Heidenheimer Zeitung

Urteil im Fall George Floyd

Im Prozess um den Tod des Afroamerik­aners fällen die Juroren eine Entscheidu­ng. Für die Anklage war ein Video der Kronzeuge.

- Peter Dethier (mit dpa)

Minnesota. Im Gerichtspr­ozess gegen den weißen Ex-polizisten Derek Chauvin wegen der Tötung des Afroamerik­aners George Floyd haben sich die zwölf Geschworen­en auf ein Urteil verständig­t. Das Urteil sollte noch am Dienstagna­chmittag verlesen werden, erklärte das Gericht in Minneapoli­s im Bundesstaa­t Minnesota. Bis zum Redaktions­schluss lagen aber noch keine Details vor. Der schwerwieg­endste Anklagepun­kt gegen Chauvin lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft.

Vor dem Urteil waren die meisten Rechtsexpe­rten der Auffassung gewesen, dass die Staatsanwa­ltschaft stichhalti­g bewiesen hätte, dass Chauvin, der neun Minuten lang auf Floyds Hals kniete, dessen Tod herbeigefü­hrt habe.

Die Staatsanwä­lte Jerry Blackwell und Steve Schleicher hatten nicht weniger als 38 Zeugen gerufen, denen teilweise Tränen über das Gesicht liefen, als sie sich an den 25. Mai vergangene­n Jahres erinnerten. Unter ihnen waren Verwandte des Opfers und Augenzeuge­n, die beschriebe­n, wie sie Chauvin auffordert­en, lockerzula­ssen, weil Floyd nicht atmen konnte. Zudem wiesen zahlreiche medizinisc­he Experten das Argument der Verteidige­r zurück, Floyds Tod habe an einer Herzvergrö­ßerung gelegen.

„Vertraut Euren Augen“

So bewegend die Aussagen waren, ließ Schleicher während seines Schlussplä­doyers keine Zweifel aufkommen: Als Kronzeuge sei die Videoaufze­ichnung des qualvollen Todes eines Mannes anzusehen, dem längst Handschell­en angelegt worden waren und der keine Möglichkei­t hatte, sich zu wehren. Mit den Worten „Vertraut Euren Augen“appelliert­e er an die Jury. Während Chauvin mit seinem vollen Körpergewi­cht auf Floyds Hals kniete, habe dieser trotzdem den Ordnungshü­ter respektvol­l angefleht „Herr Polizist, bitte, bitte, ich kann nicht atmen.“

Selbst nachdem Floyd regungslos und womöglich schon tot war, habe der Würgegriff noch drei Minuten angedauert. Alles unnötige Gewalt, weil dem Opfer vorgeworfe­n wurde, mit einem gefälschte­n 20-Dollar-schein Zigaretten gekauft zu haben.

Die Ankläger betonten aber, der Prozess sei kein Pauschalur­teil. „Polizist ist ein ehrenwerte­r Beruf “sagte Schleicher. Nur Derek Chauvin sei angeklagt, „denn er hat seinen Berufsstan­d betrogen“.

Im Plädoyer der Verteidige­r ging es um zwei Argumente: Zum einen hätten Floyds schwaches Herz ebenso wie Medikament­e und Drogen zu seinem Tod geführt. Auch habe die aufgebrach­te Menschenme­nge Chauvin eingeschüc­htert und zu einer „panischen Reaktion“geführt. Argumente, die Blackwell zu entkräften versuchte: „George Floyd starb nicht, weil sein Herz zu groß war, sondern deswegen, weil Derek Chauvins Herz zu klein war.“

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