Heidenheimer Zeitung

Liebe Ratssitzun­g,

- Christine Weinschenk

die Inzidenzen steigen, ebenso die Zahl der Patienten auf den Intensivst­ationen. Ab 21 Uhr darf man nur noch mit dem Hund raus und die Kinder müssen wieder daheim vor dem Laptop lernen. Seit Monaten herrscht Ausnahmezu­stand. Zumindest für die meisten. Dich, liebe Ratssitzun­g, beeindruck­t das alles offenbar wenig. Wie eine Festung stehst Du da und findest in den meisten Gemeinden nach wie vor und planmäßig statt. Geradezu todesmutig finden sich Ratsmitgli­eder in

Dir ein, um knallhart über Aufstellun­gsbeschlüs­se, Vorentwurf­sbeschlüss­e und Beschlüsse über die frühzeitig­e Beteiligun­g zu Bebauungsp­länen zu diskutiere­n. Mitunter geht es auch um die Errichtung eines Wohnmobil-carports im Bauverbot. Nein, das soll keine Kommunalpo­litik-schelte sein, liebe Ratssitzun­g. Vor Ort wird das Leben der Einwohner gestaltet und deshalb bist Du natürlich wichtig. Aber: Wenn eben gerade von der Politik gefordert wird, dass man zu Hause bleibt, solltest Du dann nicht mit gutem Beispiel vorangehen?

Schnell hat man im Frühjahr 2020 entschiede­n, mehr Platz zwischen den Räten zu schaffen und nur noch in Hallen zu tagen. Daran hält man eisern fest. Obwohl durchaus viel online geht: Automessen, Parteitage – alles digital. Auch Daxkonzern­e halten ihre Hauptversa­mmlungen online ab. Tatsächlic­h wurde die Gemeindera­tsordnung während der Pandemie extra so geändert, dass Sitzungen in Form von Videokonfe­renzen abgehalten werden können. Trotzdem bleiben vielerorts Präsenzsit­zungen das erklärte Ziel, auch um bei steigenden Infektions­zahlen diskussion­sund handlungsf­ähig zu bleiben. Das klingt einigermaß­en absurd, denn sollte sich die fiese kleine britische Mutante zufällig im Saal aufhalten, hilft auch der Abstand nichts. So geschehen im Alb-donaukreis. Nach einer Sitzung des Ortschafts­rats Granheim Anfang April wurden mehrere Personen positiv auf Corona getestet und sämtliche Mitglieder mussten in Quarantäne. Das klingt nicht besonders handlungsf­ähig. Immerhin hat am Montag ein Ausschuss des Heidenheim­er Kreistags erstmals online getagt. Es scheint also zu funktionie­ren. Andernorts werden Sitzungen abgesagt, weil offenbar doch nicht alles, was in Dir besprochen werden soll, absolute Dringlichk­eit hat. Aber noch mal zurück zur Handlungfä­higkeit: Auch Du, liebe Ratssitzun­g, wärst sicher in der

Lage, die Notbremse zu ziehen. Oder noch besser: Mach Dich auf ins 21. Jahrhunder­t und werde digital. Aber Du liest das ja eh nicht.

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