Heidenheimer Zeitung

Im Takt der Ferien

- Claus Liesegang zum Impfen von Kindern leitartike­l@swp.de

Es ist die Zeit, in der immer mehr Menschen in Deutschlan­d vollständi­g geimpft sind, und es ist die Zeit des nahenden Sommers. Es ist also die Zeit, in der Öffnungen, Erleichter­ungen und somit die Rückkehr unserer Freiheitsr­echte anstehen. Aber es ist auch schon wieder eine Zeit, in der die Regierende­n Fehler wiederhole­n, die sie seit Beginn der Pandemie immer wieder machen: Sie reagieren nur auf Entwicklun­gen der Corona-krise, haben aber – wie bereits bei der Beschaffun­g von Masken, Tests und Impfstoff oder bei der Konzeption von Homeschool­ing und Kinderbetr­euungsmode­llen – einmal mehr nicht rechtzeiti­g in die Zukunft geblickt, also präventiv Lösungen erarbeitet für die Themen und Lagen, die stets sehr vorhersehb­ar waren. Das eben gebilligte Aufholprog­ramm, das allenfalls ein Reparaturp­rogramm ist, belegt dies.

Dass eines Tages Menschen vollständi­g geimpft oder genesen sein werden und dass irgendwann auch Kinder geimpft werden können, ist ebenfalls seit Monaten klar. Trotzdem entschied die Bundesregi­erung auch hier erst Wochen zu spät nach zähem Geeiere darüber, ob und welche Rechte Durchgeimp­fte und Genesene zurückerha­lten sollen.

Fürs Impfen von Kindern gibt es hingegen noch nicht einmal eine Idee. Zu Buche steht nur ein Vorpresche­n des bayerische­n Ministerpr­äsidenten, der ankündigte, Schüler und Schülerinn­en ab Juni impfen zu wollen. Dabei sind es noch gerade mal sechs Wochen, bis in den ersten Bundesländ­ern – aber nicht in Bayern – die Sommerferi­en beginnen. Genau die sollte die maßgeblich­e Leitplanke fürs Impfen der Kinder sein. So lange nicht ausreichen­d Impfstoff für alle da ist, müssen Kinder, die zuerst Sommerferi­en

bekommen, auch zuerst geimpft werden.

Das hat nichts mit einem Privileg für Mecklenbur­g-vorpommern und Schleswig-holstein, Brandenbur­g, Berlin oder Hamburg zu tun. Auch nicht damit, dass nur so Familien unbeschwer­t zusammen in den Urlaub reisen können, weil die Eltern ja mit hoher Wahrschein­lichkeit dann auch bereits geimpft sind. Nein. Es geht darum, dass nach einem verkorkste­n, für manche sogar verlorenen, Schul- und Bildungsja­hr 2020/21 kein weiteres solches folgt. Nur wenn Kinder ab

Juni die erste Impfdosis erhalten, können sie kurz vor Schulbegin­n die

Es geht darum, dass nach einem verkorkste­n Schul- und Bildungsja­hr 2020/21 kein weiteres solches folgt.

zweite bekommen. Ausschließ­lich so besteht die Chance, dass das neue Schuljahr mit einem regulären Schulbetri­eb starten kann. Und der beginnt in Schwerin und Kiel nun mal sechs Wochen eher als in München und Stuttgart. Brandenbur­g, Berlin und Hamburg folgen binnen Wochenfris­t.

Wenn nun Markus Söder hier mal wieder vorprescht, dann ist das purer Egoismus. Mit Solidaritä­t hat das nichts zu tun. Klug ist es auch nicht. Müßig ist die Frage, ob er sich auch vordrängel­n würde, wäre er Kanzlerkan­didat der Union geworden. Keineswegs müßig ist aber die Frage, warum die anderen Ministerpr­äsidentinn­en, Ministerpr­äsidenten und Bildungsve­rantwortli­chen hier bis dato nur durch Ideenlosig­keit, Untätigkei­t und Schweigen auffallen.

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