Ganz Heidenheim zeichnet ganz Heidenheim
Romina Ferrarotti von der Kunstwerkstatt „Blauer Traum“will kunstbegeisterte Menschen zum Kreativsein ermutigen.
Es beginnt mit einem Turm. Ganz schlicht, sechs Linien, ein Pfeiler, ein Dach. Dann noch eine Linie, dann noch eine und noch eine, schließlich die Flucht nach hinten. Mit jedem weiteren Detail wird klar: Hier entsteht eine Zeichnung. Und zwar eine vom Schloss Hellenstein. Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch nicht nur um eine Zeichnung, sondern vielmehr um eine Anleitung – zum Zeichnen.
Dahinter steckt Romina Ferrarotti von der Heidenheimer Kunstwerkstatt „Blauer Traum“. Ihre Vision: Ganz Heidenheim zeichnet – nun, ganz Heidenheim. Jede Woche lädt Ferrarotti auf ihrer Homepage die Anleitung für eine Zeichnung hoch. Wer möchte, darf der Anleitung folgen und das Resultat an Ferrarotti schicken. Stück für Stück soll dadurch jede Woche ein kleines Stück Heidenheim zeichnerisch verewigt werden.
Öfter mal innehalten
Nun liegt die Vermutung nahe, das Ferrarotti die Aktion „Wir zeichnen Heidenheim“nur deshalb ins Leben gerufen hat, weil ihre Kunstwerkstatt, die sich im Untergeschoss des Integrativen Hauses der Gesundheit befindet, derzeit coronabedingt schülerlos ist. Womit man richtig liegen würde, allerdings, so Ferrarotti, sei nicht nur Corona der antreibende Faktor. „Viele Menschen sind zurzeit sehr im Stress und nehmen ihre Umgebung kaum wahr.“Das gemeinsame Kunstprojekt solle dazu anregen, die schönen Orte und Momente in Heidenheim bewusster zu registrieren.
Dabei gibt es im Grunde nur eine Regel: Seid kreativ! Zumindest wünscht sich Romina Ferrarotti das von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Wer keine Lust auf Zeichnen hat, könne sich genauso gerne am Malen, Modellieren, Kneten oder Basteln versuchen. Alles kann also, nichts muss.
Genau diesen Ansatz verfolgt Ferrarotti nicht nur bei den Kinderund Erwachsenenkursen in der Kunstwerkstatt. Auch im Bastelkreis des Kindergartens in der Waldorfschule, den sie seit 2014 leitet, lautet Ferrarottis Credo: „Wir lernen hier nicht zeichnen oder malen, wir lernen, kreativ zu sein.“Getreu der Waldorfschul-philosophie gehen die Kinder dabei ihren eigenen Weg. „Ich will nicht nur Leiterin sein, sondern auf Augenhöhe interagieren. Die Kinder sollen sehen, dass ich so wie sie bin, und sie so wie ich“, erläutert Ferrarotti.
Was laut der gebürtigen Argentinierin bei Kindern gut funktioniert, stößt bei Erwachsenen jedoch gelegentlich auf Widerstand. „Eltern und generell Erwachsene zum Mitmachen zu überreden, ist schwieriger. Sie sind meistens recht stark in ihren Strukturen verwachsen“, so die Künstlerin. Ihr Trick: Einfach drauflosmalen, „die Leinwand schmutzig machen“, wie Ferrarotti es nennt. So nehme man den Menschen die Angst vorm weißen Papier.
Sämtliche Disziplinen
Mit Papier kennt sie sich aus. denn in ihrem siebenjährigen Kunststudium, das Ferrarotti in Argentinien absolviert hat, muss man sämtliche Kunstdisziplinen meistern, bevor man sich auf eine spezialisieren darf. Ferrarottis Wahl fiel schließlich auf Druckgraphik – und in gewissem Maße auch auf Pädagogik.
Bis heute habe sie es noch immer geschafft, bei jedem Menschen die kreative Ader zu finden. „Jeder hat das“, sagt Ferrarotti. „Und ich freue mich, wenn es herauskommt. Und noch mehr freue ich mich, wenn meine Schülerinnen und Schüler am Ende etwas noch besser können als ich.“