Millionenteure Rettung
Das Institut hat sich verzockt und musste gerettet werden. Jetzt steht die Fusion mit der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim an.
Wer Heilbronn besucht, sieht Fachwerkhäuser, eine Skulptur des Käthchens von Heilbronn und den Bollwerksturm aus der einstigen mittelalterlichen Befestigung. An der S-bahn-haltestelle „Harmonie“ist aber auch ein Gebäude zu sehen, das Kritiker als Zockerbude bezeichnen: die unauffällig ins Stadtbild integrierte Volksbank mit ihrem großen schützenden Vordach. Ein hoher zweistelliger Millionenbeitrag ist nötig, damit das Institut eine Zukunft hat und eine Fusion mit der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim eingehen kann. Die Sicherungseinrichtung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) – und damit alle genossenschaftlichen Banken – muss bis zu 70 Millionen Euro zuschießen, um schiefgegangene Zinsgeschäfte auszugleichen.
Die BVR möchte den Vorgang auf Anfrage zwar nicht kommentieren. Im Geschäftsbericht der Volksbank Heilbronn für das Jahr 2019 heißt es aber auf Seite 15: „Die in den Jahren 2009 bis 2012, unter Annahme von steigenden Zinsen, abgeschlossenen Zinsswaps zur Steuerung des Zinsbuchs, belasten auf Grund der anhaltenden Niedrigzinsphase weiterhin die Gewinn- und Verlustrechnung deutlich.“Im Jahresabschluss 2017 tauchen Steuerrückstellungen von fast 18,3 Millionen Euro auf. Die Zahlungsfähigkeit der Bank und die Sicherheit der Kundeneinlagen seien aber nie gefährdet gewesen. Die Volksbank hat sich vermutlich bei sogenannten Cum-cumgeschäften verzockt – und ist damit nicht alleine. Bis 2016 waren solche Geschäfte gängige Praxis, viele Banken nutzten sie, um ihre Steuerlast zu drücken. Insgesamt könnten dem deutschen Fiskus durch Cum-ex- und Cum-cumgeschäfte ein Schaden von 10 Milliarden Euro entstanden sein. Bei Cum-cum werden die Aktien kurz vor der Dividendenausschüttung als Wertpapierleihe nach Deutschland übertragen. Ein ausländischer Investor muss keine Steuer zahlen, die deutsche Bank erhält einen Anteil an der Kapitalertragsteuer. Dieses Vorgehen ist aber nicht legal, wenn keine wirtschaftlichen Gründe vorliegen, hat der Bundesfinanzhof 2015 festgestellt. Im Jahr 2019 gab die Finanzaufsicht Bafin bekannt, dass in Deutschland 60 Banken an Cum-cum-geschäften beteiligt waren – die Volksbank in Heilbronn war eine davon.
Dies streitet das Institut mit einer Bilanzsumme von knapp 2 Milliarden Euro auch nicht ab. „Die Volksbank Heilbronn war Verleiher von festverzinslichen Wertpapieren gegen Einlieferung von Aktien in ein Pfanddepot“, teilte sie einst mit. Die Absicherung des Zinsniveaus durch Zinsderivate und Zinssicherungsgeschäften hätten sich negativ entwickelt. Daneben gebe es „Wertpapierleihgeschäfte bei denen vor einigen Jahren bereits umfangreiche Zahlungen an die Finanzbehörden geleistet wurden“, heißt es von der Bank. Eine abschließende Beurteilung durch das Finanzamt werde noch im Rahmen einer Betriebsprüfung festzustellen sein. Die Kosten seien offen. Durch umfangreiche Zahlungen der Bank und des BVR könne aber davon ausgegangen werden, dass die Zukunft der neuen Bank nicht belastet werde. Einer Fusion mit der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim stehe nichts mehr im Wege. Die Sanierung der Bank – die diese selbst „Neuausrichtung“ nennt – sei die Voraussetzung für die Fusion, sagt Eberhard Spies, Vorstandsvorsitzender der VR Bank Schwäbisch Hall-crailsheim. Personell habe sich das Institut bereits vor Jahren von den Verantwortlichen für das Dilemma getrennt. Fusionen gebe es heute aus regulatorischen Gründen, wegen der Digitalisierung der Geschäftsprozesse und der nötige Kapitalausstattung immer häufiger.
„Wenn unsere Kunden mehr Kapital brauchen, müssen wir es ihnen zur Verfügung stellen und das geht nur in großen Banken“, betont Spies. Wenn 75 Prozent der Mitgliedervertreter bis zum 19. Mai zustimmen, werde die Fusion rückwirkend zum 1. Januar vollzogen.