Ein ramponierter Sieger
Markus Söder beißt sich an Armin Laschet die Zähne aus. Doch die Wunden trägt die gesamte Union davon.
Eigentlich war die Sache um halb eins in der Nacht auf Dienstag klar. 77,5 Prozent für Armin Laschet als Kanzlerkandidat, wird aus der Vorstandssitzung der Christdemokraten gefunkt. Kein glanzvolles Ergebnis, schon gar nicht für eine Partei wie die CDU. Andererseits ein überraschend eindeutiges Votum nach dieser brutalen Woche. Laschet hat es also geschafft, aber durch ist er trotzdem noch nicht. Für den Sieg braucht es das Ja aus München – und diese Konstellation sagt vermutlich alles über die aktuellen und wohl auch künftigen Kräfteverhältnisse in der Union.
Was CSU-CHEF Markus Söder natürlich erstens genau weiß und zweitens zelebriert. Um zwölf Uhr mittags treten er und sein Generalsekretär Markus Blume im Franz-josef-strauß-haus an die Mikrofone. „Näher am Menschen“, steht auf der blauen Wand hinter ihnen geschrieben, und vor dieser Folie sagt Söder: „Die Würfel sind gefallen, Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union.“Weiter aber hält er sich mit dem Kollegen und seinen möglichen Qualitäten, die ja ab sofort auch die des Csu-kanzlerkandidaten sind, nicht auf. Stattdessen dankt Söder seinen Unterstützern, den „Jungen“, den „Modernen“, „denen, die auf Zukunft aus waren“. Er vergisst auch die Unions-ministerpräsidenten, die Parteimitglieder, die Basis und die Bevölkerung nicht, so dass man sich fragt, wer eigentlich in dieser Republik noch übrig ist, um für Laschet zu sein. Doch natürlich sagt Söder dann auch, was er sagen muss: „Wir wollen keine Spaltung, wir wollen eine geschlossene Gemeinschaft“, zum Beispiel. Von „Anstand und Stil“spricht er auch. Was die CSU darunter versteht, macht wenige Minuten später Generalsekretär Markus Blume klar, der Söder zum „Kandidat der Herzen“ausruft.
Fest steht: Söder hat sich an dem zähen Laschet die Zähne ausgebissen. Dennoch ist er fortan vermutlich stärker als zuvor: Er hat nicht nur seinen eigenen Leuten, sondern auch dem Rest des Landes gezeigt, was er zu reißen vermag. Die Wunden trägt der Kanzlerkandidat Laschet, trägt die gesamte CDU davon. Albert Füracker beispielsweise, einer der brennendsten Söderianer der ersten Stunde, bohrt gleich noch ein wenig darin herum. Die Cdu-spitze habe „einen Beschluss gegen die eigene Basis“gefasst. Wenig deute „darauf hin, dass der Cdu-vorstand mit diesem Vorgehen einen Beitrag zu neuer Geschlossenheit geleistet hat“.
Tatsächlich kann von Geschlossenheit keine Rede sein während der sechsstündigen Sitzung des Cdu-vorstands. Die Debatte wogt hin und her. Es gibt viel Zuspruch, aber Laschet muss sich auch von Ministerpräsidenten sagen lassen, dass man mit ihm die Wahl verliere und von Bundesministern, dass er keinen Rückhalt habe. Selbst Unterstützer wollen zwischenzeitlich noch einmal vertagen. Doch Laschet hält die Kritik aus und an der Abstimmung fest, auch, als angesichts technischer Hürden am Schluss selbst Wolfgang Schäuble die Nerven zu verlieren droht. „Es geht alles schief“, wird der Bundestagspräsident zitiert. Klar ist Laschet in dieser Nacht: Wenn er jetzt verschiebt oder erneut das Gremium wechselt – hin zu den Kreisvorsitzenden – ist das Ding verloren.
Und so zieht er durch und kriegt am Ende das Votum, das er brauchte: 31 Stimmen für ihn, neun für Söder, sechs Enthaltungen, die bei der CDU aber nach alter Tradition nicht mitgezählt werden.
Gut zwölf Stunden später sind Laschet weder die Wucht der Kritik, noch der Mangel an Schlaf anzumerken. Vielmehr lobt er ausdrücklich die „sehr offene Debatte“und räumt mit seinem Laschet-lächeln freimütig ein: „Wir haben es uns nicht leicht gemacht.“Die Operation Umdeutung ist damit in vollem Gange. Der Streit nicht als Ausdruck der Spaltung, sondern als „Kultur der Transparenz“. Klar ist, dass die CDU nun irgendwie mit der beachtlichen Unterstützung für Söder in den eigenen Reihen umgehen muss. Zunehmend und von dem Mann aus München geschickt ermuntert, hatte sich die Basis in den vergangenen Tagen zu Wort gemeldet. Landesvorsitzende wie Julia Klöckner in Rheinland-pfalz und Bernd Althusmann in Niedersachsen wurden von ihrem Pro-söder-lager massiv unter Druck gesetzt. Daniel Günther, Ministerpräsident aus Schleswig-holstein und einer der mutigsten Laschet-verteidiger, räumt am Tag danach ein, es gebe jetzt „natürlich auch Mitglieder, die enttäuscht sind“. Am Ende aber entscheide die Mehrheit. So formuliert es in München auch die CSU. „Ich wünsche Armin Laschet viel Erfolg“, sagt Söder am Ende seines Statements. Es klingt eher wie eine Drohung.
Klar ist Laschet in dieser Nacht: Wenn er die Wahl verschiebt, ist das Ding verloren.