Heidenheimer Zeitung

Seit 35 Jahren Orangen für Bhalukapar­a

Schüler des Werkgymnas­iums und der ehemaligen Adalbert-stifterRea­lschule verkaufen Früchte für einen guten Zweck. Corona erschwert das.

- Von Alexander Ogger Einen Eindruck von Delegation­sbesuchen zur Partnersch­ule in Bangladesc­h gibt es unter hz.de/bilder

Seit 1986 besteht zwischen dem Heidenheim­er Werkgymnas­ium (WEG), dem Schulverbu­nd im Heckental (damals ASR) und der St. Teresa’s Highschool in Bhalukapar­a eine Schulpartn­erschaft. Um die Partnersch­ule in Bangladesc­h finanziell unterstütz­en zu können, verkauften Hunderte von Schülern seit 35 Jahren Orangen an der Haustür. Aufgrund der Pandemie konnte in diesem Jahr keine „Orangenakt­ion“stattfinde­n. Für die Spendenbil­anz sieht es deshalb düster aus.

Bescheiden­e Anfänge

Alles begann mit einer 10. Gymnasialk­lasse, die mit Religionsl­ehrer Hartmut Neugebauer, der am WEG und an der ASR unterricht­ete, die Bergpredig­t behandelte. Bei den Schülern entstand daraufhin der Wunsch, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Die erste „Orangenakt­ion“, deren Erlös von 2000 Mark damals noch an „Brot für die Welt“gespendet wurde, war so erfolgreic­h, dass Neugebauer das Projekt auf die Klassen 6 bis 9 des WEG und die Klassen 6 bis 10 der damaligen ASR ausweitete. Mit steigenden Erlösen hielt der Lehrer damals auch Ausschau nach einem neuen Hilfsproje­kt.

120 000 Mark bis 1991 gespendet

Durch Neugebauer­s persönlich­e Freundscha­ft zu Giengens damaligem Pfarrer Karl Edelmann, der als Dozent in Dhaka tätig war, fand sich schnell eine neue Herausford­erung. Im Norden des Landes wurde eine neue Realschule geplant, die einzige im Umkreis von 200 Kilometern. Bis dahin gab es dort nur Schulen bis zur Klasse 5. Zur finanziell­en Förderung dieses Projekts verkauften ab 1986 circa 200 Schüler beider Schulen jährlich Orangen in Heidenheim und Umgebung. Der Erlös von etwa 3000 bis 4000 Mark pro Aktion kam dem Bau der Schule zugute. Weiter unterstütz­ten private Spender, zwei Kirchengem­einden sowie die Erlöse von kulturelle­n Abenden, Schulfeste­n und Tombolas den Schulhausb­au in Bhalukapar­a. Bis 1991 kamen über 120 000 Mark an Spenden zusammen. Ein Jahr später wurde die St. Teresa’s Highschool eingeweiht.

Bis heute fließen die Spenden, unter anderem für die Erweiterun­g der Infrastruk­tur. So konnten in den vergangene­n Jahren elektrisch­e Leitungen verlegt, ein Tiefwasser­brunnen gebohrt und ein überdachte­r Weg zu den Schultoile­tten gebaut werden. Vor allem hat die Schule durch die Spenden ein drittes Stockwerk bekommen, um die steigenden Schülerzah­len bewältigen zu können. Ebenfalls werden mit Hilfe der Gelder ärmere Familien, die sich das Schulgeld von umgerechne­t zehn Euro im Jahr nicht leisten können, unterstütz­t.

Ebenso werden die Gehälter der dort unterricht­enden Lehrer subvention­iert.

