Spd/linke-fraktion ist geschwächt
Die längjährige Spd-stadträtin Dr. Waltraud Bretzger hat die Fraktion und die Partei verlassen. Grund ist ein Streit um den künftigen Fraktionsvorsitz nach der Ära Rudi Neidlein.
Die Mitteilung kam überraschend und kann als großer Knall verstanden werden – zumindest für die örtliche SPD: Stadträtin Dr. Waltraud Bretzger hat die Spd/linke-fraktion verlassen und ist zugleich aus der Partei ausgetreten, der sie viele Jahre lang angehörte. Damit ist die stärkste Fraktion im Heidenheimer Gemeinderat geschwächt und verfügt nun mit acht Mandatsträgern über ebenso viele Mitglieder wie die CDU/FDPUND die Grünen-fraktion.
Bretzger erklärt sich schriftlich
Aus einer schriftlichen Stellungnahme Bretzgers, die unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass es jüngst zu internen Querelen innerhalb der Fraktion gekommen ist. Mit dem derzeitigen Fraktionsvorsitzenden Rudi Neidlein jedoch haben diese wohl nichts zu tun, denn den bezeichnet Bretzger als „allseits hoch geschätzten Kollegen“, als „Freund und Wegbegleiter“. Doch Neidlein hat angekündigt, sich Ende Mai aus der Lokalpolitik zurückzuziehen.
„Werde nicht mehr gebraucht“
„Mit seinem Ausscheiden aus dem Gemeinderat steht die Spd-fraktion vor einem Neuanfang. Teile der Fraktion hegen den ausdrücklichen Wunsch, sich jünger und mit frischen Gesichtern aufzustellen. Auf diesem neuen Weg wird meine Mitwirkung offensichtlich nicht mehr gebraucht. Ich nehme das mit Bedauern, gleichzeitig aber mit Respekt zu Kenntnis“, schreibt Bretzger in ihrer Erklärung. Nach dieser „schmerzlichen Erfahrung“gehöre sie der Spd-fraktion und der Sozialdemokratischen Partei nicht mehr an.
Vom Rückzug überrascht
Die Wortwahl deutet darauf hin, dass einiges vorgefallen sein muss in der Fraktion. Das bestätigt auch Neidlein, der vom Rückzug Bretzgers selbst überrascht wurde. Ihm zufolge habe es im Vorfeld von Bretzgers Entscheidung eine interne Runde der noch verbleibenden Spd-stadträte und dreier Nachrücker gegeben. Denn die beiden Spd-stadträte Gabi Wegmann und Dr. Martin Zinkler sind in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats am Dienstag ausgeschieden.
Bretzger wollte Fraktionsvorsitz
In dieser Runde habe Bretzger gesagt, dass sie den Fraktionsvorsitz übernehmen wolle, aber es habe auch andere Interessenten gegeben, so Neidlein. „In dieser Diskussion muss es zu solch persönlichen Betroffenheiten gekommen sein, dass Frau Bretzger diesen Schritt getan hat“, erklärt der Noch-fraktionschef. Neidlein bedauert diesen Schritt, auch wenn er selbst nicht bei der Runde anwesend war: „Ich bin der
Meinung, dass die künftigen Stadträte ihre Zukunft selbst gestalten müssen, und es tut mir leid, dass das Ganze so eskaliert ist. Ich hätte das in den letzten sechs Wochen im Amt nicht mehr gebraucht.“
Neidlein bedauert auch sehr, dass die Fraktion durch das Ausscheiden
Bretzgers ein Mitglied verliert und damit nicht mehr stärkste Fraktion im Gemeinderat ist.
Weiterhin Stadträtin
Auch wenn sie Fraktion und Partei aufgrund des Streits den Rücken gekehrt hat, wird Bretzger weiterhin Stadträtin bleiben. „Bis zum Ende der Wahlperiode komme ich dem Auftrag meiner Wählerinnen und Wähler vom 26. Mai 2019 nach und suche als Stadträtin ohne Fraktionszugehörigkeit der Stadt Bestes“heißt es in ihrer Erklärung. Bretzger ist seit Juni 2009 Mitglied des Gemeinderats. Bei der letzten Wahl im Mai 2019 erhielt sie 4811 Stimmen.
Spd-kreischef war überrascht
Der Spd-kreisvorsitzende Florian Hofmann, der für Zinkler in den Gemeinderat nachrücken wird, war bei der Besprechung zugegen. „Wir waren in einem Prozess und einer Diskussion darüber, wie sich die Fraktion künftig inhaltlich und persönlich aufstellen wird. Das ist ein ganz normaler Vorgang, wenn eine Ära wie die von Rudi Neidlein zu Ende geht“, so Hofmann. Dabei sei es auch um den künftigen Fraktionsvorsitz gegangen. „Ich hätte nicht ausgeschlossen oder für unmöglich gehalten, dass Frau Bretzger gewählt worden wäre“, so der Spd-kreischef. In der Diskussion habe man sachliche Argumente gebracht, niemand sei persönlich angegriffen worden. Deshalb sei er ob ihrer Reaktion „total überrascht“gewesen, so Hofmann. „Ich bedauere das persönlich.“
Fraktionsführung als Team?
Hat am Ende er selbst Interesse daran, die Fraktion in Zukunft zu führen? „Ich hatte eigentlich keine Ambitionen, vor allen Dingen weil ich ja neu im Gemeinderat bin.“Aber einige Mitglieder der Fraktion hätten ihn darauf angesprochen.
Deshalb sei im Moment alles offen, auch durch den Weggang Bretzgers. „Ich könnte mir vielleicht vorstellen, dass wir die Fraktionsführung als Team machen, in dem ich mich einbringe“, so Hofmann. Eine Entscheidung jedenfalls sei bislang intern nicht gefallen.