Heidenheimer Zeitung

„Wir haben uns selber geschlagen“

Der 1. FC Heidenheim ließ gestern Abend im Topspiel gegen Tabellenfü­hrer VFL Bochum mehrere sehr gute Torchancen ungenutzt und musste sich letztlich mit 0:2 geschlagen geben.

- Von Edgar Deibert Dr. Volker Riedel, Heidenheim

Nach dem Spiel, als der Druck von ihm abzufallen schien, streckte Tim Kleindiens­t für einen Moment den Kopf mit geschlosse­nen Augen nach oben – und schnaufte durch. Dem 25-Jährigen war bewusst: Normalerwe­ise mache ich das Ding! Gemeint ist die Szene in der 75. Minute, als der Fch-stürmer freistehen­d aus kurzer Distanz an Bochums Ersatztorh­üter Patrick Drewes scheiterte. Und das beim Stand von 0:1. Den fast schon zwingenden Ausgleich hätte sich Heidenheim zu diesem Zeitpunkt verdient gehabt. Denn es war nicht die einzige sehr gute Tormöglich­keit der Gastgeber.

Am Ende zählte die Statistik 15 Heidenheim­er Torschüsse und nur 11 auf Bochumer Seite. „Es ist ein bisschen komisch. In den letzten zwei Spielen waren wir sehr effektiv. Heute haben wir aus vielen guten Chancen kein Tor gemacht“, stellte Frank Schmidt fest. Seine Mannschaft sei dem Tabellenfü­hrer nicht unterlegen gewesen, fügte der Fch-trainer an. Und mehr noch: Wir haben uns selber geschlagen.“

Handbruch bei Vfl-torwart

Dabei begann die Partie mit einem Aufreger: Bei einem Heidenheim­er Angriff trat Kleindiens­t unbeabsich­tigt Manuel Riemann auf die Hand. Der Bochumer Stamm-torhüter musste mit Verdacht auf einen Mittelhand­bruch in der 9. Minute ausgewechs­elt werden und wurde gleich ins Klinikum gebracht. Kleindiens­t selbst entschuldi­gte sich nach Spielende in einem Interview bei „Sky“bei Riemann. „Das tut mir leid für ihn, das war nicht beabsichti­gt“,

Musste bereits nach einigen Minuten wieder vom Platz: Bochums Stamm-torhüter Manuel Riemann. Der frühe Torwartwec­hsel schockte die Gäste allerdings nicht. Im Gegenteil, Ersatzkeep­er Patrick Drewes bekam von seinem Trainer, Thomas Reis, sogar ein Sonderlob, da er sehr viel Sicherheit ausgestrah­lt habe.

Ziemlich unsicher wirkte dagegen der FCH beim 0:1. Nach einem weiten Freistoß von Robert Zulj traf dessen Namensvett­er Robert Tesche in der 33. Minute per Kopf. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der FCH die bessere Mannschaft gewesen, betonte Schmidt, um seine Unverständ­nis über das Zustandeko­mmen des ersten Gegentreff­ers zum Ausdruck zu bringen: Zum einen war der Ball lange unterwegs und sprang zudem auch noch auf, ehe Tesche ihn per Kopf ins Tor beförderte. „Das darf uns nicht passieren, das hat uns beeindruck­t“, stellte der Heidenheim­er Coach fest. Was ebenfalls negativ ins Gewicht fiel: Vor dem Freistoß erlaubte sich der FCH einen leichtfert­igen Ballverlus­t.

Im weiteren Verlauf versuchten die Gastgeber einiges, um den Ausgleich zu erzielen. Schmidt wechselte mehrmals die taktische Formation und probierte es unter anderem mit einer Dreierkett­e in der Abwehr. Vorne vergaben die Heidenheim­er aber gute Möglichkei­ten – und kassierten letztlich in der 82. Minute das 0:2.

erklärte der

Fch-angreifer.

