Als Ökumene noch ein Fremdwort war
Heute vor 300 Jahren starb Prediger Simon Böckh, der Mittlere. 1710 erhob er Anklage, weil katholische Maurer beim Bau des Glockenturms in der Stadtkirche gebetet hatten.
Blick ins Giengener Archiv: Heute vor 300 Jahren starb der evangelische Prediger Simon Böckh, der Mittlere.
Unter dem Stichwort Ökumene betonen die beiden großen Volkskirchen heute ihre Gemeinsamkeiten und feiern trotz dogmatischer Unterschiede zusammen Gottesdienste. Annäherungen dieser Art waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch kaum denkbar.
Der Giengener Heimatforscher Ulrich Stark stieß in der Biografie des Predigers Simon Böckh, des Mittleren, der heute vor 300 Jahren starb, auf eine seltsame Begebenheit. Sie mag als Beleg dafür dienen, wie schwer sich Protestanten und Katholiken einst taten, die nach der Reformation entstandenen Gräben zu überwinden.
Streit wegen Gebet
Beim Neubau des Glockenturms im Jahr 1710 bemerkte Simon Böckh eines Tages, dass die dort arbeitenden katholischen Maurer morgens und abends ein Vaterunser in der Kirche beteten. Das Gebet, dessen Wortlaut eigentlich die weltweite Gemeinde Jesu Christi über Konfessionsgrenzen hinaus verbindet, lieferte den Anlass zu einem handfesten Streit.
Simon Böckh sah in der Tatsache, dass Katholiken im evangelischen Gotteshaus ein Vaterunser sprachen, jedenfalls eine „verdammenswerte Entweihung“der protestantischen Stadtkirche und wollte es keinesfalls nur bei einer Ermahnung belassen. Er bezichtigte Pfarrer Schnapper und Bürgermeister Faber, die das Beten der Maurer erlaubt hatten, der Heuchelei und des Verrats am
Glauben und machte aus der Episode gewissermaßen eine Staatsaffäre, indem er offiziell Anklage erhob.
Gutachten eingeholt
Ein Gutachten, das aus Esslingen eingeholt wurde, kam allerdings zu einer ganz anderen Einschätzung als der Stadtkirche-prediger. Die Anklage wurde nämlich als „gänzlich unberechtigt“zurückgewiesen. Dabei hatten sich die Gutachter ihre Bewertung alles andere als leicht gemacht. Dies lässt sich schon aus der Tatsache ableiten, dass die Zurückweisung der Anklage mit nicht weniger als 19 Gründen akribisch belegt wurde.
So sehr man sich in heutiger Zeit über das Vorgehen Böckhs wundern mag: In Giengen genoss der Geistliche offenbar einen ausgesprochen guten Ruf bei der Ausübung seines seelsorgerischen Amtes. Im Giengener Totenbuch ist zu lesen, dass er über 35 Jahre lang ein „ein hochverdienter Prediger allhier“gewesen sei und „das Heilige Amt mit aller Treu und Eyfer unter göttlichem Segen verwaltet“habe.
Name heute noch gegenwärtig
Simon Böckh: Der Name ist bis heute in Giengen gegenwärtig – schon deshalb, weil es in der Stadt auch eine Simon-böckh-straße gibt. Dabei prägten allerdings gleich drei Prediger dieses Namens über drei Generationen (Vater, Sohn und Enkelsohn) das kirchliche Geschehen der evangelischen Christen in der ehemaligen Reichsstadt an der Brenz. Der Bekannteste ist sicherlich Simon Böckh, der Ältere (1627 – 1686). Ihm war es gelungen, bei einer Reise durch das Heilige Römische Reich genügend Spendengelder zu sammeln, die den Wiederaufbau der 1634 niedergebrannten Stadtkirche ermöglichten.
Als der „Bettelprediger“Ende Januar 1686 starb, wurde sein Sohn, genannt Simon Böckh, der Mittlere, sofort als dessen Nachfolger ins Predigeramt berufen. Dies war bemerkenswert, weil „der Mittlere“zu diesem Zeitpunkt sein Studium noch gar nicht mit dem Magistertitel beendet hatte.
Widerstand gegen Berufung
Dieses Manko machte offenbar dem zweiten Geistlichen an der Stadtkirche, Pfarrer Jakob Honold, zu schaffen. Er widersetzte sich der vorgesehenen Berufung und wollte stattdessen seinen bisherigen Helfer Johannes Schnapper durchsetzen.
Der Konflikt wurde erst gelöst, nachdem beide Aspiranten Probepredigten und Examina in der Stuttgarter Stiftskirche abgelegt hatten. Bei diesem „Wettstreit“konnte sich dann Böckh durchsetzen, wobei seinem „Konkurrenten“Johannes Schnapper zugesichert wurde, dass er der kommende Stadtpfarrer werden würde.
Böckh war also schon Prediger in Giengen, als er im August 1686 seine Magisterprüfung an der Universität Tübingen ablegte. Bis zu seinem Tod am 22. April 1721 wirkte er an der Stadtkirche. Am Karfreitag jenes Jahres infizierte er sich mit der „Hitzigen Krankheit“, besser unter dem Namen Typhus bekannt, am Ostersonntag predigte er zum letzten Mal.
Reicher Kindersegen
Als letzter Eintrag im Giengener Totenbuch ist vermerkt: „Lag über 12 Tag, bereitete sich christlich, bestellte sein Hauß, segnete die lieben Seinigen, auch seine Kirchenschäff, und starb zuletzt sanft und seelig in Christo Jesu, Mittwoch frühe nach 2 Uhr, alt 56 Jahr und 5 Monat.“