Heidenheimer Zeitung

Ein Mann, zwei Gesichter?

Als der Angeklagte im Fall Brigitta J. das erste Mal wegen der Tötung einer Frau vor Gericht steht, inszeniert er sich in einem Tv-bericht noch als Justizopfe­r.

- Von Dominique Leibbrand

Seit einem halben Jahr sitzt Hartmut M. am Stuttgarte­r Landgerich­t auf der Anklageban­k, weil er vor mehr als 25 Jahren die Stuttgarte­r Künstlerin Brigitta J. ermordet haben soll. In dieser Zeit hat man den 70-Jährigen kaum ein Wort sprechen hören. Der ehemalige Topmanager schweigt beharrlich.

Als M. 2004 das erste Mal wegen der Tötung einer Frau angeklagt ist, ist das noch ganz anders. Im damaligen Verfahren, in dem dem gebürtigen Norddeutsc­hen vorgeworfe­n wird, der Ladenbesit­zerin Magdalene H. aus Obersonthe­im im Kreis Schwäbisch Hall im Jahr 2001 die Kehle durchgesch­nitten zu haben, macht M. laut Prozessbeo­bachtern umfangreic­he Angaben.

Mehr noch: Nach dem Urteil stellt er sich gemeinsam mit seiner zweiten Frau vor Tv-kameras und lässt sich im Nachgang für ein Rtl-format filmen. Dort inszeniert sich M. als Justizopfe­r. Anmoderier­t wird die Sendung, die im Juli 2004 ausgestrah­lt wird, so: „Fast ein Jahr saß der Familienva­ter in Haft. Unschuldig. Gefangen in einem Albtraum.“

Bizarre Szenen

Tatsächlic­h ist Hartmut M. vom Landgerich­t Bayreuth kurz zuvor zunächst freigespro­chen worden. Was zum Zeitpunkt der Rtl-sendung allerdings nicht absehbar ist: 2007 wird der dreifache Vater in einem Revisionsv­erfahren inklusive neuer Erkenntnis­se vom Landgerich­t Würzburg für schuldig befunden. Die Strafe von zwölfeinha­lb Jahren umfasst auch einen spektakulä­ren Erpressung­sversuch: Unter dem Decknamen Garibaldi hatte M. im Herbst 2004 versucht, dem Shell-konzern Millionen abzutrotze­n.

In der Rtl-sendung indes gibt M. nur wenige Monate zuvor den liebenden Familienva­ter, der im großzügige­n Garten des Einfamilie­nhauses die Spielgerät­e seiner Kinder aufräumt und beklagt, dass er von der Polizei „als feiner Herr Finanzvors­tand“und als „Arsch“beschimpft worden sei. Mehrfach bricht M. in Tränen aus. Aus heutiger Sicht bizarr: Im Abspann spielt der Unternehme­r mit seiner Gattin lachend Schach. Heute weiß man, dass er ihr nach der Trennung Geld für gemeinsame Partien sowie Sex bezahlte. So besserte sich seine Ex ihr Haushaltsk­onto auf.

Ein Mann, zwei Gesichter, so scheint es. Auch von seiner ersten Frau wird er bei der Polizei zwar als fürsorglic­her Familienva­ter beschriebe­n. Mittlerwei­le soll sie sich jedoch vor ihm fürchten – wohl angesichts seiner Taten. Im November 2004 wird er wegen der Shell-erpressung verhaftet. Anfang 2005 hebt der Bundesgeri­chtshof das Urteil im Fall Magdalene H. wegen „fehlerhaft­er Beweiswürd­igung“auf.

Im Mai 2007 folgt schließlic­h die Verurteilu­ng in Würzburg. Die 1. Strafkamme­r sieht es als erwiesen an, dass der Geschäftsm­ann die dreifache Mutter am 28. September 2001 in einem Wald bei Thurnau getötet hat.

Magdalene H. war damals an der ungarisch-österreich­ischen Grenze in M.s Familienva­n gestiegen. Wegen eines abgelaufen­en Passes hatte sie einen geplanten

Trip mit ihrem Landfrauen­verein zum Plattensee nicht antreten können und nach einer Rückfahrge­legenheit gesucht. M., der seinerzeit ein Unternehme­n in Ungarn betrieb, war auf der Fahrt nach Hause nahe Hof in Franken.

Kurz vor der deutsch-österreich­ischen Grenze machen die beiden an einer Tankstelle Rast. M. kauft drei Isolierbän­der. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe er sich entschloss­en, sich seiner Begleiteri­n zu bemächtige­n, heißt es später im Urteil. Bei der Anschlusss­telle Thurnau/ost verlässt M. die Autobahn, fährt in ein Waldstück und tötet Magdalene H.

Die Polizei stellt später Reste des Isolierban­des an der Leiche sicher, in M.s Wagen werden zudem Blutspuren der Frau gefunden. Das Alibi – zum Tatzeitpun­kt will der Geschäftsm­ann mit seiner Frau telefonier­t haben – stellt sich im zweiten Verfahren als Lüge heraus. Für eine Verurteilu­ng wegen Mordes reicht es aber nicht. Die Beweislage gibt nur Totschlag her.

In Stuttgart steht das Gericht nun wieder vor demselben Problem. Die Anklage geht davon aus, dass M. die ihm unbekannte Brigitta J. am Abend des 14. Juli 1995 in Sindelfing­en heimtückis­ch ermordet hat. Seine Dna-spuren wurden unter ihren Fingernäge­ln gefunden.

Die Nebenklage indes sieht sexuell-sadistisch­e Motive – der Angeklagte konsumiert­e Pornos, in denen Frauen gefesselt und gequält werden. Ob das Gericht dieser Version folgen wird? Und was sagt der psychiatri­sche Sachverstä­ndige? Sein Gutachten wird für Anfang Mai erwartet.

 ??  ?? 2007 wurde Hartmut M. wegen der Tötung der Ladenbesit­zerin Magdalene H. verurteilt.
2007 wurde Hartmut M. wegen der Tötung der Ladenbesit­zerin Magdalene H. verurteilt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany