Alles fließt
Meist nehmen wir die Kanalisation gar nicht wahr. Dabei ist sie wichtig: Sie führt sauberes Regenwasser in Flüsse und Abwasser in die Kläranlage. Für Bau und Instandhaltung sind Kanalbauer zuständig.
Ob Kunststoff, Keramik oder Beton: Damit Rohre zu Abwasserleitungen und -systemen werden, braucht es Experten. Kanalbauer arbeiten im Tief-, Straßenund Wasserbau und kümmern sich dabei vom kleinen Hausanschluss bis hin zu großen Abwassersammlern.
Der Bau der Kanalisationen, die das Abwasser in Kläranlagen leiten, ist für die Gesellschaft immens wichtig. „Ohne den Kanalbauer geht es nicht“, sagt Issam Bhihi. Er ist im ersten Lehrjahr seiner Ausbildung in einer Hochund Tiefbau-firma in Hamm. Die Vielfalt der Aufgaben schätzt er sehr. Kanalbauer konstruieren, sanieren und modernisieren Kanalsysteme und sorgen dafür, dass das Abwasser umweltgerecht den Weg in die Reinigung findet. Das Grundwasser, das wir als Trinkwasser brauchen, wird damit vor Verunreinigung geschützt.
Im Kanalbau führt man vorwiegend Tiefbauarbeiten aus, sagt Sandra Schelonka, Ausbildungsberaterin beim Berufsförderungswerk der Bauindustrie Nordrheinwestfalen. Gruben und Schächte müssen ausgehoben, trockengelegt und gesichert werden, bevor die Rohre verlegt werden können. Dies geschieht oft unter Einsatz moderner Technik und Baumaschinen. Gleichwohl gehört auch viel Handarbeit dazu. Da sind körperliche Fitness und Belastbarkeit gefragt, der Beruf ist anstrengend. Auch Spaß an der Arbeit im Freien ist eine wichtige Voraussetzung.
Steffen Hallermann hat der Umweltgedanke in der Abwasserwirtschaft schon immer interessiert. Er absolviert ein duales Studium. Neben der Ausbildung zum Kanalbauer in Hamm besucht er die Hochschule und macht dort einen Bachelor of Engineering. „Nach vier Jahren ist man ausgelernter Geselle, hat gleichzeitig seinen Bachelortitel und die Ausbildung selbst finanziert“, sagt er.
Im innerstädtischen Kanalbau sei alles auf engem Raum gebaut, sagt Hallermann. „Genau diese Herausforderung zur Erstellung neuer Sonderbauwerke macht den Reiz aus.“Kanalbauer müssen sehr präzise arbeiten und sich exakt an den Bauzeichnungen orientieren, damit in den Leitungen alles ordentlich fließen kann.
Mit speziellen Vermessungsgeräten wird zum Beispiel das notwendige Gefälle richtig bestimmt. Mathematisches Grundverständnis, räumliches Vorstellungsvermögen und handwerkliches Geschick sollten Interessierte mitbringen. Rein formal wünschen sich Arbeitgeber von den Bewerbern überwiegend einen Hauptschulabschluss, ein Praktikum im Baubereich ist von Vorteil. Manche Betriebe erwarten auch einen mittleren Schulabschluss. In den ersten zwei Jahren lernen Auszubildende alles, was sie für die Abschlussprüfung zum Tiefbaufacharbeiter mit Schwerpunkt Kanalbauarbeiten wissen müssen. Im dritten Ausbildungsjahr folgt die Spezialisierung für den Abschluss als Kanalbauer: Da geht es etwa um das Herstellen von Schachtbauwerken, den Einbau von Abwasserleitungen und das Sanieren und Instandsetzen von Kanälen.
Die Ausbildung erfolgt einerseits im Betrieb, wo Azubis vor allem die praktischen Tätigkeiten wie Rohre verlegen, Baugruben anlegen oder Schächte mauern erlernen, sagt Shenadi Osmani, Leiter der Berufsausbildung im Hammer Betrieb. Im überbetrieblichen Ausbildungszentrum und der Berufsschule dreht sich hingegen alles um Gewerke übergreifende Tätigkeiten, etwa aus dem Straßen-, dem Rohrleitungsoder dem Brunnenbau. „Im Team arbeitet man an Projekten, die eventuell mehr als 100 Jahre Bestand haben“, sagt Osmani. Die Berufsaussichten für angehende Kanalbauer sind wie fast überall in der Baubranche gut. „Viele Kanäle sind extrem marode. Es ist ein krisensicherer Job“, sagt Gunther Sibilski, der als Ausbilder im Kanalbau beim Berufsförderungswerk der Bauindustrie NRW tätig ist.
Typisch für die Baubranche ist: „Trotz großer Bemühungen der Unternehmen entscheiden sich fast ausschließlich Männer für eine Ausbildung zum Kanalbauer. In den Jahren 2017 bis 2019 waren alle neuen Auszubildenden männlich“, sagt Moritz Lohe, Leiter Berufsbildung beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie.
Die Vergütung für die Nachwuchskräfte ist vergleichsweise hoch. Die Bundesagentur für Arbeit gibt für tarifgebundene Betriebe Orientierungswerte von etwa 805 bis 890 Euro brutto pro Monat im ersten Lehrjahr an. Im dritten Ausbildungsjahr verdienen angehende Kanalbauer je nach Bundesland und Betrieb bis zu 1495 Euro. „Nach einer abgeschlossenen Ausbildung gibt es viele Karrierewege“, sagt die Ausbildungsberaterin Sandra Schelonka. „Zum Beispiel eine Qualifizierung zum Vorarbeiter, Werkpolier oder Geprüften Polier. Auch ein Studium zum Bauingenieur ist eine Option.“