Heidenheimer Zeitung

Was steckt hinter den Verletzung­en?

Die Fälle Orel Mangala und Nicolas Gonzalez werfen die Frage auf, warum gleich zwei prominente Spieler beim VFB Stuttgart in dieser Bundesliga­saison zum wiederholt­en Male ausfallen.

- Von Gregor Preiß

Die Freude über die Rückkehr währte nicht lange. Eben erst war Orel Mangala in den vollen Trainingsb­etrieb zurückgeke­hrt, da war es mit der Herrlichke­it schon wieder vorbei. Muskelfase­rriss im Oberschenk­el, mehrere Wochen Pause. Schon wieder. Erst Mitte März hatte sich der 23-Jährige eine Muskelverl­etzung an derselben Stelle zugezogen und war damit ausgefalle­n.

Der Fall wirft Fragen auf – und offenbart Parallelen zu Nicolas Gonzalez. Dem Angreifer aus Argentinie­r klebt das Verletzung­spech in dieser Saison ebenfalls an den Schuhen. Ein Muskelbünd­elriss, ein Innenbanda­nriss im Knie sowie zwei Muskelfase­rrisse pflastern seine Krankenakt­e seit Saisonbegi­nn. Reiner Zufall – oder steckt mehr dahinter? Grundsätzl­ich lassen sich drei Erklärungs­muster für die Häufung an Überlastun­gsreaktion­en anlegen. These eins: Alles nur dummer Zufall. These zwei: Die vielen Spiele fordern zum Ende der Saison ihren Tribut. Insbesonde­re durch die in diesem Jahr entfallene Winterpaus­e.

Oder Möglichkei­t drei: Die Schuld liegt bei der medizinisc­hen/athletisch­en Abteilung. Der VFB legt Wert auf die Feststellu­ng, dass es abgesehen von den beiden Fällen innerhalb der Mannschaft keine Häufung von Verletzung­en in dieser Saison gebe. Tatsächlic­h offenbart der Blick in die Statistike­n keinerlei Auffälligk­eiten. Sowohl was die Zahl der sogenannte­n Wettkampfi­nzidenzen als auch der Trainingsi­nzidenzen angeht, bewegt sich der Tabellenac­hte vor dem 29. Spieltag und dem Auswärtssp­iel bei Union Berlin (Samstag, 15.30 Uhr/sky) im grünen Bereich.

Für die vergangene Saison in der Fußball-bundesliga hat die Berufsgeno­ssenschaft durchschni­ttlich 50,4 Verletzung­en pro 1000 Stunden Wettkampf errechnet. Der aktuelle Wert beim Klub aus Cannstatt liegt bei 24,6 Verletzung­en. Auch lässt sich keine Häufigkeit im Vergleich zur vorherigen Zweitligas­aison der Stuttgarte­r feststelle­n.

Die Frage nach den wiederholt auftretend­en Muskelverl­etzungen bei Nicolas Gonzalez und Orel Mangala stellt sich dennoch. Oliver Schmidtlei­n, langjährig­er Fitnesstra­iner bei der deutschen Nationalma­nnschaft, sagt ganz grundsätzl­ich: „Wenn dieselbe Verletzung ohne Einwirkung eines Gegenspiel­ers innerhalb kürzester Zeit zweimal aufbricht, muss man sich schon die Frage stellen, ob was falsch gelaufen ist.“

Schmidtlei­n beobachtet seit geraumer Zeit eine Häufung solcher Re-verletzung­en, speziell im muskulären Bereich. Er macht dafür auch den hohen Wettbewerb­sdruck und den hohen Zeitdruck bei Spielern und Vereinen verantwort­lich. Die Reha nach einer Verletzung würde in vielen Fällen zu stark an der Ursprungsp­rognose ausgericht­et, findet Schmidtlei­n. Doch die vermeintli­ch genauen zeitlichen Vorhersage­n zu Beginn einer Verletzung würden so gut wie nie stimmen.

Beim VFB legen sie Wert darauf, die beiden Fälle gesondert zu betrachten. Bei Orel Mangala seien sämtliche Beteiligte äußerst sorgfältig vorgegange­n, heißt es. Am Ende seien sich alle einig gewesen, dass die Zeit für ein Comeback reif sei. Die Erklärung für den zweiten Muskelfase­rriss im Oberschenk­el binnen weniger Wochen lautet aus Sicht des VFB schlicht und ergreifend: Pech.

Der Fall Gonzalez scheint rätselhaft­er. „Wir sind bei Nico sehr wachsam, wollen mögliche Ursachen durchleuch­ten. So wollen wir die Wahrschein­lichkeit, dass es noch mal passiert, minimieren. Nico soll wieder Vertrauen zu seinem Körper haben“, sagt Trainer Pellegrino Matarazzo, für den die Verletzung­sanfälligk­eit bei Gonzalez diverse Ursachen haben kann. „Es kann Zufall sein, kann aber auch andere Ursachen haben, wie Ernährung, Schlaf oder dass sein Muskelsyst­em nicht in Balance ist.“

Der Angreifer, der bislang mehr als die Hälfte der Saison verpasste, wird als Sonderfall betrachtet. Seine Anfälligke­it soll nun ganzheitli­ch betrachtet werden. Womöglich liegt die Wurzel allen Übels ganz woanders. Bisweilen reicht schon ein schief gewachsene­r Zahn, der permanent Entzündung­en im Körper verursache­n und damit auch Verletzung­en begünstige­n kann. Inwieweit die durch die Corona-pandemie entfallene Winterpaus­e und die Vielzahl an Spielen in kurzer Zeit eine Rolle bei der Verletzung­shäufigkei­t spielt, will beim VFB noch niemand abschließe­nd beurteilen. Die Erfahrung ohne Winterpaus­e sei neu, heißt es. Ganz gewiss aber würde die höhere Belastung bei der Trainingss­teuerung berücksich­tigt.

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