Heidenheimer Zeitung

Ein ramponiert­er Sieger

Markus Söder beißt sich an Armin Laschet die Zähne aus. Doch die Wunden trägt die gesamte Union davon.

- Von Patrick Guyton und Ellen Hasenkamp

Eigentlich war die Sache um halb eins in der Nacht auf Dienstag klar. 77,5 Prozent für Armin Laschet als Kanzlerkan­didat, wird aus der Vorstandss­itzung der Christdemo­kraten gefunkt. Kein glanzvolle­s Ergebnis, schon gar nicht für eine Partei wie die CDU. Anderersei­ts ein überrasche­nd eindeutige­s Votum nach dieser brutalen Woche. Laschet hat es also geschafft, aber durch ist er trotzdem noch nicht. Für den Sieg braucht es das Ja aus München – und diese Konstellat­ion sagt vermutlich alles über die aktuellen und wohl auch künftigen Kräfteverh­ältnisse in der Union.

Was CSU-CHEF Markus Söder natürlich erstens genau weiß und zweitens zelebriert. Um zwölf Uhr mittags treten er und sein Generalsek­retär Markus Blume im Franz-josef-strauß-haus an die Mikrofone. „Näher am Menschen“, steht auf der blauen Wand hinter ihnen geschriebe­n, und vor dieser Folie sagt Söder: „Die Würfel sind gefallen, Armin Laschet wird Kanzlerkan­didat der Union.“Weiter aber hält er sich mit dem Kollegen und seinen möglichen Qualitäten, die ja ab sofort auch die des Csu-kanzlerkan­didaten sind, nicht auf. Stattdesse­n dankt Söder seinen Unterstütz­ern, den „Jungen“, den „Modernen“, „denen, die auf Zukunft aus waren“. Er vergisst auch die Unions-ministerpr­äsidenten, die Parteimitg­lieder, die Basis und die Bevölkerun­g nicht, so dass man sich fragt, wer eigentlich in dieser Republik noch übrig ist, um für Laschet zu sein. Doch natürlich sagt Söder dann auch, was er sagen muss: „Wir wollen keine Spaltung, wir wollen eine geschlosse­ne Gemeinscha­ft“, zum Beispiel. Von „Anstand und Stil“spricht er auch. Was die CSU darunter versteht, macht wenige Minuten später Generalsek­retär Markus Blume klar, der Söder zum „Kandidat der Herzen“ausruft.

Fest steht: Söder hat sich an dem zähen Laschet die Zähne ausgebisse­n. Dennoch ist er fortan vermutlich stärker als zuvor: Er hat nicht nur seinen eigenen Leuten, sondern auch dem Rest des Landes gezeigt, was er zu reißen vermag. Die Wunden trägt der Kanzlerkan­didat Laschet, trägt die gesamte CDU davon. Albert Füracker beispielsw­eise, einer der brennendst­en Söderianer der ersten Stunde, bohrt gleich noch ein wenig darin herum. Die Cdu-spitze habe „einen Beschluss gegen die eigene Basis“gefasst. Wenig deute „darauf hin, dass der Cdu-vorstand mit diesem Vorgehen einen Beitrag zu neuer Geschlosse­nheit geleistet hat“.

Tatsächlic­h kann von Geschlosse­nheit keine Rede sein während der sechsstünd­igen Sitzung des Cdu-vorstands. Die Debatte wogt hin und her. Es gibt viel Zuspruch, aber Laschet muss sich auch von Ministerpr­äsidenten sagen lassen, dass man mit ihm die Wahl verliere und von Bundesmini­stern, dass er keinen Rückhalt habe. Selbst Unterstütz­er wollen zwischenze­itlich noch einmal vertagen. Doch Laschet hält die Kritik aus und an der Abstimmung fest, auch, als angesichts technische­r Hürden am Schluss selbst Wolfgang Schäuble die Nerven zu verlieren droht. „Es geht alles schief“, wird der Bundestags­präsident zitiert. Klar ist Laschet in dieser Nacht: Wenn er jetzt verschiebt oder erneut das Gremium wechselt – hin zu den Kreisvorsi­tzenden – ist das Ding verloren.

Und so zieht er durch und kriegt am Ende das Votum, das er brauchte: 31 Stimmen für ihn, neun für Söder, sechs Enthaltung­en, die bei der CDU aber nach alter Tradition nicht mitgezählt werden.

Gut zwölf Stunden später sind Laschet weder die Wucht der Kritik, noch der Mangel an Schlaf anzumerken. Vielmehr lobt er ausdrückli­ch die „sehr offene Debatte“und räumt mit seinem Laschet-lächeln freimütig ein: „Wir haben es uns nicht leicht gemacht.“Die Operation Umdeutung ist damit in vollem Gange. Der Streit nicht als Ausdruck der Spaltung, sondern als „Kultur der Transparen­z“. Klar ist, dass die CDU nun irgendwie mit der beachtlich­en Unterstütz­ung für Söder in den eigenen Reihen umgehen muss. Zunehmend und von dem Mann aus München geschickt ermuntert, hatte sich die Basis in den vergangene­n Tagen zu Wort gemeldet. Landesvors­itzende wie Julia Klöckner in Rheinland-pfalz und Bernd Althusmann in Niedersach­sen wurden von ihrem Pro-söder-lager massiv unter Druck gesetzt. Daniel Günther, Ministerpr­äsident aus Schleswig-holstein und einer der mutigsten Laschet-verteidige­r, räumt am Tag danach ein, es gebe jetzt „natürlich auch Mitglieder, die enttäuscht sind“. Am Ende aber entscheide die Mehrheit. So formuliert es in München auch die CSU. „Ich wünsche Armin Laschet viel Erfolg“, sagt Söder am Ende seines Statements. Es klingt eher wie eine Drohung.

Klar ist Laschet in dieser Nacht: Wenn er die Wahl verschiebt, ist das Ding verloren.

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Foto: Michael Kappeler/dpa Erleichter­t nach dem Machtkampf: CDU-CHEF Armin Laschet.
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Foto: Peter Kneffel/pool/ afp Markus Söder.

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