Keine Zeit für Stillstand
Ein Schreibtisch sagt auch etwas über seinen Nutzer aus – oder? In dieser Hz-serie werden Arbeitsplätze von Führungskräften aus der Region vorgestellt. Heute: Rainer Frick von der Frick Gmbh in Gerstetten.
Heute lässt der Heizungsbauer Rainer Frick aus Gerstetten auf seinen Schreibtisch blicken.
Beständig ist nur der Wandel. Rainer Frick könnte ein Buch schreiben über diesen Satz. Zeit seines Berufslebens begleitet ihn die Veränderung, ausgelöst durch technischen Fortschritt, Modetrends, wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Beispiel: Es gab Zeiten, da schossen die Einfamilienhäuser wie Pilze aus dem Boden. Im Moment sind Altbausanierungen ein großes Thema. „Wir haben uns immer wieder neu aufgestellt“, sagt der Unternehmer aus Gerstetten mit Blick auf die Firmengeschichte. Sein Vater Hugo hatte 1962 mit einem konventionellen Heizungsbetrieb selbstständig gemacht. Zügig baute er sich eine Existenz auf und war bald auch als Fachmann für Bäder gefragt. Rainer Frick hat diese Anfangsjahre gut in Erinnerung. Seine Kindheit verbrachte er spielend in der Werkstatt und auf dem Hof davor, in seiner Jugend verdiente er sich mit Zuarbeiten sein Taschengeld. Als er nach dem Abitur schließlich in Herbrechtingen eine Lehre als Heizungsbauer begann, war er schon beinahe Experte auf diesem Gebiet. Nach ein paar Praxisjahren schloss sich ein Energietechnik-studium in Esslingen an.
Aus freien Stücken Chef
„Ich wusste lange nicht, ob ich meinem Vater nachfolgen oder mir anderswo eine Anstellung suchen sollte. Die Branche bietet viele Möglichkeiten. Ein guter Installateur ist gefragt bei Stadtwerken, in der Industrie und bei Energieversorgern.“Rainer Frick entschied sich schließlich fürs
Bleiben. Mit dem Einstieg des Junior-chefs wurde nicht nur neu gebaut an der Wallbacher Straße in Gerstetten. Auch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit änderte sich: weg von der reinen Dienstleistung, hin zum kundenorientierten Gesamtpaket, weg vom wortkargen Handwerker im ölverschmierten Blaumann, hin zum versierten Gast im Hause des Kunden. Weiterentwicklung ist seitdem die Geschäftsgrundlage. Das Spannungsfeld Mensch-technik begeistert ihn auch heute noch. Rund 15 Jahre habe es gebraucht, die heutige Stammannschaft aufzubauen. Darunter sind auch ein paar ehemalige Auszubildende: „Wir haben inzwischen eine ganz andere Taktzahl. Das Vertrauen in unsere Mannschaft ist enorm.“Inzwischen arbeiten bei der Frick Gmbh neun ausgewiesene Experten im Heizungsbau, die sich mit fossilen Brennstoffen ebenso auskennen wie mit regenerativen Ideen. Kooperationen mit weiteren Gewerken sind seit Jahren Standard. Da wird nicht nur eine Anlage ausgetauscht, da werden auch gleich Böden gefliest, Wände gestrichen, Raumkonzepte entwickelt.
Das Portfolio wird optimal ergänzt durch ein exklusives Badstudio, das Rainer Fricks Ehefrau Martina betreibt. Nachdem die drei Kinder aus dem Haus waren, wollte sie nochmal etwas Neues wagen. Sie klinkte sich also in Gerstetten aus, wo sie über viele Jahre Kunden bei der Gestaltung eines neuen Bades begleitet hatte, und eröffnete Frickbadezimmer in der Ulmer Innenstadt. Mit ihrem feinen Gespür für Farben, Formen und Materialien kann sie überzeugen. Eine Beratung dauert gut und gerne 20 Stunden - inklusive Raumplanung, deren Besprechung und anschließender Bemusterung. Die Auftragsbücher sind voll. Die Ausführung erfolgt durch ein kleines Team von vier Mitarbeitern. Unterstützung kommt aus Gerstetten. Martina Frick meldet ihren Bedarf an Monteuren, Installateuren oder Innenausbauern, Ehemann Rainer plant entsprechend Personal ein.
