München, Leipzig, Heidenheim
Im neuen Buch der Schauspielerin Jutta Kammann spielt ihre Geburtsstadt eine Hauptrolle.
Vor 77 Jahren, am 22. März 1944, kam die Schauspielerin Jutta Kammann in Heidenheim zur Welt. Im Interview verrät sie, welche Bedeutung sie ihrer Geburtsstadt beimisst.
Frau Kammann, vor gut zehn Jahren ist in der Heidenheimer Zeitung ein Porträt über Sie erschienen. Dieses führte wenig später zu einem Besuch in Heidenheim und zum Wiedersehen mit Ursel Emendörfer, ihrer Freundin aus jüngsten Kindheitstagen, die mittlerweile Günzler hieß. Inwieweit hat sich dieses Erlebnis in Ihrer Autobiografie niedergeschlagen?
Es ist die emotionale Seite an meinem Buch. Weil es nun mal sehr emotional ist, wenn man mit seinen Wurzeln konfrontiert wird. Ursel war damals ganz entzückend zu mir und hat mir zusammen mit ihrem Mann die Kellerräume gezeigt, in denen ich viele Jahre zuvor mit meiner Mutter und meiner Schwester gewohnt hatte. Eine berührende Erinnerung.
Normalerweise schlüpfen Sie als Schauspielerin in vorgegebene Rollen. In Ihrem Buch geht es aber nicht um eine fiktive Person, sondern um Sie selbst. War es schwierig, Ihr Innerstes offenzulegen?
In meinem Buch sind Begebenheiten erwähnt, die ich zunächst eigentlich nicht veröffentlichen wollte. Meine Co-autorin, Dr. Margit Roth, die völlig anders gestrickt ist als ich, riet aber davon ab, eine weitere dieser typischen Schauspielerbiografien zu schreiben: Erst stand ich hier unter Vertrag, dann da, und schließlich spielte ich dort.
Weil der Verlag mir außerdem zusicherte, kein Wort gegen meinen Willen zu drucken, habe ich mich schließlich darauf eingelassen und viel mehr erzählt, als ich anfangs vorhatte. Dabei haben wir um jede einzelne Formulierung gerungen, um den richtigen Ton zu treffen. Denn trotz der vielen negativen Erlebnisse in der Nachkriegszeit wollte ich auf keinen Fall, dass es nach Selbstmitleid klingt. Stattdessen war ich bemüht, immer das Positive herauszustellen. Bei allen Schwierigkeiten.
Die hatten ja früh begonnen. „Vielleicht war mir schon damals klar“, schauen Sie auf Ihre Geburt, „dass das Leben nicht leicht werden würde, denn ich wollte das Licht der Welt partout nicht erblicken.“Ist es rückblickend nicht gut, dass Sie sich dem Lauf der Natur am 22. März 1944 nicht erfolgreich widersetzen konnten?
Das haben Sie schön ausgedrückt. Ja, es war am Ende schon ganz gut so, wie es dann kam. Und schwierig war die Geburt natürlich in erster Linie für meine Mutter. Sie müssen sich vorstellen: Die Männer waren an der Front. Auch die Mediziner. Also standen als Geburtshelfer nur ehemalige Militärärzte zur Verfügung, die zum
Teil schon lange aus dem Berufsleben ausgeschieden waren. Das war für eine werdende Mutter nicht leicht.
Weshalb haben Sie das Buch verfasst?
Ich hatte schon vor zehn Jahren angefangen, Aufzeichnungen zu machen. Damals drehte ich noch regelmäßig in Leipzig, und wenn ich Zeit hatte, schrieb ich. In der Garderobe oder im Hotelzimmer. Irgendwann kamen mir dann Zweifel, ob sich überhaupt jemand für meine schwierigen Kindheitserinnerungen interessiert und das lesen will. Die Notizen ruhten deshalb lange in den Tiefen meines Computers.
Bis ich in München der Straßenzeitung Biss (Bürger in sozialen Schwierigkeiten) ein Interview gab. Es ging da um drei Frauenschicksale. Kurz darauf meldete sich der Kösel-verlag bei mir. Erst war ich nicht begeistert von der Idee, meine Lebensgeschichte
aufzuschreiben. Aber in zwei langen Gesprächen ließ ich mich überzeugen. Und die ersten 70, 80 Seiten des daraufhin entstandenen Buchs sind zu einem großen Teil damals in Leipzig entstanden.
Sie schreiben, München sei mittlerweile Ihre Heimatstadt, gefolgt von Leipzig. Welchen Stellenwert hat Heidenheim?
Heidenheim ist und bleibt wie gesagt Emotion für mich. Deshalb würde ich dort auch gerne aus meinem Buch lesen, sobald das wieder möglich ist. Manchmal gibt es übrigens Zufälle, die dieses tiefe Gefühl in mir noch verstärken. Stellen Sie sich vor: In der Seniorenresidenz, in der ich hier in München mittlerweile lebe, lernte ich vor einiger Zeit eine Frau kennen, die mittlerweile zu meiner engsten Freundin geworden ist. Jetzt raten Sie mal, wo sie geboren ist. In Heidenheim!