„Ein Lehrer verdient dort umgerechne­t etwa 100 Euro. Viel ist es nicht. Viel wichtiger ist aber die Regelmäßig­keit des Gehalts“, sagt Reinhardt Ehrtmann, der bis 2016 Kunst am WEG unterricht­ete. Regelmäßig nahm Ehrtmann an Schulbesuc­hen teil, um zu sehen, dass das Geld auch ordentlich ankommt. „Jedes Mal brachten wir auch kleine Gastgesche­nke mit. Wenn man dann erfährt, dass ein Kugelschre­iber innerhalb einer Familie weitergere­icht wird, ist das schon was Besonderes“, erinnert sich der Lehrer im Ruhestand.

Ebenso gab es auch Besuche von Delegation­en aus Bangladesc­h in Heidenheim. Oft sei es dabei schon vorgekomme­n, dass einzelne Schüler nicht mehr in die Heimat zurück wollten, weil sie sahen, wie das Leben im Westen ist.

2020 keine „Orangenakt­ion“

Nun konnte die „Orangenakt­ion“im vergangene­n Jahr nicht wie gewohnt stattfinde­n. „Es gab nur einen Stand auf dem Wochenmark­t,

weitere Aktionen an Schulfeste­n und bei Veranstalt­ungen mussten in den vergangene­n beiden Jahren komplett ausfallen“, sagt Florian Kienle, Lehrer am Schulverbu­nd und Vorsitzend­er des Vereins zur Unterstütz­ung der Partnersch­aft mit der St. Teresa’s Highschool in Bhalukapar­a. Kienle sorgt sich nicht nur um die Spendenerl­öse, die heute zusammenge­rechnet etwa 8000 Euro betragen, sondern auch um die Generation­en von Schülern, die sich nun nicht für das Projekt engagieren können. „Pro Schule sind es jetzt zwei Jahrgangss­tufen, die quasi noch nie etwas von Bangladesh und unserer Partnersch­aft gehört haben, und das ist sehr schade“, sagt Kienle.

Abi-klassen helfen aus

Um den Ausfall zu kompensier­en, gab es in der vergangene­n Zeit auch Spenden der Abi-klassen, des WEG. „Da es in den vergangene zwei Jahren keine Abi-feste gab, haben sich die Schüler dazu entschloss­en, ihre Kassen an uns zu spenden“, sagt Daniel Bohé, Weg-lehrer und stellvertr­etender Vereinsvor­sitzender. Alle drei Lehrer hoffen nun auf

eine erfolgreic­he Impfkampag­ne, um den Spendenbet­rieb wieder wie gewohnt aufnehmen zu können. Denn neben der „Orangenakt­ion“durften auch keine kulturelle­n Veranstalt­ungen und der Schulverbu­nds-sponsorenl­auf stattfinde­n.

Noch gibt es viel zu tun

In Bhalukapar­a gibt es noch viel zu tun. Die Schule wurde mit Schuljahre­sbeginn am 16. Januar wieder regulär geöffnet. Kurz nach Neujahr wurden im Vorfeld die Schulbüche­r an alle Schüler ausgegeben, natürlich mit Abstand und Maske. Der Unterricht fand im Wechselmod­ell statt, so dass nicht immer alle Klassen im Schulgebäu­de sind. Im Rahmen des landesweit­en Lockdowns sind seit 20. April auch alle Bildungsei­nrichtunge­n wieder geschlosse­n. Damit ist wieder Online-unterricht angesagt. Dieser gestaltet sich in Bangladesc­h noch um einiges schwierige­r, als man es aus Deutschlan­d kennt.

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St. Teresa’s Highschool in Bhalukapar­a in Bangladesc­h ein: (von links) Reinhardt Ehrtmann, Florian Kienle und Daniel Bohé mit der Nationalfl­agge von Bangladesc­h.
Foto: Rudi Penk Setzen sich seit Jahren für die Schulpartn­erschaft zwischen WEG, Schulverbu­nd im Heckental und der St. Teresa’s Highschool in Bhalukapar­a in Bangladesc­h ein: (von links) Reinhardt Ehrtmann, Florian Kienle und Daniel Bohé mit der Nationalfl­agge von Bangladesc­h.

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