„Allerdings weiß ich von den meisten Aufträgen so gut wie nichts“, sagt Rainer Frick. Grund: Das Ehepaar hat eine strenge Vereinbarung. Nach Feierabend wird nicht mehr übers Geschäftliche gesprochen, „sonst hat man sich irgendwann gar nichts mehr zu sagen“. Oft schließen sich Spaziergänge an oder Radtouren, je nach bewältigtem Tagespensum auch mal für eine Zeit lang schweigend. Weil Martina die viele Fahrerei irgendwann zur Last wurde, mietete sie eine Wohnung in Ulm an. Inzwischen pendelt das Ehepaar abwechselnd. Den Anfang der Woche verbringen Martina und Rainer Frick in Gerstetten, ab Donnerstag sind sie in Ulm, gearbeitet wird Montag bis Samstag. Gerne gehen sie am Wochenende dort über den Markt und genießen das lebendige gastronomische und kulturelle Angebot. So wie es sich einrichten lässt, verreisen sie spontan für ein paar Tage. Gebucht werden nur ein Flug und ein Mietwagen. Der Rest ergibt sich auf dem Weg. Und dann ist da noch der GTA, ein Weitwanderweg in Italien. 83 Etappen, verlassene Bergdörfer, es geht von Tal zu Tal. Der 56-Jährige weiß, dass ihn das Fernweh auch deshalb antreibt, weil er sein gesamtes Leben in Gerstetten verbracht hat: „Rückblickend wünschte ich, ich wäre mal für eine Zeit lang weggewesen.“
Der Schreibtisch des Chefs steht im hinteren Teil des Firmengebäudes und dominiert den Raum durch seine schiere Größe. Die riesige Holzplatte bietet nahe der Eingangstüre Platz für einen Computer und zieht sich dann bis weit nach hinten. Dort, am anderen Ende des Tisches, finden Besprechungen mit Kunden und Mitarbeitern statt. Auch hier können großzügig Unterlagen, Prospekte und mehr ausgebreitet werden. Der Schreiner, der den Schreibtisch fertigte, musste damals Überzeugungsarbeit leisten. So ein großer Schreibtisch für eine einzige Person? Heute ist Rainer Frick dankbar für die Idee des Handwerkers. Toll gelungen ist auch die Verteilung der breiten Fensterfronten. Nach vorne ist der Blick auf den Hof frei, hinten geht es hinaus auf eine große Wiese. Dadurch entsteht eine wohltuende Nähe zur Natur. Kurze Kreativpausen ermöglicht eine Fotografie von Michael Wesely. Der Berliner Künstler ist für seine Langzeitbelichtungen weltbekannt. Frick schätzt an dieser Arbeit die Verbindung von handwerklichem Können und Technik.
Vorträge für 150 Zuhörer
Die Gerstetter Frick Gmbh bietet regelmäßig Vorträge an rund um das Thema Heizung. Das Interesse ist groß. Zum letzten Termin vor Beginn der Corona-pandemie kamen etwa 150 Zuhörer, die nach Orientierung suchen in einer hochtechnisierten Welt. Früher gab es wenig Alternativen zu Standard-lösungen. Zur Not konnte ein geschickter Heimwerker auch mal selbst ein defektes Teil austauschen. Heute kommen mit Blockheizkraftwerken, Wärmepumpen, Brennstoffzelle und Kraftwärmekopplung immer neue Systeme und Techniken auf den Markt, die eine Abstimmung auf unterschiedlichste Bedürfnisse möglich machen. Heizungsbauer müssen sich fortlaufend weiterbilden, um die verschiedenen Anlagen einbauen und warten zu können.
Mit seinen 56 Jahren denkt der Energietechniker und Planer noch lange nicht an Ruhestand. Ein Nachfolger hat sich vermutlich trotzdem schon gefunden. Sohn Christian entschied sich nach einer Ausbildung zum Installateur für dasselbe Studium wie sein Vater: „Christian ist im Moment noch in Erfurt. Nach dem Studium möchte er hier mit einsteigen.“Rainer Frick hat sich für diesen Fall freilich schon einen Plan gemacht. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit wird er das Tagesgeschäft seinem Sohn überlassen und vermehrt Aufträge im Innenausbau annehmen. Hier eine Einbauküche, dort eine Garderobe, er gestaltet gerne Wohnraum, doch dafür war bisher immer zu wenig Zeit. Dass er dann selbst wieder mehr Zeit im Blaumann verbringt, hält er für ausgeschlossen: „Das Handwerk ist eine der wichtigen Grundlagen für unsere Arbeit. Aber die Planung und Entwicklung erfordert meine volle Aufmerksamkeit und Zeit.“
Ich wäre gerne mal weg gewesen.
Handwerklich bin ich unbegabt.
Nächste Woche zeigt Pia Kummer ihren Schreibtisch.