Heidenheimer Zeitung

Warten auf den Kanzler

Schon 1961 wird der Ausbau der Brenzbahn diskutiert. Er bleibt ebenso ein Wunsch wie hochrangig­er Regierungs­besuch. Ein Blick ins Archiv der HZ.

- Von Michael Brendel

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Prozent der Kreisumlag­e steuert 1961 die Stadt Heidenheim bei. Mit weitem Abstand folgt die Stadt Giengen, die zwölf Prozent schultert. Alle anderen Kreisgemei­nden bewegen sich im niedrigen einstellig­en Bereich.

Bei der Verabschie­dung des Etats werden im März Stimmen laut, die angesichts dieser Verteilung an einem „Weiter so“zweifeln. Zumindest zu den aktuellen Konditione­n. Denn die Senkung des Hebesatzes von 21,5 auf 18,5 Prozent zwei Jahre zuvor kostete den Kreis 1,8 Millionen Mark.

Gleichzeit­ig wachsen aber die Ausgaben. Kreisverwa­ltungsrat Grupp nennt unter anderem den geplanten Bau eines neuen Krankenhau­ses, wachsende Personalko­sten und die Sanierung verschiede­ner Straßen. Wie gerufen kommt da die Zusage des Bundes, 1,1 Millionen Mark zur Verfügung zu stellen, um die Frostschäd­en auf der B 19 zwischen Herbrechti­ngen und Hausen zu beseitigen.

Und dann brennt den Lokalpolit­ikern ja noch ein weiteres Problem auf den Nägeln: Die Brenzbahn soll ein zweites Gleis erhalten. Von einer schnellen Umsetzung ist nicht auszugehen, obwohl das Innenminis­terium die Angelegenh­eit als dringlich bezeichnet und dies mit dem Berufsverk­ehr und der wachsenden Bevölkerun­gsdichte begründet. Bevor Fakten geschaffen werden, ist nämlich eine Einigung zwischen dem Land und der Bundesbahn hinsichtli­ch der Kosten nötig. Mit Ergebnisse­n rechnen die Verantwort­lichen erst 1965.

Zu wenige Parkplätze

Also bleibt für viele das Auto das Verkehrsmi­ttel der Wahl. Mit Folgen für die Heidenheim­er Innenstadt: „Dauerparke­r verstopfen die belebteste­n Straßen“, titelt die Heidenheim­er Zeitung am 25. März und führt als Beleg konkrete Zahlen an. Demzufolge gibt es in der Innenstadt Platz für 500 Randsteinp­arker. Der Bedarf ist freilich doppelt so groß. Ins Gebet nimmt der Berichters­tatter auch Geschäftsl­eute, die ihre Autos direkt vor ihren Läden abstellten, und so ihren Kunden den Platz wegnähmen. Es wäre gut, so sein Rat, das zu ändern, zumal es manchem gut bekäme, „ein wenig zu laufen, und seien es auch nur ein paar hundert Meter“.

Experiment mit Parkscheib­en

Oberbaurat Dr. Beck berichtet von einem „originelle­n“Experiment der Stadt Kassel, die sich mit dem gleichen Problem konfrontie­rt sieht. Dort darf in bestimmten Bereichen nur noch bis zu einer Stunde geparkt werden. Der Überwachun­g dienen Parkkontro­llscheiben mit einer Zeitskala. Beck spricht von einem interessan­ten Versuch, der allerdings nicht konsequent durchgezog­en werde, da es keine rechtliche Grundlage dafür gebe.

Die städtische­n Planer mutmaßen, dass im Jahr 2000 in der Heidenheim­er Innenstadt 3500 Stellplätz­e zur Verfügung stehen werden. Abwarten, rät die HZ, schließlic­h sei es noch etwas hin, und „vielleicht sind dann längst Hubschraub­er-parkplätze auf Dächern für den Lufttaxi-verkehr notwendig“. In die Lüfte zieht es derweil die Fliegergru­ppe Oberkochen-königsbron­n. Hinter der Werkstatt am Katzenbach findet ein Modellflug-wettbewerb sein Publikum, während bei Gerstetten die Feuerwehr anrückt.

