidet ist, lässt seine sportlichen Gegner kalt.
Trotz bestmöglicher Gegenwehr kann der Rathauschef eine Klatsche nicht abwenden. Der Stadtverband stellt eindrucksvoll unter Beweis, weshalb ihm sein Name verpasst wurde, gewinnt mit 7:3. Doch trägt’s mit Fassung, zumal für die Höhepunkte ohnehin andere sorgen. Heinz Pfeiffer etwa, Ex-weltmeister im Einer-kunstradfahren, Christine Ludolph und Willy Parg, deutsche Meister im Rollschuhlauf, und die „Vier Rondos“, nationale Meister im Kunstkraftsport.
Politische Schwergewichte sollen sich unterdessen in Washington treffen. Der neue Us-präsident John F. Kennedy lädt Bundeskanzler Konrad Adenauer zu einem politischen Meinungsaustausch ins Weiße Haus ein.
Kommt Konrad Adenauer?
Damit nicht genug: Durch eine Indiskretion gelangt an die Öffentlichkeit, Adenauer werde direkt von seinem Urlaubsort Cadenabbia aus auch Heidenheim eine Visite abstatten und somit kurzfristig Willy Brandt zuvorkommen – der Spd-kanzlerkandidat und Regierende Bürgermeister von Berlin hat sich für den 17. Mai an der Brenz angekündigt.
Zahlreiche Schaulustige versammeln sich also zur angegebenen Uhrzeit in der Nähe der Pauluskirche, um einen Blick auf den „Alten aus Rhöndorf“zu erhaschen. Vergebens. Den Grund dafür liefert ein Blick auf den Kalender: Es ist der 1. April 1961.