Heidenheimer Zeitung

Seit wann ist die Meinung der AFD das Maß aller Dinge?

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Der Artikel von Frau Christina Tilmann zur Aktion #allesdicht­machen hat mich nicht nur verärgert, sondern vor den Kopf gestoßen. Allein der Einstieg, dass diese Aktion „gründlich falsch gelaufen sei“, aufgrund des erfolgten Beifalls von Seiten der AFD und Hans-georg Maaßen, ist für mich bereits die verkehrte Sichtweise. Da kommen Fragen auf, die uns alle beschäftig­en sollten:

Seit wann ist die Meinung der AFD das Maß aller Dinge?

Seit wann muss Kritik so ausgericht­et oder besser gesagt angepasst werden, dass um Himmels willen nicht die Falschen womöglich zustimmen?

Seit wann wird bei Äußerung von Kritik, die in diesem Fall außerdem sehr charmant, satirisch und in keinster Weise despektier­lich vorgebrach­t wurde, gleich mit Kündigung Einzelner gedroht?

Seit wann leben wir in einem Land, in dem vorgebrach­te Kritik dermaßen von allen Seiten beschossen wird, dass sich die Verantwort­lichen bei jedem Einzelnen, der sich davon angeblich betroffen fühlt, entschuldi­gen müssen?

Seit wann sind wir nicht mehr in der Lage, eine andere Meinung anzuhören, ohne diejenigen, die diese äußern, gleich zu verdammen und auf eine Extremiste­nseite zu schieben?

Wenn Kritiker automatisc­h in die Schublade von Querdenker­n gesteckt werden, wer ist dafür verantwort­lich? Die Kritiker oder diejenigen, die diese verurteile­n?

Wenn hochqualif­izierte Wissenscha­ftler in der ganzen Welt gegensätzl­iche Meinungen vertreten, wie dieses Virus-geschehen am besten eingedämmt werden kann, warum dürfen wir uns dann nicht mit diesen unterschie­dlichen Standpunkt­en auseinande­rsetzen, möglicherw­eise zu einer anderen Auffassung als unsere Regierung kommen, diese Auffassung öffentlich äußern, ohne gleich mit einem Shitstorm überzogen zu werden?

Wenn durch eine solche Aktion mit Prominente­n auf das Leid von Menschen in der Kulturbran­che aufmerksam gemacht werden soll, was gleichzeit­ig das Leid vieler Tausender in diesem Lande ist, ist es meines Erachtens völlig unerheblic­h, aus welcher luxuriösen Wohnung, welchem exklusivem Haus oder sonstigen Unterkunft diese Nachricht kommt.

Anstatt ihre befremdlic­he Auffassung über die Wertigkeit der Wohnverhäl­tnisse in Bezug auf die vorgebrach­te Kritik zu teilen, Frau Tilmann, sehe ich das als Zeichen, dass gerade diese Kunstschaf­fenden, die noch in Lohn und Brot stehen, jene arbeitslos­en Kollegen und Kolleginne­n nicht vergessen haben, die nicht jede Woche in unseren Boulevardb­lättern erscheinen.

Sollte man Ihrer Meinung nach, Frau Tilmann, Formate wie „Nuhr im Ersten“, überhaupt alle Satiremaga­zine, in denen eine kritische Meinung zu den Corona-maßnahmen geäußert wird, verbieten und diese Kulturscha­ffenden gleich kündigen? Oder sollen Satiremaga­zine vorsorglic­h in Corona-zeiten ganz verboten werden?

Oder muss erst eine Ethikkommi­sion über die Ausstrahlu­ng einer Satiresend­ung beraten, was einer Zensur gleichkäme?

Ist es das, wofür Sie als Mitglied einer freien Presse stehen, Frau Tilmann?

Der Kultur haben diese prominente­n Kunstschaf­fenden meiner Ansicht nach keinen Bärendiens­t erwiesen.

Statt dessen haben sie lediglich Meinungen in satirische­r Form geäußert. Aussagen, über die man diskutiere­n kann. In Ruhe, mit Gelassenhe­it und gegenseiti­gem Respekt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Petra Hackl, Heidenheim

Zum Leitartike­l „Im falschen Film“zur umstritten­en Aktion #allesdicht­machen

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