Heidenheimer Zeitung

Chronik des Scheiterns

Verliert der FC Schalke 04 jetzt auch bei Arminia Bielefeld, ist der vierte Abstieg in der Vereinsges­chichte des Traditions­klubs besiegelt. Schnelle Rückkehr ungewiss.

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Beim ersten Mal vergoss Charly Neumann bittere Tränen, beim zweiten Mal wurde Jürgen Sundermann doch nicht zum „Wundermann“, und beim dritten Mal halfen auch der junge Olaf Thon und der alte Klaus Fichtel nicht mehr: Drei schmerzhaf­te Abstiege aus der Fußball-bundesliga hat Schalke 04 schon erlebt, der vierte wird den wirtschaft­lich schwer angeschlag­enen Traditions­klub aber noch härter treffen.

„Die Lage ist diesmal schlimmer als damals“, sagt Ex-weltmeiste­r Thon. 1988 stieg er als junger Nationalsp­ieler mit den Königsblau­en ab, „es war grauenvoll“. Jetzt sorgt sich der 54-Jährige um die Zukunft seines Vereins, der mit einer Niederlage an diesem Dienstag (20.30 Uhr/sky) bei Arminia Bielefeld den erneuten Gang in die Zweitklass­igkeit besiegeln würde.

„Atemberaub­end schlecht“

Was der einstige Europapoka­l-stammgast seit Monaten bietet, nennt Thon „atemberaub­end schlecht“. Zwei Siege in den letzten 45 Bundesliga­spielen, 20 Niederlage­n in einer Saison, die noch nicht zu Ende ist, mittlerwei­le 217 Millionen Euro Schulden nach einem Minus von 52 Millionen im vergangene­n Geschäftsj­ahr – nicht nur dem Weltmeiste­r von 1990 wird angst und bange. Mit

Blick auf die langjährig­en Bundesligi­sten 1. FC Kaiserslau­tern und 1860 München, die in der Drittklass­igkeit verschwund­en sind, fügt er an: „Es kann immer noch schlechter werden.“

Der aktuelle Trainer Dimitrios Grammozis will über das mögliche vorzeitige Ende des Abstiegska­mpfes gar nicht reden. „Mit solchen Szenarien beschäftig­e ich mich nicht“, sagt der fünfte Coach der Saison, es sei „eine spezielle Situation“, er erwarte nach dem desolaten 0:4 in Freiburg eine gute Reaktion. „Wenn irgendwas eintreten sollte“, müsse man sich danach unterhalte­n.

Vor 33 Jahren, als Schalke zum letzten Mal abstiegen war, wechselte Thon „für vier Millionen Mark zum FC Bayern München, weil der Verein das Geld brauchte“. Mit derartigen Summen ist den Königsblau­en heute nicht mehr geholfen. Auch die fünf Millionen Mark Schulden, die den Klub beim ersten Abstieg 1981 drückten, wirken im Vergleich geradezu winzig.

Dennoch, glaubt Stürmerleg­ende Klaus Fischer, sei es jetzt so ähnlich. „Damals hat man Rolf Rüssmann und Rüdiger Abramczik verkauft, es war kein Geld da“, sagt der Schalker Rekordtors­chütze. Auch jetzt habe man herausrage­nde Spieler wie Leroy Sané, Julian Draxler und Thilo Kehrer abgegeben – „für viel Geld, und was ist geblieben?“

Wie im Sog eines Strudels

Konzeptlos­e Personalpl­anung, interne Streiterei­en und immer wieder große wirtschaft­liche Probleme – die Gründe für die Abstiege wiederholt­en sich. Auch heute. „Es ist schrecklic­h, was da abläuft“, urteilt der mittlerwei­le 71-jährige Fischer, „es waren lange keine Experten da, es wurde Geld verbrannt.“

Diesmal steigt Schalke wegen der Pandemie vergleichs­weise leise ab – ohne die Tränen des einstigen Unikums Neumann inmitten Tausender Fans (1981), ohne das Brimborium um „Wundermann“Sundermann (1983), ohne einen Altersreko­rd für die Ewigkeit, wie ihn „Tanne“Fichtel, damals 43, bei seinem traurigen Abschied aufstellte (1988). Aber mit noch größeren Sorgen und ungewisser Zukunft.

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Foto: Leon Kügeler/dpa Auch er konnte – meist allein auf weiter Flur – das Glück nicht zwingen: Erwin, das Schalke-maskottche­n.

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