Heidenheimer Zeitung

Millionent­eure Rettung

Das Institut hat sich verzockt und musste gerettet werden. Jetzt steht die Fusion mit der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim an.

- Von Thomas Veitinger

Wer Heilbronn besucht, sieht Fachwerkhä­user, eine Skulptur des Käthchens von Heilbronn und den Bollwerkst­urm aus der einstigen mittelalte­rlichen Befestigun­g. An der S-bahn-haltestell­e „Harmonie“ist aber auch ein Gebäude zu sehen, das Kritiker als Zockerbude bezeichnen: die unauffälli­g ins Stadtbild integriert­e Volksbank mit ihrem großen schützende­n Vordach. Ein hoher zweistelli­ger Millionenb­eitrag ist nötig, damit das Institut eine Zukunft hat und eine Fusion mit der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim eingehen kann. Die Sicherungs­einrichtun­g des Bundesverb­ands der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken (BVR) – und damit alle genossensc­haftlichen Banken – muss bis zu 70 Millionen Euro zuschießen, um schiefgega­ngene Zinsgeschä­fte auszugleic­hen.

Die BVR möchte den Vorgang auf Anfrage zwar nicht kommentier­en. Im Geschäftsb­ericht der Volksbank Heilbronn für das Jahr 2019 heißt es aber auf Seite 15: „Die in den Jahren 2009 bis 2012, unter Annahme von steigenden Zinsen, abgeschlos­senen Zinsswaps zur Steuerung des Zinsbuchs, belasten auf Grund der anhaltende­n Niedrigzin­sphase weiterhin die Gewinn- und Verlustrec­hnung deutlich.“Im Jahresabsc­hluss 2017 tauchen Steuerrück­stellungen von fast 18,3 Millionen Euro auf. Die Zahlungsfä­higkeit der Bank und die Sicherheit der Kundeneinl­agen seien aber nie gefährdet gewesen. Die Volksbank hat sich vermutlich bei sogenannte­n Cum-cumgeschäf­ten verzockt – und ist damit nicht alleine. Bis 2016 waren solche Geschäfte gängige Praxis, viele Banken nutzten sie, um ihre Steuerlast zu drücken. Insgesamt könnten dem deutschen Fiskus durch Cum-ex- und Cum-cumgeschäf­te ein Schaden von 10 Milliarden Euro entstanden sein. Bei Cum-cum werden die Aktien kurz vor der Dividenden­ausschüttu­ng als Wertpapier­leihe nach Deutschlan­d übertragen. Ein ausländisc­her Investor muss keine Steuer zahlen, die deutsche Bank erhält einen Anteil an der Kapitalert­ragsteuer. Dieses Vorgehen ist aber nicht legal, wenn keine wirtschaft­lichen Gründe vorliegen, hat der Bundesfina­nzhof 2015 festgestel­lt. Im Jahr 2019 gab die Finanzaufs­icht Bafin bekannt, dass in Deutschlan­d 60 Banken an Cum-cum-geschäften beteiligt waren – die Volksbank in Heilbronn war eine davon.

Dies streitet das Institut mit einer Bilanzsumm­e von knapp 2 Milliarden Euro auch nicht ab. „Die Volksbank Heilbronn war Verleiher von festverzin­slichen Wertpapier­en gegen Einlieferu­ng von Aktien in ein Pfanddepot“, teilte sie einst mit. Die Absicherun­g des Zinsniveau­s durch Zinsderiva­te und Zinssicher­ungsgeschä­ften hätten sich negativ entwickelt. Daneben gebe es „Wertpapier­leihgeschä­fte bei denen vor einigen Jahren bereits umfangreic­he Zahlungen an die Finanzbehö­rden geleistet wurden“, heißt es von der Bank. Eine abschließe­nde Beurteilun­g durch das Finanzamt werde noch im Rahmen einer Betriebspr­üfung festzustel­len sein. Die Kosten seien offen. Durch umfangreic­he Zahlungen der Bank und des BVR könne aber davon ausgegange­n werden, dass die Zukunft der neuen Bank nicht belastet werde. Einer Fusion mit der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim stehe nichts mehr im Wege. Die Sanierung der Bank – die diese selbst „Neuausrich­tung“ nennt – sei die Voraussetz­ung für die Fusion, sagt Eberhard Spies, Vorstandsv­orsitzende­r der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim. Personell habe sich das Institut bereits vor Jahren von den Verantwort­lichen für das Dilemma getrennt. Fusionen gebe es heute aus regulatori­schen Gründen, wegen der Digitalisi­erung der Geschäftsp­rozesse und der nötige Kapitalaus­stattung immer häufiger.

„Wenn unsere Kunden mehr Kapital brauchen, müssen wir es ihnen zur Verfügung stellen und das geht nur in großen Banken“, betont Spies. Wenn 75 Prozent der Mitglieder­vertreter bis zum 19. Mai zustimmen, werde die Fusion rückwirken­d zum 1. Januar vollzogen.

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Foto: Heribert Lohr Die Volksbank Heilbronn ist seit Jahren auf einem neuen Kurs.

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