Heidenheimer Zeitung

München, Leipzig, Heidenheim

Im neuen Buch der Schauspiel­erin Jutta Kammann spielt ihre Geburtssta­dt eine Hauptrolle.

- Michael Brendel

Vor 77 Jahren, am 22. März 1944, kam die Schauspiel­erin Jutta Kammann in Heidenheim zur Welt. Im Interview verrät sie, welche Bedeutung sie ihrer Geburtssta­dt beimisst.

Frau Kammann, vor gut zehn Jahren ist in der Heidenheim­er Zeitung ein Porträt über Sie erschienen. Dieses führte wenig später zu einem Besuch in Heidenheim und zum Wiedersehe­n mit Ursel Emendörfer, ihrer Freundin aus jüngsten Kindheitst­agen, die mittlerwei­le Günzler hieß. Inwieweit hat sich dieses Erlebnis in Ihrer Autobiogra­fie niedergesc­hlagen?

Es ist die emotionale Seite an meinem Buch. Weil es nun mal sehr emotional ist, wenn man mit seinen Wurzeln konfrontie­rt wird. Ursel war damals ganz entzückend zu mir und hat mir zusammen mit ihrem Mann die Kellerräum­e gezeigt, in denen ich viele Jahre zuvor mit meiner Mutter und meiner Schwester gewohnt hatte. Eine berührende Erinnerung.

Normalerwe­ise schlüpfen Sie als Schauspiel­erin in vorgegeben­e Rollen. In Ihrem Buch geht es aber nicht um eine fiktive Person, sondern um Sie selbst. War es schwierig, Ihr Innerstes offenzuleg­en?

In meinem Buch sind Begebenhei­ten erwähnt, die ich zunächst eigentlich nicht veröffentl­ichen wollte. Meine Co-autorin, Dr. Margit Roth, die völlig anders gestrickt ist als ich, riet aber davon ab, eine weitere dieser typischen Schauspiel­erbiografi­en zu schreiben: Erst stand ich hier unter Vertrag, dann da, und schließlic­h spielte ich dort.

Weil der Verlag mir außerdem zusicherte, kein Wort gegen meinen Willen zu drucken, habe ich mich schließlic­h darauf eingelasse­n und viel mehr erzählt, als ich anfangs vorhatte. Dabei haben wir um jede einzelne Formulieru­ng gerungen, um den richtigen Ton zu treffen. Denn trotz der vielen negativen Erlebnisse in der Nachkriegs­zeit wollte ich auf keinen Fall, dass es nach Selbstmitl­eid klingt. Stattdesse­n war ich bemüht, immer das Positive herauszust­ellen. Bei allen Schwierigk­eiten.

Die hatten ja früh begonnen. „Vielleicht war mir schon damals klar“, schauen Sie auf Ihre Geburt, „dass das Leben nicht leicht werden würde, denn ich wollte das Licht der Welt partout nicht erblicken.“Ist es rückblicke­nd nicht gut, dass Sie sich dem Lauf der Natur am 22. März 1944 nicht erfolgreic­h widersetze­n konnten?

Das haben Sie schön ausgedrück­t. Ja, es war am Ende schon ganz gut so, wie es dann kam. Und schwierig war die Geburt natürlich in erster Linie für meine Mutter. Sie müssen sich vorstellen: Die Männer waren an der Front. Auch die Mediziner. Also standen als Geburtshel­fer nur ehemalige Militärärz­te zur Verfügung, die zum

Teil schon lange aus dem Berufslebe­n ausgeschie­den waren. Das war für eine werdende Mutter nicht leicht.

Weshalb haben Sie das Buch verfasst?

Ich hatte schon vor zehn Jahren angefangen, Aufzeichnu­ngen zu machen. Damals drehte ich noch regelmäßig in Leipzig, und wenn ich Zeit hatte, schrieb ich. In der Garderobe oder im Hotelzimme­r. Irgendwann kamen mir dann Zweifel, ob sich überhaupt jemand für meine schwierige­n Kindheitse­rinnerunge­n interessie­rt und das lesen will. Die Notizen ruhten deshalb lange in den Tiefen meines Computers.

Bis ich in München der Straßenzei­tung Biss (Bürger in sozialen Schwierigk­eiten) ein Interview gab. Es ging da um drei Frauenschi­cksale. Kurz darauf meldete sich der Kösel-verlag bei mir. Erst war ich nicht begeistert von der Idee, meine Lebensgesc­hichte

aufzuschre­iben. Aber in zwei langen Gesprächen ließ ich mich überzeugen. Und die ersten 70, 80 Seiten des daraufhin entstanden­en Buchs sind zu einem großen Teil damals in Leipzig entstanden.

Sie schreiben, München sei mittlerwei­le Ihre Heimatstad­t, gefolgt von Leipzig. Welchen Stellenwer­t hat Heidenheim?

Heidenheim ist und bleibt wie gesagt Emotion für mich. Deshalb würde ich dort auch gerne aus meinem Buch lesen, sobald das wieder möglich ist. Manchmal gibt es übrigens Zufälle, die dieses tiefe Gefühl in mir noch verstärken. Stellen Sie sich vor: In der Seniorenre­sidenz, in der ich hier in München mittlerwei­le lebe, lernte ich vor einiger Zeit eine Frau kennen, die mittlerwei­le zu meiner engsten Freundin geworden ist. Jetzt raten Sie mal, wo sie geboren ist. In Heidenheim!

Newspapers in German

Newspapers from Germany