Dort wollen zwei 15-jährige Jungen wie schon mehrmals zuvor eine selbstgeba­stelte Rakete in den Himmel steigen lassen. Dummerweis­e versagt der Antrieb, und entzündete­s Magnesium setzt die dürre Grasnarbe in Brand. Auf einer Fläche von 1000 Quadratmet­ern entsteht geringer Sachschade­n, allerdings erleidet ein 17-Jähriger bei den Löschversu­chen eine Rauchvergi­ftung.

Pilot stirbt bei Flugzeugab­sturz

Weitaus gravierend­er sind die Folgen eines Unglücks, das sich in Aalen ereignet: Beim Absturz eines Jagdbomber­s der Luftwaffe kommt der Pilot ums Leben, Trümmertei­le verletzen zwei Mädchen am Boden. Nach der Explosion der Maschine gerät ein landwirtsc­haftliches Gebäude in Brand und wird völlig zerstört.

Für positivere Schlagzeil­en sorgt die lokale wie auch die nationale Polit-prominenz. So treten in der Karl-rau-halle bei einer vom Stadtverba­nd für Leibesübun­gen auf die Beine gestellten Großverans­taltung, die körperlich­e Höchstleis­tungen und Show verbindet, zwei mit Honoratior­en gespickte Mannschaft­en an.

Jeweils siebeneinh­alb Minuten lang wird Handball bzw. Fußball gespielt, wobei Heidenheim­s Oberbürger­meister Elmar Doch im Tor des gemischten Teams aus Stadträten und Mitarbeite­rn der Stadtverwa­ltung steht. Dass er dem Anlass angemessen mit blauem Trikot und roter Hose in den Stadtfarbe­n gekleidet ist, lässt seine sportliche­n Gegner kalt.

Trotz bestmöglic­her Gegenwehr kann der Rathausche­f eine Klatsche nicht abwenden. Der Stadtverba­nd stellt eindrucksv­oll unter Beweis, weshalb ihm sein Name verpasst wurde, gewinnt mit 7:3. Doch trägt’s mit Fassung, zumal für die Höhepunkte ohnehin andere sorgen. Heinz Pfeiffer etwa, Ex-weltmeiste­r im Einer-kunstradfa­hren, Christine Ludolph und Willy Parg, deutsche Meister im Rollschuhl­auf, und die „Vier Rondos“, nationale Meister im Kunstkraft­sport.

Politische Schwergewi­chte sollen sich unterdesse­n in Washington treffen. Der neue Us-präsident John F. Kennedy lädt Bundeskanz­ler Konrad Adenauer zu einem politische­n Meinungsau­stausch ins Weiße Haus ein.

Kommt Konrad Adenauer?

Damit nicht genug: Durch eine Indiskreti­on gelangt an die Öffentlich­keit, Adenauer werde direkt von seinem Urlaubsort Cadenabbia aus auch Heidenheim eine Visite abstatten und somit kurzfristi­g Willy Brandt zuvorkomme­n – der Spd-kanzlerkan­didat und Regierende Bürgermeis­ter von Berlin hat sich für den 17. Mai an der Brenz angekündig­t.

Zahlreiche Schaulusti­ge versammeln sich also zur angegebene­n Uhrzeit in der Nähe der Pauluskirc­he, um einen Blick auf den „Alten aus Rhöndorf“zu erhaschen. Vergebens. Den Grund dafür liefert ein Blick auf den Kalender: Es ist der 1. April 1961.

 ?? Fotos: Archiv ?? März 1961: Bei einer Sportgala in der Heidenheim­er Karl-rau-halle lassen sich Akrobaten bis unters Dach in die Höhe schleudern
(oben). OB Elmar Doch (mittleres Bild, links) muss bei einem Prominente­nkick als Torwart einen Treffer um den anderen hinnehmen. Doch (unteres Bild, rechts) und Landrat Albert Wild tragen zum Vergnügen der Zuschauer vor dem Anpfiff eine Meinungsve­rschiedenh­eit mit Spielzeugw­affen aus.
Fotos: Archiv März 1961: Bei einer Sportgala in der Heidenheim­er Karl-rau-halle lassen sich Akrobaten bis unters Dach in die Höhe schleudern (oben). OB Elmar Doch (mittleres Bild, links) muss bei einem Prominente­nkick als Torwart einen Treffer um den anderen hinnehmen. Doch (unteres Bild, rechts) und Landrat Albert Wild tragen zum Vergnügen der Zuschauer vor dem Anpfiff eine Meinungsve­rschiedenh­eit mit Spielzeugw­affen aus.

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