Schmidt hat sich geärgert

Während Bochums Coach Reis von einem „Sahnekonte­r“sprach, wird sein Trainerkol­lege das Zustandeko­mmen des Gegentreff­ers seinen Schützling­en wohl mehrmals vorspielen. Das Verhalten beim 0:2 habe ihn richtig geärgert, sagte Schmidt. Der 47-Jährige bemängelte eine Leichtfert­igkeit bei seinen Spielern. „Das sind nicht wir. Das darf uns nicht passieren auf diesem Niveau und wird intern deutlich angesproch­en.“Insgesamt habe sein Team ein gutes Spiel gezeigt. „Fußball wird aber durch Kleinigkei­ten, durch Fehler und das Ausnutzen von Fehlern entschiede­n“, erklärte der Fch-coach. „Da war uns Bochum als gestandene Mannschaft am Ende klar überlegen.“Das Pferd sei aber nur so hoch gesprungen wie es musste, benutzte Schmidt ein Bild aus einer anderen Sportart.

Fehler dürfe man bei ihm machen, fügte er an. „Manche Fehler passieren mir aber zu oft. Das hat mit Einstellun­g und Körperspra­che zu tun“, sagte Schmidt mit Blick auf „den einen oder anderen jungen Spieler“. Bis Samstag gilt es die Fehler abzustelle­n. Dann ist der FCH zu Gast in Nürnberg.

Bei den Spielern und Freunden des Hockeyspor­ts in Heidenheim läuten die Alarmglock­en, weil Übungsplat­z und Clubhaus den ausufernde­n Interessen des FCH geopfert werden sollen. Eine adäquate Alternativ­e ist nicht angeboten. Nach dem Sportplatz an der Erchenstra­ße, der Steinheime­rstraße, im Rauhbuch und jetzt auf den Heeräckern sollen die Hockeyspie­ler wieder durch die Stadt getrieben werden wie ein räudiger Hund. Man darf sich vorstellen, dies würde den Fußballern zu Teil werden.

Der Hockeyspor­t tat sich in Heidenheim schon immer schwer, doch bringen die Eltern ihre Kinder in großer Zahl zu den Übungseinh­eiten, weil sie die Erkenntnis mit vielen Vorständen von Internaten und Schulen teilen, dass dieser Mannschaft­sport wegen seines strengen Regelwerks der Sozialisat­ion der Jugend förderlich ist. Es ist wie beim Schachspie­l: Nur wer es spielt, kann seine Werte erkennen.

Die sportliche­n Erfolge der Heidenheim­er Hockeyspie­ler sind heute bescheiden, immerhin aber hat es eine Spielerin in die deutsche Nationalma­nnschaft gebracht. Heidenheim­er Fußballer haben das nicht geschafft. Beim FCH spielt ja nicht einmal ein Heidenheim­er in der Mannschaft.

Nur wenige Gemeinderä­te machen sich Gedanken über die finanziell­e Perspektiv­e, die nach kurzer Erstklassi­gkeit im Fußball und dem dann drohenden Durchgerei­chtwerden bis vielleicht in die Regionalli­ga für das jetzt schon riesige Sportareal entstehen. Beispiele dafür gibt’s ja zur Genüge und in Kaiserslau­tern müssen die Fußballer auf Plätzen trainieren, die früher den Heidenheim­er Hockeyspie­lern zugemutet wurden.

Die Leistungen des FCH, entscheide­nd gefördert durch die Stadt, sind unbestritt­en und werden in ganz Deutschlan­d hoch gelobt. Jetzt aber läuft der Verein Gefahr, die Fairness gegenüber anderen Sportarten seinen ehrgeizige­n Plänen zu opfern. Umweltbewu­sstsein hat schon lange keinen Stellenwer­t mehr. Der HSB hat Stellung bezogen. Wenn die Stadt Heidenheim eine Sportstadt sein will, muss sie sich auch daran messen lassen, wie sie sich auch anderen Sportarten als Fußball gegenüber darstellt.

Kaum zu glauben, dass auch ich fast alle Spiele des FCH anschaue.

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Fotos: Eibner/roger Bürke Einfach zum um Ball wegschlage­n: Das 0:1 kassierte der FCH um Oliver Hüsing (links) nach einem Freistoß.
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