Aufstand von unten
Siebzehn Jahre haben sie Kindheit und Jugend unter der Erde verbracht. Nun kommen sie im Osten der USA billionenfach ans Licht, um drei bis vier Wochen der Paarung zu frönen, zu lärmen und zu sterben. „Selig bist du, liebe Kleine, die du auf der Bäume Zweigen, von geringem Trank begeistert, singend, wie ein König lebest“, jubelte eins Goethe in seinem Gedicht „An die Zikade“. Von der ist auch hier die Rede, wobei der Dichter in seiner poetischen Begeisterung einer Täuschung unterlag. Der vermeintliche Gesang wird durch ein eigenes Trommelorgan am Hinterleib der Männchen erzeugt und dient vor allem dem Posen vor den Weibchen. Wobei zu dieser hörbaren Entäußerung nur die Singzikaden fähig sind. Worüber wir froh sein sollten, denn es gibt immerhin 45 000 Zikadenarten.
Die nach 17 Jahren sich in den USA hervortuenden „Sänger“bringen es auf 100 Dezibel, was im Bereich von Kreissäge oder Presslufthammer liegt. Sie gehören zur Untergruppe der Rundkopfzikaden, die von den Spitzkopfzikaden zu unterscheiden sind. Da denken wir natürlich sofort an „die Rundköpfe und die Spitzköpfe“von Brecht – „Ein Gräuelmärchen“. Und wer denkt, die Invasion von Billionen Rundköpfen einmal in 17 Jahren wäre der Horror, sollte bedenken, dass es unter den vielen Zikadenarten auf der Welt auch jene gibt, die drei, vier oder sogar zwölfmal im Jahr Eier legen. Die meisten von ihnen still und unheimlich.