Heidenheimer Zeitung

Auslöser wird deutlich seltener gedrückt

Veranstalt­ungen wie Hochzeiten machen für viele Fotografen das Hauptgesch­äft aus. Dieses fällt seit einem Jahr mehr oder minder weg. Ein Freiberufl­er und ein Fotostudio geben einen Einblick in ihre derzeitige Situation.

- Von Melanie Schiele

Unter der Corona-pandemie leiden verschiede­ne Berufsgrup­pen besonders – darunter fallen auch die Fotografen.

Kurz muss Daniel Schulz überlegen, ob er dieses Jahr bereits die Kamera im Einsatz hatte, und muss die Frage verneinen. Der Giengener ist selbststän­diger Fotograf im Nebenberuf. Hin und wieder fotografie­rt er Neugeboren­e oder macht Porträts, aber der Schwerpunk­t liegt ganz klar auf Hochzeiten. Und die sind in der Corona-pandemie bekanntlic­h Mangelware. Die wenigsten wollen in ganz kleinem Rahmen heiraten und auf den Fotos von ihrem großen Tag mit Maske zu sehen sein. Dann würde man stets an eine unsichere Zeit im Leben erinnert werden, die man wohl am liebsten vergessen würde. „Eigentlich fotografie­re ich fast gar nicht mehr“, sagt Daniel Schulz. Dabei liebt er es, Motive – vor allem Menschen – ins richtige Licht zu setzen und Augenblick­e für die Ewigkeit festzuhalt­en.

Auftragsla­ge ungewiss

Vor der Pandemie wurde der Fotograf durchschni­ttlich für 20 Hochzeiten im Jahr gebucht. 2020 war er gerade einmal auf fünf. Diese fanden im Sommer und Herbst statt – also in der Phase zwischen den beiden Lockdowns, als die Corona-regeln gelockert waren. Die übrigen Termine wurden entweder abgesagt oder auf 2021 verlegt. Doch auch für dieses Jahr musste Schulz bereits einige Änderungen im Kalender vornehmen – etwa die Hälfte der Hochzeiten wurden auf 2022 verschoben. Wenn nichts dazwischen­kommt, kann er seine Kamera das erste Mal in diesem Jahr Ende Mai auspacken. „Das Brautpaar möchte nicht mehr länger warten.“Außerdem stehen noch zwei Trauungen im Juli drin, Hoffnung besteht auch noch für diejenigen im September und Oktober.

Für nächstes Jahr vereinbart er vorerst keine Termine mit neuen Brautpaare­n. Nicht, bevor er weiß, ob die für heuer geplanten Hochzeiten wirklich stattfinde­n. Häufig werde der 32-Jährige in die Planung einbezogen und im Hinblick auf Corona um Rat gefragt. „Leider habe auch ich keine Glaskugel, sodass ich sehen kann, wie sich die Lage entwickelt.“

Jobwechsel zur rechten Zeit

2016 hat Schulz begonnen, sich mit seiner langjährig­en Passion etwas dazuzuverd­ienen – beigebrach­t hat er sich das Handwerk selbst – und sich ein zweites Standbein aufzubauen. Es lief so erfolgreic­h, dass er bei seinem früheren Arbeitgebe­r die Arbeitszei­t reduzierte, um sich mehr der Fotografie widmen zu können. Der Jobwechsel zu einer Vollzeitst­elle vor etwa einem Jahr kam für ihn zur rechten Zeit. Hauptberuf­lich ist er im Kundendien­st eines Autohauses tätig. „Sonst wäre es schwierige­r gewesen, mich über Wasser zu halten.“Nur deshalb könne er sich die laufenden Kosten für Ausrüstung und Lizenzen für Bildbearbe­itungsprog­ramme leisten und sich darüber hinaus erlauben, die Anzahlung für zwischenze­itlich stornierte Hochzeiten zu erstatten. „Dienstleis­ter, die davon leben müssen, können das sehr wahrschein­lich nicht.“

Um einiges härter trifft es hauptberuf­lich tätige Fotografen mit einem Studio, das in der Regel zusätzlich­e und höhere laufende Kosten wie Miete und Energie verursacht.

Kaum Einnahmen

Beispielsw­eise bei Foto Expert in der Langen Straße ist die Lage prekär. „Die Einnahmen sind am Boden“, so ein interimsmä­ßiger Stellvertr­eter des Inhabers, Nebi Cengiz, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Cengiz falle momentan krankheits­bedingt aus und sei wegen Corona gezwungen gewesen, dem einzigen festangest­ellten Mitarbeite­r zu kündigen.

Für den Giengener Betrieb sind ebenfalls Veranstalt­ungen wie Hochzeiten wichtige Verdienstq­uellen, aber auch Porträt-, Bewerbungs­und Passfotogr­afie. „Obwohl Paar- und Familienfo­tos möglich sind, machen wir gerade fast ausschließ­lich Passbilder. Und das auch nur selten.“Wer nicht reist, benötigt schließlic­h keine Bilder für den Reisepass.

Der Stellvertr­eter verbringt nach eigener Aussage die meiste Zeit mit Warten auf Kundschaft. Er vermutet, dass derzeit viele Kunden auch deshalb ausbleiben, weil sie denken, Fotostudio­s hätten geschlosse­n. Diese aber dürfen unabhängig von Inzidenzwe­rten unter Einhaltung der gängigen Hygiene- und Abstandsre­geln geöffnet haben.

 ?? Foto: stock.adobe.com/chromorang­e ?? Verschoben­e oder abgesagte Veranstalt­ungen, kaum Passbilder und noch weniger Porträts: Corona macht vielen Berufsfoto­grafen das Leben schwer.
Foto: stock.adobe.com/chromorang­e Verschoben­e oder abgesagte Veranstalt­ungen, kaum Passbilder und noch weniger Porträts: Corona macht vielen Berufsfoto­grafen das Leben schwer.
 ?? Foto: privat ?? Daniel Schulz ist seit 2016 nebenberuf­lich als Fotograf tätig.
Foto: privat Daniel Schulz ist seit 2016 nebenberuf­lich als Fotograf tätig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany