Seit 35 Jahren Orangen für Bhalukapara
Schüler des Werkgymnasiums und der ehemaligen Adalbert-stifterRealschule verkaufen Früchte für einen guten Zweck. Corona erschwert das.
Seit 1986 besteht zwischen dem Heidenheimer Werkgymnasium (WEG), dem Schulverbund im Heckental (damals ASR) und der St. Teresa’s Highschool in Bhalukapara eine Schulpartnerschaft. Um die Partnerschule in Bangladesch finanziell unterstützen zu können, verkauften Hunderte von Schülern seit 35 Jahren Orangen an der Haustür. Aufgrund der Pandemie konnte in diesem Jahr keine „Orangenaktion“stattfinden. Für die Spendenbilanz sieht es deshalb düster aus.
Bescheidene Anfänge
Alles begann mit einer 10. Gymnasialklasse, die mit Religionslehrer Hartmut Neugebauer, der am WEG und an der ASR unterrichtete, die Bergpredigt behandelte. Bei den Schülern entstand daraufhin der Wunsch, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Die erste „Orangenaktion“, deren Erlös von 2000 Mark damals noch an „Brot für die Welt“gespendet wurde, war so erfolgreich, dass Neugebauer das Projekt auf die Klassen 6 bis 9 des WEG und die Klassen 6 bis 10 der damaligen ASR ausweitete. Mit steigenden Erlösen hielt der Lehrer damals auch Ausschau nach einem neuen Hilfsprojekt.
120 000 Mark bis 1991 gespendet
Durch Neugebauers persönliche Freundschaft zu Giengens damaligem Pfarrer Karl Edelmann, der als Dozent in Dhaka tätig war, fand sich schnell eine neue Herausforderung. Im Norden des Landes wurde eine neue Realschule geplant, die einzige im Umkreis von 200 Kilometern. Bis dahin gab es dort nur Schulen bis zur Klasse 5. Zur finanziellen Förderung dieses Projekts verkauften ab 1986 circa 200 Schüler beider Schulen jährlich Orangen in Heidenheim und Umgebung. Der Erlös von etwa 3000 bis 4000 Mark pro Aktion kam dem Bau der Schule zugute. Weiter unterstützten private Spender, zwei Kirchengemeinden sowie die Erlöse von kulturellen Abenden, Schulfesten und Tombolas den Schulhausbau in Bhalukapara. Bis 1991 kamen über 120 000 Mark an Spenden zusammen. Ein Jahr später wurde die St. Teresa’s Highschool eingeweiht.
Bis heute fließen die Spenden, unter anderem für die Erweiterung der Infrastruktur. So konnten in den vergangenen Jahren elektrische Leitungen verlegt, ein Tiefwasserbrunnen gebohrt und ein überdachter Weg zu den Schultoiletten gebaut werden. Vor allem hat die Schule durch die Spenden ein drittes Stockwerk bekommen, um die steigenden Schülerzahlen bewältigen zu können. Ebenfalls werden mit Hilfe der Gelder ärmere Familien, die sich das Schulgeld von umgerechnet zehn Euro im Jahr nicht leisten können, unterstützt.
Ebenso werden die Gehälter der dort unterrichtenden Lehrer subventioniert.
„Ein Lehrer verdient dort umgerechnet etwa 100 Euro. Viel ist es nicht. Viel wichtiger ist aber die Regelmäßigkeit des Gehalts“, sagt Reinhardt Ehrtmann, der bis 2016 Kunst am WEG unterrichtete. Regelmäßig nahm Ehrtmann an Schulbesuchen teil, um zu sehen, dass das Geld auch ordentlich ankommt. „Jedes Mal brachten wir auch kleine Gastgeschenke mit. Wenn man dann erfährt, dass ein Kugelschreiber innerhalb einer Familie weitergereicht wird, ist das schon was Besonderes“, erinnert sich der Lehrer im Ruhestand.
Ebenso gab es auch Besuche von Delegationen aus Bangladesch in Heidenheim. Oft sei es dabei schon vorgekommen, dass einzelne Schüler nicht mehr in die Heimat zurück wollten, weil sie sahen, wie das Leben im Westen ist.
2020 keine „Orangenaktion“
Nun konnte die „Orangenaktion“im vergangenen Jahr nicht wie gewohnt stattfinden. „Es gab nur einen Stand auf dem Wochenmarkt,
weitere Aktionen an Schulfesten und bei Veranstaltungen mussten in den vergangenen beiden Jahren komplett ausfallen“, sagt Florian Kienle, Lehrer am Schulverbund und Vorsitzender des Vereins zur Unterstützung der Partnerschaft mit der St. Teresa’s Highschool in Bhalukapara. Kienle sorgt sich nicht nur um die Spendenerlöse, die heute zusammengerechnet etwa 8000 Euro betragen, sondern auch um die Generationen von Schülern, die sich nun nicht für das Projekt engagieren können. „Pro Schule sind es jetzt zwei Jahrgangsstufen, die quasi noch nie etwas von Bangladesh und unserer Partnerschaft gehört haben, und das ist sehr schade“, sagt Kienle.
Abi-klassen helfen aus
Um den Ausfall zu kompensieren, gab es in der vergangenen Zeit auch Spenden der Abi-klassen, des WEG. „Da es in den vergangene zwei Jahren keine Abi-feste gab, haben sich die Schüler dazu entschlossen, ihre Kassen an uns zu spenden“, sagt Daniel Bohé, Weg-lehrer und stellvertretender Vereinsvorsitzender. Alle drei Lehrer hoffen nun auf
eine erfolgreiche Impfkampagne, um den Spendenbetrieb wieder wie gewohnt aufnehmen zu können. Denn neben der „Orangenaktion“durften auch keine kulturellen Veranstaltungen und der Schulverbunds-sponsorenlauf stattfinden.
Noch gibt es viel zu tun
In Bhalukapara gibt es noch viel zu tun. Die Schule wurde mit Schuljahresbeginn am 16. Januar wieder regulär geöffnet. Kurz nach Neujahr wurden im Vorfeld die Schulbücher an alle Schüler ausgegeben, natürlich mit Abstand und Maske. Der Unterricht fand im Wechselmodell statt, so dass nicht immer alle Klassen im Schulgebäude sind. Im Rahmen des landesweiten Lockdowns sind seit 20. April auch alle Bildungseinrichtungen wieder geschlossen. Damit ist wieder Online-unterricht angesagt. Dieser gestaltet sich in Bangladesch noch um einiges schwieriger, als man es aus Deutschland kennt.